Dass eine Kommune ihren Pflichtaufgaben erfüllt und darüber hinaus noch mehr, kommt in der aktuellen Wirtschaftslage eher selten vor. Reichen die knappen Ressourcen doch oft nicht einmal für das, was von der Bundesregierung versprochen oder vorgeschrieben wurde. In Radolfzell führt der interfraktionelle Antrag, losgetreten von der CDU, über die Aufstockung des bereits begonnen Anbaus der Grundschule Markelfingen zu einer Diskussion über Pflicht und Kür der Stadt als Schulträger und die Konsequenzen für alle anderen Grundschulen in der Stadt.

Der Antrag der CDU lautete, doch mal zu prüfen, ob man den bereits gestarteten Anbau der Grundschule nicht gleich zweistöckig machen könne. Die Schülerzahlen in Markelfingen seien zuletzt durch die Erschließung des Neubaugebietes Im Tal rasant gestiegen, die Schule hat massive Platzprobleme. Zwei Klassen sind bereits ausgegliedert worden: eine ins Rathaus, eine in den Keller. Es ist eng, die Klassen sind voll und es kommen noch immer neue Kinder dazu.

Einstöckiger Anbau wird gefördert

Da läge es doch nahe, wenn man ohnehin schon einen Anbau in Arbeit habe, diesen um ein weiteres Stockwerk zu erweitern und so gleich noch mehr Platz zu schaffen. Denn es fehlen nicht nur Klassenräume, sondern auch Räume für die Kinderzeit oder Fach- und Gemeinschaftsräume für die Schule. Der einstöckige Anbau kostet 1,9 Millionen Euro und es gibt Fördergelder in Höhe von 160.000 Euro. Kosten für das weitere Stockwerk müssten noch genau berechnet werden, vermutlich zirka 1,6 Millionen Euro.

Bürgermeisterin plant mit weniger Kindern

Während die anderen Fraktionen dem Antrag der CDU folgten, war Bürgermeisterin Monika Laule alles andere als begeistert über den Vorstoß. Und sie brachte ein Thema mit in die Diskussion, welches den Gemeinderat schon viele Male an unterschiedlichen Stellen intensiv beschäftigt hat: die Bevölkerungsvorausrechnung. Wie viele Kinder es wann in Radolfzell geben wird, ist die Basis für die mittel- und langfristige Planung der Kita- und Schulplätze. Und laut der Vorausrechnung der Stadt brauche man den zusätzlichen Raum eines zweiten Stockwerks nur für eine kurze Zeit.

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Für das Schuljahr 2025/26, wenn der einstöckige Anbau fertig und bezogen wäre, hätten sieben Klassen Platz im Schulhaus, die Kinderzeit würde auf die Räume im Rathaus ausweichen. Aktuell hat die Grundschule sechs Schulklassen, die aber schon mit wenig neuen Schülern über den Klassenteiler von 28 Kindern pro Klasse kommen könnten. Sieben oder mehr Klassen sind ein realistisches Szenario.

Es könnte noch einmal kurz eng werden

Diese sieben oder acht Klassen, mit denen die Stadtverwaltung in den kommenden Jahren rechnet, sollen aber gegen 2030/2031 wieder Geschichte sein, so die Bevölkerungsvorausrechnung der Stadt. In der Zwischenzeit soll eine Klasse für ein Schuljahr oder zwei wieder ins Rathaus ziehen.

Damit könne die Grundschule Markelfingen vorübergehend auskommen, bis der „temporäre Schülerberg“ vorbei sei, wie Monika Laule ausführte. Dann stünden der Grundschule jede Menge Räume für weitere Schulaktivitäten, die verlässliche Grundschule und die Kinderzeit zur Verfügung. „Vier Klassenzimmer reichen mittelfristig“, so Laule.

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Die extra Räume würden laut Modellraumprogramm des Landes für erforderlichen Schulraum den Bedarf überstiegen, und würden finanziell auch nicht gefördert werden, erklärte die Bürgermeisterin. Außerdem müsse der Schulträger alle Schulen im Blick behalten: Stelle man der Grundschule Markelfingen mehr Räume zur Verfügung, müsse man dies auch allen anderen Schulen der Kernstadt und der Ortsteile gewähren.

