Zwei kleine Schilder sorgen unter den Allensbacher Wassersportfreunden für großen Unmut. Sie hängen seit Freitag vergangener Woche an vier Dalben des Gemeindestegs, sind nur von der Seeseite aus zu lesen und ihre Botschaft ist eindeutig: An zwei Anlegestellen dürfen nur Boote des Allensbacher Motor-Sport-Centers Roje angeleint werden.

Damit sind Jens Albiez, Stefan Sax und Thomas Karrer überhaupt nicht einverstanden, sie sind darüber sogar „entsetzt“, wie sie in einem dieser Zeitung vorliegenden Brief an Bürgermeister Stefan Friedrich und den Gemeinderat schreiben. Ihre Reaktion: Sie sammeln über die Internetplattform change.org Unterschriften gegen die Entscheidung der Gemeindespitze, an Roje zwei Gastliegeplätze vermietet zu haben. Die Petition teilen sie auch über das soziale Netzwerk Facebook. Bis Dienstagnachmittag, 16.30 Uhr, haben 190 Menschen mit ihrem Namenszug bekundet, nicht einverstanden mit dem Vorgehen der Gemeinde zu sein.

Die drei Motorbootfahrer, die sagen, stellvertretend für eine „große Gruppe wassersportbegeisterter Bürgerinnen und Bürger zu sprechen, fühlen sich gegenüber Roje benachteiligt. Ein einzelnes Unternehmen zu bevorzugen, sei angesichts der sehr begrenzten Anzahl an Liegeplätzen „willkürlich“ – denn es gibt jetzt statt neun nur noch sieben Gastliegeplätze. Sie empfinden den Beschluss als „in höchstem Maße unfair“. Und dann kritisieren sie noch, dass es keinerlei öffentliche Information oder Diskussion zu diesem Thema gegeben habe.
Vivien Leisner, Geschäftsführerin und Tochter von Firmeninhaber Roland Jenke, hat sich Anfang dieses Jahres an die Gemeinde mit dem Wunsch gewandt, fünf Gastliegeplätze für ihr Unternehmen zu bekommen, zwei sind es geworden, vermietet auf zwei Jahre zur Probe. Doch wie kam die Entscheidung zustande? Hat der Gemeinderat darüber abgestimmt? Die letzte Frage kann mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden, die Gemeinderäte wurden nur über das Ergebnis in einer Sitzung informiert.
Bürgermeister informiert sich bei drei Vereinen und dem Hafenmeister
Um sich eine Meinung über den Antrag von Roje bilden zu können, hatte Bürgermeister Stefan Friedrich Vertreter von drei Vereinen ins Rathaus eingeladen, die den Steg sonst noch nutzen: Das sind die Seglervereinigung Gnadensee-Allensbach (SVGA), die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) und der Angelsportverein (ASV). Und mit Roland Baumann von Schifffahrt Baumann nahm auch noch der Hafenmeister an dem Gespräch teil. Baumann so berichtet er auf Nachfrage, habe in der Runde gesagt, nicht überwachen zu wollen, ob in den von Roje reservierten Boxen auch nur Roje-Boote liegen: „Dafür habe ich gar keine Zeit.“
Segler bewerten Vergabe an Roje als „problematisch“
Georg Floß, Präsident der SVGA, und sein Vertreter Kurt-Christian Tennstädt bezeichnen die Vergabe an Roje in einer Stellungnahme als „problematisch“. Denn sie sei konträr zu dem Ziel, den Untersee möglichst frei von hochmotorisierten Booten zu halten. Diese verlärmten den See, erzeugten unerwünschten Wellenschlag und erhöhten den CO2-Fußabdruck der Gemeinde.
Zudem böte eine weitere Zunahme des Motorbootverkehrs eine ideale Grundlage für Verbände, die Beschränkungen analog dem Markelfinger Winkel zu verschärfen. Die beiden Vereinsrepräsentanten denken auch an Gastsegler und weisen darauf hin, dass nur die Plätze am Kopfende des Stegs eine ausreichende Wassertiefe haben und ein Anlegen mit Segelyachten verlässlich gestattet. „Aus unserer Sicht war das eine ungute Entscheidung, da kommt nur eine üble Stimmung auf“, so Floß.
Vivien Leisner verweist darauf, dass eigene Liegeplätze für die Zukunft ihres Unternehmens sehr wichtig seien. Die Hersteller von Motorbooten würden darauf drängen, dass ihre Modelle im Wasser liegend von potenziellen Kunden angeschaut werden können. Testfahrten ließen sich jetzt auch leichter planen und in den Boxen würden auch Reparaturen an Booten vorgenommen.
Zudem sei auf den vier Tafeln auch die Telefonnummer ihres Betriebs zu finden. Da könne jeder anrufen und fragen, ob er anlegen darf. In Kürze bekämen die Dalben auch noch grüne und rote Tafeln. Grün bedeutet, in der Box anlegen zu können, die rote Tafel untersagt das.

Bürgermeister Stefan Friedrich betont, den Gemeinderat bei seiner Entscheidung pro Roje mit ins Boot geholt zu haben – per E-Mail-Umlauf. CDU und FDP hätten mit der Maßgabe zugestimmt, dass es sich nur um eine Testphase handelt und im Nachgang im Gemeindeparlament darüber gesprochen werde. Ähnlich hätten sich die Freien Wähler geäußert, die von Roje aber 30 statt 10 Euro pro Nacht verlangt hätten. Von den Grünen habe es bis jetzt keine Antwort gegeben.
Dass in der öffentlichen Juli-Sitzung des Gemeinderats nicht über Rojes Antrag gesprochen wurde, begründet Friedrich mit der Bedeutung eines anderen Themas: dem Bürgerentscheid zur Zukunft der Hegner Grundschule. Dafür habe man die Gemeinderatssitzung extra ins Pfarrheim verlegt und sich ausreichend Zeit genommen.
Außerdem habe es nach der Juli-Sitzung keine weitere Gemeinderatssitzung gegeben, in der eine Bekanntgabe hätte erfolgen können. Gleichzeitig komme gerade auch kein Mitteilungsblatt heraus. Doch Friedrich hinterfragt auch sein eigenes Handeln: „Ich stelle nicht in Abrede, dass wir es über Social Media oder unsere Homepage hätten gleich kommunizieren können.“
Gemeinderäte wollen mitentscheiden
Alles deutet also darauf hin, dass sich der Gemeinderat in einer öffentlichen Sitzung doch noch mit der Geschichte beschäftigt, die im Ort hohe Wellen schlägt. Die Freien Wähler fordern, das Thema „Anlage, Vergabe und Nutzung öffentlicher Liegeplätze“ auf die Tagesordnung der kommenden Gemeinderatssitzung zu setzen.
FW-Gemeinderätin Karin Heiligmann spricht am Telefon von einer „äußerst unglücklichen Kommunikation“. Ihrer Meinung nach sollten Privatunternehmen am Gemeindesteg nicht bevorzugt werden: „Wenn wir das einmal zulassen, dann sind doch Tür und Tor geöffnet für weitere Anfragen.“ Für Ludwig Egenhofer muss das Thema dieses Jahr noch auf die Tagesordnung einer Gemeinderatssitzung. „Dann wird es spannend“, sagt der CDU-Fraktionschef.