Die Trainer des Handballsportclubs (HSC) Radolfzell fühlen sich allein gelassen und vor die Tür gesetzt. Mit der Entscheidung des Landratsamts Konstanz, nach der Kreissporthalle auf der Mettnau jetzt auch die Kreissporthalle im Berusschulzentrum für die Unterbringung der Flüchtlinge zu nutzen, fehlen elf Mannschaften mit einem Schlag Trainingsmöglichkeiten in der bisher zugeteilten Halle.

Die Mannschaften müssen zusammenrücken

Die Folgen für den Vereinssport sind fatal. Mehr als 250 Handballern, die meisten davon sind Kinder und Jugendliche, ist von heute auf morgen der Übungsplatz entzogen worden. Doch insgesamt sind alle 610 aktiven Handballer des HSC von der Schließung der beiden Radolfzeller Kreissporthallen betroffen. Sie machen Platz während ihrer Trainingseinheiten in der Unterseesporthalle.

Der HSC muss Zeiten und Halle auf alle seine Mannschaften verteilen. Das heißt: Viele Mannschaften können nur noch einmal in der Woche trainieren und alle Mannschaften müssen sich im Training mit der halben Halle begnügen. Was bedeutet: Keine Mannschaft kann mehr auf dem Originalfeld unter Wettbewerbsbedingungen trainieren.

Bald nicht mehr wettbewerbsfähig

Karola Rösch leitet die Geschäftsstelle des HSC, sie hat nun schon den zweiten Trainingsplan für alle Mannschaften zusammenstreichen müssen: „Wir mussten nach der Schließung der Mettnauhalle schon zusammenrücken.“ Nach dem neuesten Plan wird es gerade für die Kleinsten in der F-Jugend ganz bitter, das sind die Jahrgänge 2014 und 2015, sie können derzeit gar nicht mehr trainieren.

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Die älteren können noch ein bisschen üben. Rainer Leenen, der die erste Damenmannschaft mit Ambitionen in der Landesliga trainiert, fürchtet bei diesen Bedingungen um sein Team: „Nach Plan haben wir noch einmal die Woche Training in einer halben Halle, da sind wir nicht wettbewerbsfähig.“ Normal wäre Training zwei Mal in der Woche und in der ganzen Halle. Leenen macht sich nichts vor: „Wenn das so bleibt, werden die Mädels gehen.“ Zu anderen Vereinen mit besseren Trainingsmöglichkeiten.

Nach Corona der nächste Schlag

Zwei Jahre Vereinsarbeit unter Corona-Bedingungen waren schon schwer genug. Für Spieler, Trainer und alle anderen Ehrenamtlichen im Verein. Kerstin Bilidt, die die E-Jugend trainiert, sagt: „Corona haben wir gerade noch so aufgefangen.“ Jetzt gingen die Ideen aus, wie die neue Krise zu meistern sei. Die Suche nach Trainingsmöglichkeiten – auch in Gewerbehallen – sei zermürbend. Ein Training im Freien sei mit kleinen Kindern in Herbst und Winter nicht möglich. Zumal Handball eine Hallensportart ist.

Rainer Leenen ergänzt: „Die Leute sind nach Corona ausgebrannt, die Vereine haben irgendwie versucht, sich durchzuschlagen.“ Jetzt befürchtet der Trainer, dass der Entzug der Trainingsmöglichkeiten das Aus für den Verein bedeuten könnte.

Er macht auf die gesellschaftliche Komponente aufmerksam: „Dann fehlen am Ende des Tages Menschen, die am Gässlefescht Schorle ausschenken.“ Und was noch mehr ins Gewicht fällt, es fehlen Menschen, die sich um die sportliche Ausbildung der Kinder kümmern. Auch Flüchtlingskinder. „Wir würden gerne welche im Training aufnehmen, aber das geht nun nicht“, beschreibt Karola Rösch eine weitere Wirkung der Hallenschließung.

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Handballer wollen keine Neid-Debatte

Kerstin Bilidt möchte nicht das Leid der Flüchtlinge infrage stellen: „Jeder sieht den Grund und erkennt ihn an.“ Ein Aufrechnen zwischen Sport und menschlicher Hilfeleistung lehnt sie ab: „Wir wollen keine Neid-Debatte.“ Was sie, Karola Rösch und Rainer Leenen aber wollen und fordern, ist eine Perspektive für ihren Verein. „Und wirklich auch eine zeitliche: Wie lange müssen wir mit der Schließung der Halle rechnen?“ Karola Rösch bekräftigt: „Das wäre dann einfacher zu verkraften.“

Die Trainer wollen Lösungen

Eine Überbrückungs-Perspektive wäre auch, wenn andere Gemeinden in ihren Hallen Trainingszeiten an Radolfzeller Vereine abtreten würden. Der HSC war schon offensiv und hat über befreundete Vereine gefragt, in Dettingen und Allensbach hat der HSC Trainingszeiten bekommen. Das seien lobenswerte Ausnahmen, so Rainer Leenen.

Doch das reiche nicht für einen vernünftigen Trainingsbetrieb. „Wir brauchen mehr Einheiten“, sagt Karola Rösch mit Blick auf das Trainingstableau. Auch die Möglichkeit, den Betrieb in der Unterseesporthalle bis 23 Uhr auszuweiten, würde der Verein wahrnehmen. „Da wird keiner Hurra schreien, aber es geht nicht ohne Kompromisse“, sagt Leenen. Kerstin Bilidt bekräftigt diesen Ansatz: „Wir wollen nicht schimpfen, wir wollen Lösungen.“ Sonst geht dem HSC die Luft aus.