Die ungewöhnlich großen Schneemengen im Januar haben im Schilfgürtel rund um die Insel Reichenau Spuren hinterlassen. An etlichen Stellen ist das Schilf unter dem Gewicht des schweren, nassen Schnees umgeknickt. Das empfinden offenbar etliche Leute als unschön, berichten Bürgermeister Wolfgang Zoll und die Biologin Irene Strang, die sich als Beauftragte der Gemeinde um deren Uferkonzept kümmert. Und sie seien auch mehrfach angesprochen worden, ob das liegende Schilf nicht schädliche Folgen für die Natur habe.
Strang und Zoll betonen in einer gemeinsamen Erklärung: „Auch wenn das niedergedrückte Schilf nicht schön aussieht, ist es für das Schilf selbst kein Problem. Auch die Tierwelt kommt mit diesem Phänomen zurecht. Maßnahmen wie Mähen oder gar Brennen sind verboten und richten mehr Schaden als Nutzen an.“
Abmähen wäre verboten
Ein Abmähen sei nicht nur nach dem 1. März verboten, so Zoll und Strang. Es würde dem Schilf durch das Befahren mit Mähgeräten auch zusätzlich schaden. Die Gemeinde hofft, dass es wegen der geknickten Halme weniger Brandstiftungen im Schilf gibt als sonst im Frühjahr. Diese Brandstiftungen seien nicht nur Straftaten, so der Bürgermeister und die Ufer-Beauftragte.

Sie gefährdeten zudem völlig unnötig die Gesundheit von Feuerwehrleuten und die Vogelwelt. Zudem gehen die Brände zum Teil auf Gehölz über und können sogar Gebäude bedrohen. Und: „Im April sind die Vögel schon mitten in der Brut“, erklärt Strang.
„Wenn es kein Dauerzustand ist, wird die Natur damit zurechtkommen“
Viele Bürger seien so viel Schnee wie in diesem Winter nicht mehr gewohnt. „Wenn es kein Dauerzustand ist, wird die Natur damit zurechtkommen“, so Strang über das abgeknickte Schilf. Neue, junge Halme könnten die Streuschicht problemlos durchstoßen. Aus dem alten, liegenden Schilf entstehe ein stinkender Schlick. „Das Altschilf wird nach und nach von Bodenlebewesen zersetzt.“ Unter den Wasservögeln gebe es zum einen Arten wie etwa das Blesshuhn, die ihre Nester im Schilf oder an Halmen bauen; diese hätten es nun schwerer, erklärt die Biologin. Aber es gebe auch Arten wie die Rohrweihe, die Schneisen im Schilf brauchen fürs Nest.
Bei den Fischen hänge es davon ab, wie sich der Wasserstand bis zum Sommer entwickle, so Strang. Wenn die Schilfbereiche gut überflutet würden, sei das für Fische kein Problem. Seichteres Wasser über dem Schilf sei dagegen für manche Arten wie etwa die Schleie problematisch, weil sich das Wasser schneller erwärme und der Sauerstoffgehalt sinke. Aber niedergedrücktes Schilf gebe es derzeit nur an einigen Stellen rund um die Reichenau, so die Biologin. Die betreffenden Vogel- und Fischarten könnten also durchaus geeignete Plätze finden.
Stefan Riebel, Vorsitzender des Fischereivereins, sieht das niedergedrückte Schilf etwas skeptischer. Die jungen Halme kämen zwar schnell hoch, seien aber instabiler und würden daher schneller wieder umknicken. Für Spaziergänger hat das liegende Schilf immerhin den Vorteil, dass man nun an vielen Stellen wunderbar auf den See sehen kann.
Schilfbrände
In den vergangenen Jahrzehnten kam es vor allem im Frühling immer wieder zu Schilfbränden bei der Reichenau. In den meisten Fällen geht die Polizei von vorsätzlicher Brandstiftung aus. Weil unter den Bränden die Natur leidet, Feuerwehrleute in Gefahr bringt und Gebäude bedroht, hatte die Gemeinde schon vor ein paar Jahren einen Infoabend veranstaltet. Trotzdem brannte auch seither immer wieder irgendwo das Schilf. (toz)Das lesen Sie zusätzlich online
Weniger Unfälle, aber mehr Menschen in Seenot: Die Jahresstatistik der Wapo