In Deutschland liegt die Promillegrenze beim Autofahren bei 0,5. Wer diese Grenze überschreitet, begeht eine Ordnungswidrigkeit, ab 1,1 Promille sogar eine Straftat – aus guten Gründen. Etwas, das ein 78-jähriger Mann im September des vergangenen Jahres aber nicht beherzigt hatte und was ihn nun teuer zu stehen kam. Der Mann musste sich wegen Trunkenheit im Verkehr, Gefährdung des Straßenverkehrs und unerlaubtem Entfernen vom Unfallort vor dem Amtsgericht Radolfzell verantworten.

Mit den Worten „ein Tag, der nicht ganz gut zu Ende ging“, beschrieb Richterin Ulrike Steiner zu Beginn der Gerichtsverhandlung den Abend des Vorfalls. Doch was war an besagtem Abend eigentlich passiert? Der Mann soll sich trotz erheblichem Alkoholkonsums nach einem Besuch in einer Gaststätte noch ins Auto gesetzt haben, um seinen Neffen im drei Kilometer entfernten Nachbarort abzuliefern.

Der 78-Jährige verursachte schließlich kurz vor dem Ziel einen Unfall. Er soll der Anklage zufolge in die Anhängerkupplung eines parkenden Fahrzeugs gefahren sein und dadurch einen Schaden in Höhe von rund 2900 Euro verursacht haben. Doch statt stehenzubleiben, sei der Angeklagte danach einfach weiter gefahren, so der Vorwurf.

Zeuge hört Unfall

Ein Anwohner bekam den Vorfall mit: Er sei gerade in der Küche gewesen, als er am besagten Abend plötzlich einen Knall gehört habe, berichtet der Mann im Zeugenstand. Daraufhin sei er ans Fenster gelaufen und habe von dort ein Auto vorbeifahren sehen und sich das Kennzeichen aufgeschrieben.

Einige Minuten später sei er dann nach draußen und die Straße entlang gelaufen. Er habe sich damals gedacht: „Vielleicht siehst du ja was.“ Und so kam es auch. In einer Einfahrt einige Häuser weiter habe er das Fahrzeug, welches er zuvor beobachtet hatte, entdeckt.

Die inzwischen herbeigerufene Polizei traf dort wenig später auf den Angeklagten und seinen Beifahrer, der gerade in der Einfahrt versuchte, einen Reifen am beschädigten Wagen wechseln, berichtete ein Polizeibeamter im Zeugenstand. Aufgrund von Anzeichen für Alkoholkonsum – „das hat man deutlich gerochen“, so der Polizist – sei der Angeklagte für einen Bluttest ins Singener Krankenhaus gebracht worden. Das Ergebnis: 1,66 Promille.

Angeklagter kann Vorwürfe nicht nachvollziehen

Der Angeklagte zeigte sich nur teilweise einsichtig. Dass er betrunken Auto gefahren sei, gab der Angeklagte zwar vor Gericht zu. Aber für den Vorwurf, er habe sich unerlaubt vom Unfallort entfernt, fehlte ihm das Verständnis. „Logisch ist das für mich nicht, dass mir Fahrerflucht vorgeworfen wird“, sagte er. Er sei nur etwa 80 Meter weiter gefahren, um seinen Neffen abzuladen.

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Auch am Vorwurf, er sei gegen ein Auto gefahren, äußerte der Angeklagte vor Gericht Zweifel. Es habe zwar gerumpelt, aber: „Ich würde heute noch sagen, ich habe kein Auto erwischt.“ Er habe gedacht, er sei gegen den Randstein gefahren.

Der damalige Beifahrer und Neffe des Angeklagten unterstützte die Version. Er habe während der Autofahrt geschlafen und sei dann aufgewacht, als er einen Schlag gespürt habe, berichtete er. Auch er habe damals gedacht, sie seien gegen einen Bordstein oder eine Mauer gefahren.

Schäden können nicht vom Bordstein stammen

Schäden oder Spuren an einer Mauer konnte die Polizei in der Nähe des Unfallortes jedoch nicht entdecken, wie der Beamte im Zeugenstand berichtete. Zudem sei der Bordstein in der Straße „maximal zwei Zentimeter hoch und auch noch abgerundet“. Die festgestellten Schäden und das vom Anwohner geschilderte Knallgeräusch könnten eigentlich nicht von einem solchen Bordstein stammen, so der Beamte. Außerdem hätten die Schäden am Auto des Angeklagten „rein vom Verstand her“ gepasst.

Für die Staatsanwaltschaft war die Beweislage damit klar: Der Angeklagte habe fahrlässig den Straßenverkehr gefährdet und sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt. Damit habe sich der 78-Jährige als untauglich zum Führen eines Kraftfahrzeugs erwiesen. Die Staatsanwaltschaft forderte deshalb eine Geldstrafe von 75 Tagessätzen zu je 45 Euro sowie eine Sperrfrist von neun Monaten für den Führerschein.

Fehler ohne Vorsatz

Für den Verteidiger war die Beweislage weniger eindeutig. Sein Mandant habe irrtümlich geglaubt, dass er gegen den Bordstein oder eine Mauer gefahren sei. In seinem alkoholisierten Zustand habe der 78-Jährige zudem nicht mit Sicherheit erkennen können, ob der Schaden an seinem Fahrzeug überhaupt dadurch entstehen konnte. Außerdem: Hätte sich sein Mandant vorsätzlich vom Unfallort entfernt, wäre er nicht 80 Meter weiter in der Einfahrt stehen geblieben, wo ihn jeder Passant sehen konnte.

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Zudem habe er bislang keinerlei Einträge im Bundeszentralregister, er habe sich einsichtig gezeigt und die Fahrereigenschaft von sich aus direkt zugegeben. Daher hielt der Verteidiger eine Geldstrafe in Höhe von 45 Tagessätzen zu je 40 Euro sowie eine Sperrfrist von drei Monaten für angemessen.

Angeklagter erhält Geldstrafe

Doch Richterin Steiner folgte den Argumenten der Staatsanwaltschaft. Sie verurteilte den Angeklagten zu 75 Tagessätzen à 45 Euro und verhängte eine Sperrfrist von neun Monaten für den Führerschein des 78-Jährigen.

In ihrer Urteils-Begründung erklärte sie: „Der Angeklagte hätte anhalten und nachschauen müssen“ – auch wenn er nur gegen eine Mauer gefahren wäre. Spätestens dann, als er bemerkt habe, wie stark das Auto beschädigt war.