Es gibt auch noch gute Nachrichten in Zeiten der Corona-Krise: „Die Versorgung mit frischem Gemüse von der Reichenau-Gemüse-Genossenschaft ist gesichert“, erklärt Geschäftsführer Johannes Bliestle – freilich mit dem derzeit obligatorischen „Stand heute“ im Anhang. Da niemand wisse, wie sich die Lage in den kommenden Tagen und Wochen entwickle, sei es natürlich schwierig.
„Man hat permanent Krisenmanagement“, so Bliestle. Aber man tue alles dafür, den Betrieb aufrecht zu erhalten, schließlich sei die Genossenschaft als Lebensmittelversorger auch systemrelevant. So arbeite ein Teil der Verwaltung zu Hause. Und alle Mitarbeiter seien in zwei Teams aufgeteilt, erklärt der Geschäftsführer. Falls sich jemand mit dem Coronavirus infiziere, dann müssten nicht alle in Quarantäne, sondern eben nur das eine Team, meint Bliestle.
500.000 Salatköpfe in zwei Wochen
Entsprechend herrscht zwar etwas weniger Betrieb in der Vermarktungshalle. Aber umso mehr haben die Mitarbeiter zu tun. Denn die Reichenauer Gärtner produzieren im üblichen Umfang – freilich unter Beachtung der gängigen Vorsichtsmaßnahmen, die natürlich auch in den Räumen der Genossenschaft gelten, so Bliestle. Mit ihren gelben Staplern flitzen die Mitarbeiter durch die Halle, um die Gemüselastwagen mit frischer Ware zu beladen oder die aus der Reichenauer Gärtnersiedlung im Hegau zu entladen.

Johannes Bliestle berichtet, in den vergangenen zwei Wochen habe man eine halbe Million Stück Kopfsalat sowie eine große Zahl an bunten Salaten von der Insel vermarktet. „Das ist gut gelaufen“, sagt Bliestle. Aus der Gärtnersiedlung gebe es zudem bereits grüne und Spitzpaprika sowie Auberginen und sogar schon die ersten Salatgurken. „Es ist noch Saisonanfang. Das läuft jetzt alles an.“ Die Schließung aller gastronomischen Betriebe mache sich natürlich schon bei der Vermarktungsmenge bemerkbar, so Bliestle weiter: „Das tendiert Richtung Null.“
„Die Leute müssen ja was essen“
Aber die Lage sei für die Genossenschaft nicht dramatisch. „Wir sind insgesamt breit aufgestellt.“ Zum einen mache die direkt belieferte Gastronomie nur circa fünf Prozent des gesamten Umsatzes aus, erklärt der Geschäftsführer. Und in der vergangenen Woche seien diese Einbußen dadurch teilweise kompensiert worden, dass Marktgänger mehr frische Ware gekauft und abgesetzt hätten.
Vermutlich, weil die Leute aufgrund der Schließungen in der Gastronomie mehr selbst kochen müssten, meint Bliestle. Aber er habe den Eindruck, dass auch bei der frischen Ware viele etwas mehr als nötig gekauft hätten. Auch im Lebensmitteleinzelhandel sei der Umsatz gut gewesen.

Entsprechend sei Anfang dieser Woche die Nachfrage etwas verhaltener gewesen. Aber er gehe davon aus, dass am Ende der Woche wieder normal eingekauft werde. „Die Leute müssen ja was essen“, betont Bliestle, und der hoffe natürlich, dass sie vor allem regionale Produkte verwenden.
Jedoch: „Uns treibt natürlich auch die Sorge, wie es weitergeht“, räumt der Geschäftsführer ein. Wie der Absatz weiter laufen werde, hänge auch davon ab, wie die Produktion von frischem Gemüse in den am meisten vom Coronavirus betroffenen Ländern Italien und Spanien laufe. Diese seien momentan die stärksten Lieferanten in Deutschland.
80 Prozent der Helfer sind da
Kaum betroffen seien die Reichenauer Gärtner zudem vom Problem der fehlenden Erntehelfer aus Osteuropa. Obwohl praktisch alle der 60 Betriebe in der Genossenschaft solche Kräfte benötigen würden, so Blestle – von einem bis zu 15, je nach Größe. Auf der Reichenau und in den Gärtnersiedlungen auf dem Festland gebe es hauptsächlich Saisonarbeitskräfte aus Polen und Rumänien.
Und rund 80 Prozent der circa 230 Erntehelfer seien schon vor Ort. Diese seien noch vor der Schließung der Grenzen gekommen, weil bereits vor ein paar Wochen die Salaternte begonnen hat. Zwar fehlen damit aktuell noch circa 45 Helfer. Und er gehe auch nicht davon aus, dass diese in nächster Zeit aus ihren Heimatländern anreisen könnten.
Zur Kompensation habe er zusammen mit Tourismus-Chef Karl Wehrle eine Initiative gestartet: Unter den Beschäftigten aus dem Reichenauer Hotel- und Gaststättengewerbe, die plötzlich ohne Job sind, habe man dafür geworben, sich in den Gärtnerbetrieben Geld zu verdienen, berichtet Bliestle.
Und: „Wir haben eine relativ große Liste an Arbeitswilligen.“ Einige davon habe die Genossenschaft schon vermittelt, bei den anderen gleiche man nach und nach ab, wann die einzelnen Betriebe Bedarf haben. Johannes Bliestle wertet den Erfolg dieser Aktion als schönes Zeichen der Solidarität.
Das Mehlregal ist leer
Auch im Gärtnercenter der Raiffeisen-Lagerhaus-Genossenschaft kauften in der vergangenen Woche viele Leute mehr ein als sonst, berichtet Geschäftsführer Johannes Bliestle. Vor allem natürlich Lebensmittel und Getränke: „Unser Mehlregal ist leer.“ Aber es seien zum Beispiel auch Gartengeräte gekauft worden.
Zur Sicherheit von Mitarbeitern und Kunden werde auch im Gärtnercenter auf Abstand geachtet. An den Kassen gebe es wie in manchen anderen Läden durchsichtige Schutzschilde. Vor die Beratungstheken habe man Biertische gestellt, damit automatisch Abstand gewahrt wird.