Es ist der zweite Anlauf für das Vorhaben, die Lettow-Vorbeck-Straße in Radolfzell umzubenennen, und dieses Mal könnte er erfolgreich sein. 21 von insgesamt 23 stimmberechtigten Gemeinderats-Mitgliedern haben den interfraktionellen Antrag zur Umbenennung der Straße positiv beschieden. 2013 fiel das Ergebnis elf zu elf aus, der Antrag war somit abgelehnt. Dennoch lief der Prozess nicht ganz ohne Diskussion ab. Ein Hobby-Historiker hatte am Tag vor der Gemeinderatssitzung alle Stadträte angeschrieben und seine ganz eigene Sicht auf Paul von Lettow-Vorbeck mitgeteilt. Diese widersprach dem Gutachten der Historikerin Heike Kempe von der Universität Konstanz.

Gemeinderat hat 2013 ein Gutachten in Auftrag gegeben

Heike Kempe hatte im Jahr 2013 im Auftrag des Gemeinderats einen ausführlichen Bericht über das Leben und Wirken von Paul von Lettow-Vorbeck angefertigt. Sie kam zu einem eindeutigen Urteil: „Seine Biographen wie auch Gutachter kommen einstimmig überein, dass Lettow-Vorbeck weder als Namensgeber für Kasernen noch für Straßen in heutiger Zeit geeignet ist.“

Im Mai dieses Jahres erkannte auch die Bundesregierung den Völkermord an den Herero und Nama als Kriegsverbrechen an. Lettow-Vorbeck war an diesen kriegerischen Handlungen maßgeblich beteiligt. In dem Schreiben des Hobby-Historikers an die Stadträte wird seine Rolle allerdings anders dargestellt, Vorbeck habe keinerlei Befehlsgewalt gehabt und würde in Afrika noch immer verehrt. Auch der Völkermord an den Herero und Nama stellt der Schreiber als unglücklichen Ausbruch einer Viehseuche da. Quellen oder Belege für seine Aussage nennt er keine.

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Martin Aichem (Freie Wähler) war sehr geneigt, dem Inhalt dieser Mail Glauben zu schenken. „Seine Rolle scheint nicht klar zu sein“, sagte er während der jüngsten Sitzung. Siegfried Lehmann (FGL) hingegen zeigte sich „erschüttert“ über diese Mail: „Diese Aussagen negieren vollständig, was historisch belegt ist.“ Lettow-Vorbeck sei nicht nur einfach mitgelaufen, er habe seine Taten bis zuletzt gerechtfertigt. Er sei zutiefst undemokratisch gewesen. Zwar wolle man erneut die Anwohner der Straße anhören, doch setzt Lehmann Grenzen: „Nicht jeder, der eine Stellungnahme abgibt, bekommt Recht. Entscheiden werden wir hier im Gremium.“

Thilo Sindlinger mahnt Geschichtskorrektur an

Stadtrat Thilo Sindlinger (FGL) kündigte gleich an, diesen Antrag nicht zu unterstützen. Aus seiner Sicht sei es eine Geschichtskorrektur, den Straßennamen zu ändern. Es sei überheblich, seine heutigen Werte auf die damalige Zeit übertragen zu wollen. Norbert Lumbe (SPD) widersprach dieser Aussage vehement. Geschichte könne man nicht korrigieren, aber neu bewerten.

Er plädierte dafür, die bereits bestehende Info-Tafel hängen zu lassen und zu erweitern um die Erläuterung, warum der Name geändert wurde. „Wir können diesen Menschen nicht weiter ehren“, fasste Lumbe zusammen. Susann Göhler-Krekosch (SPD) verstand die Namensänderung als Signal an die jüngeren Generationen, solchen Personen die Ehre eines Straßennamens zu entziehen.

Zahlung einer Entschädigung ist geplant

Als nächsten Schritt werde man eine Befragung der Anwohner durchführen, klärte Bürgermeisterin Monika Laule auf. Nach der Befragung werde der Gemeinderat dann endgültig über die Umbenennung entscheiden. Der Beschluss jetzt sei nur die Anerkennung der Notwendigkeit, den Straßennamen zu ändern.

Für alle Bewohner der Straße gebe es eine finanzielle Aufwandsentschädigung in Höhe von 50 Euro pro Person. Sollte jemand höhere Kosten durch die Namensänderung haben, könnte die Aufwandsentschädigung mit einem entsprechenden Nachweis auch höher ausfallen. Auch werde man die Historikerin Heike Kempe beauftragen, das bereits bestehende Gutachten um die Anerkennung des Völkermordes durch die Bundesregierung zu ergänzen.