Wer einen Unfall verursacht, darf nicht einfach davon fahren, sondern muss entweder die Polizei verständigen oder zumindest seine Daten hinterlassen. Soweit so klar. Doch was bedeutet das eigentlich genau? Genau darüber diskutierten im Amtsgericht Radolfzell jüngst Richterin Ulrike Steiner und Verteidiger Markus Henke, dessen Mandant sich nach einem Unfall vermeintlich falsch verhalten hatte.

Der 73-Jährige war wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort angeklagt. Er hatte im Januar dieses Jahres beim Ausparken nach einem Arzttermin ein anderes Fahrzeug touchiert und dabei einen Schaden von rund 1000 Euro verursacht. Den Zusammenstoß bemerkte er laut eigener Aussage wegen seiner Hörprobleme nicht. Er fuhr einige Meter davon, wendete seine Wagen und wollte nach Hause fahren.

Eine Frau, eigentlich nur Zeugin des Unfall, doch von ihm angeblich für die Fahrzeughalterin gehalten, stoppte ihn und forderte ihn auf, sich um den Schaden zu kümmern.

Zeugin widerspricht dem Angeklagten

Der 73-Jährige sagte aus, er habe die Frau gefragt, ob sie die Polizei rufen wolle. Als sie verneinte, sei er ausgestiegen, habe den Schaden begutachtet und sich danach von ihr mitsamt seinem Autokennzeichen fotografieren lassen. Name oder Telefonnummer habe er nicht hinterlassen. Laut eigener Aussage davon überzeugt, alles richtig gemacht zu haben, fuhr er schließlich davon – und wurde wenig später zuhause von der Polizei überrascht, die ihm Fahrerflucht vorwarf, berichtet er. „Es war mein erster Unfall, ich wusste damals nicht, dass ich etwas falsch gemacht habe“, erklärte er.

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Die Zeugin bestätigte vor Gericht zwar, dass auch sie vermute, der Mann habe den Zusammenstoß nicht bemerkt. Allerdings habe sie ihm deutlich gesagt, sie wolle zwar nicht die Polizei rufen, doch er solle dies selbst tun oder einen Zettel mit Namen und Telefonnummer am beschädigten Fahrzeug hinterlassen. Fotografiert habe sie ihn nicht auf seinen Wunsch hin, sondern weil der 73-Jährige wieder in seinen Wagen gestiegen sei und sie dachte, er wollte davon fahren. Bilder bestätigten vor Gericht, dass der Mann im Wagen saß und nicht daneben stand, wie von ihm zuvor behauptet.

Die Staatsanwaltschaft sah den Tatvorwurf daher als bestätigt. Sie forderte im Plädoyer eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50 Euro sowie ein viermonatiges Fahrverbot.

Verteidiger fordert Freispruch

Sein Verteidiger Markus Henke sah hingegen keine Schuld bei seinem Mandanten. Er argumentierte, der 73-Jährige habe den Anstoß nicht bemerkt, ging aber im Anschluss irrig davon aus, alles richtig gemacht zu haben. Er sei zurecht davon ausgegangen, dass zur Schadensregulierung das Autokennzeichen ausreiche, da man innerhalb von wenigen Minuten per Anruf bei der Zentralauskunft damit die Versicherung herausfinden könne, die sich anschließend an den Fahrzeughalter wende. Der Name des Fahrers sei nicht relevant.

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Es liege ein sogenannter Tatbestandsirrtum vor, weil sein Mandant gar nicht gewusst habe, etwas falsch gemacht zu haben. Es gebe keinen Tatvorsatz. Henke forderte daher einen Freispruch für seinen Mandanten.

Dies sah Richterin Ulrike Steiner jedoch ganz anders. Sie sagte, es liege kein Tatbestands-, sondern ein Verbotsirrtum vor – und der schütze nicht vor Strafe. „Dass Ihnen der Unfall leid tut, glaube ich Ihnen wirklich, von der restlichen Geschichte eher wenig“, stellte Steiner klar. Sie ging davon aus, der 73-Jährige habe die Kollision bemerkt.

Auch das Foto habe die Zeugin nur gemacht, da der Angeklagte habe wegfahren wollte, argumentierte sie. Die Aufforderung, selbst einen Zettel zu hinterlassen, habe er ignoriert. Es sei abwegig, dass der Angeklagte sich berechtigt vom Unfallort entfernt habe. Sie folgte in ihrem Strafmaß daher vollständig der Forderung der Staatsanwaltschaft.