Priorität hätten eigentlich andere Grundschulen

Und in der Prioritätenliste, welche Grundschule als nächstes Extra-Räume bekommen soll, steht Markelfingen nur auf Platz fünf. Vor ihr in der Reihenfolge auf Platz eins steht die Sonnenrainschule, dann auf den Plätzen zwei bis vier Stahringen, Liggeringen und Güttingen. Kosten für die Stadt, alle Wünsche gleichermaßen zu erfüllen: zirka 8 Millionen Euro. Geld, welches die Stadt nicht hat.

„Das Ergebnis haben Sie ja schon vorweggenommen.“ Markus Zähringer, SPD, zu dem Sachvortrag von Bürgermeisterin Monika Laule
„Das Ergebnis haben Sie ja schon vorweggenommen.“ Markus Zähringer, SPD, zu dem Sachvortrag von Bürgermeisterin Monika Laule | Bild: Andreas Kochlöffel

Markus Zähringer (SPD) störte sich am eindeutigen Ton der Präsentation der Stadtverwaltung gegen den Prüfauftrag. „Das Ergebnis haben Sie ja schon vorweggenommen“, so Zähringer. Der Schulleiter des Berufschulzentrums Radolfzell empfahl, die Prognosen der Schülerzahlen „mit Vorsicht zu genießen“. Und mahnte an, die Ortsteile nicht gegeneinander auszuspielen mit der Prioritätenliste.

Er selbst sehe die Dringlichkeit in Markelfingen, ein Prüfauftrag sei also dringender denn je. Seine Fraktionskollegin Kristina Koch störte sich am verwendeten Wort „Schülerberg“ und fragte, wann denn die Bevölkerungsvorausrechnung je zutreffend gewesen sei.

„Wenn es nur ein temporäres Problem wäre, wäre Ihre Argumentation sauber. Ist es das nicht, wäre es eine Fehlentscheidung.“ Siegfried ...
„Wenn es nur ein temporäres Problem wäre, wäre Ihre Argumentation sauber. Ist es das nicht, wäre es eine Fehlentscheidung.“ Siegfried Lehmann, FGL | Bild: FGL

Das fragte sich auch Siegfried Lehmann (FGL). „Wenn es nur ein temporäres Problem wäre, wäre Ihre Argumentation sauber. Ist es das nicht, wäre es eine Fehlentscheidung“, so Lehmann. Er stehe voll hinter dem Prüfauftrag, die Entscheidung über die Aufstockung sei aber aus seiner Sicht komplett offen. Er verlangte einen zweifelsfreien Beleg, dass es in wenigen Jahren tatsächlich weniger Schülerinnen und Schüler in der Grundschule geben werde.

„Ich bin seit 35 Jahren im Ortschaftsrat und noch nie sind die Schülerzahlen zurückgegangen.“ Martina Gleich, CDU
„Ich bin seit 35 Jahren im Ortschaftsrat und noch nie sind die Schülerzahlen zurückgegangen.“ Martina Gleich, CDU | Bild: Andreas Kochloeffel

Keine Beweise, aber viel Erfahrung brachte Martina Gleich (CDU) mit in die Diskussion: „Ich bin seit 35 Jahren im Ortschaftsrat und noch nie sind die Schülerzahlen zurückgegangen.“ Sie fragte, ob die Stadt dem Regierungspräsidium Freiburg, welches das Modellraumprogramm erstellt, auch die aktuellen Schülerzahlen aus Markelfingen gemeldet habe. Sie äußerte die Hoffnung, dass dann die Aufstockung im Plan aufgenommen werden könnte und somit auch bezuschusst werde.

Die Gemeinderäte stimmten mit einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen mehrheitlich für den Prüfauftrag. Das Ergebnis soll dann im November vorgestellt werden, Kostenschätzung inklusive.