Bauvorhaben auf der Insel Reichenau sorgen immer wieder für kontroverse Diskussionen im Gemeinderat und an den Stammtischen. Ein Grundproblem dabei ist die mitunter strittige Frage, ob sich ein Grundstück im bebaubaren Innenbereich befindet oder aber im Außenbereich, wo zunächst einmal per Gesetz grundsätzlich nicht gebaut werden darf.
Gemeinde will künftig gegen Umnutzung vorgehen
Wer einen Gartenbaubetrieb hat, kann aber auch im Außenbereich ein Gebäude errichten, wenn das Landwirtschaftsamt eine landwirtschaftliche Privilegierung erteilt. Und das wird von manchen Grundstückseigentümern und Bürgern als ungerecht, sozusagen als Zwei-Klassen-Baurecht empfunden, zumal in der Vergangenheit immer wieder mal ein privilegiert errichtetes Gebäude zum Wohnhaus umfunktioniert wurde.
Solche Umnutzungen will die Gemeinde nun künftig nach Möglichkeit verhindern. Wenn ein entsprechender Antrag eingehen sollte, will die Gemeinde dagegen bauplanungsrechtlich vorgehen, indem sie das betreffende Grundstück als landwirtschaftliche Fläche ausweist. Dies hat der Gemeinderat auf Vorschlag der Verwaltung bei einer Enthaltung beschlossen.
Bürgermeister Wolfgang Zoll betonte, dass die Gemeinde es weiterhin grundsätzlich unterstütze, dass ein Gartenbaubetrieb mit Privilegierung ein Gebäude errichtet, wenn er dies nachweislich benötigt. Doch er erklärte, es gehe nun um den Ausdruck des politischen Willens in einer grundsätzlichen Frage, um eben den Eindruck zu verhindern, dass es ein Zwei-Klassen-Baurecht gebe.
Zumal es mittlerweile eine Gesetzesänderung gebe, die eine solche Umnutzung erleichtere, wenn das betreffende Gebäude vor mehr als sieben Jahren mit einer Privilegierung errichtet wurde. „Solche Nutzungsänderungen sind in der Regel von der Baurechtsbehörde zu genehmigen“, meinte Zoll. Wenn diese Regelung verstärkt in Anspruch genommen würde, könnte das natürlich lukrativ für manche sein. Aktuell und in den vergangenen Jahren habe es zwar keine solchen Anträge gegeben.
Bereits 2013 wurde eine Umnutzung verhindert
Doch Zoll erinnerte an einen Fall aus dem Jahr 2013. Damals habe es im Bereich der Wittigowostraße ein privilegiert errichtetes Gebäude mit Wohnungen gegeben, das der Eigentümer an einen Nicht-Landwirt habe verkaufen wollen, so der Bürgermeister. Die Gemeinde sei dagegen mit Erfolg gerichtlich vorgegangen – und das Gebäude sei schließlich an einen anderen Gärtner verkauft worden, eine Umnutzung also verhindert worden. Und spätestens seit der damaligen Diskussion müsste jedem auf der Insel klar sein, dass die Gemeinde solche Umnutzungen nicht mittrage.
Deshalb heiße es im aktuellen Beschluss, dass die Gemeinde vor allem dann gegen eine geplante Umnutzung vorgehen werde, wenn es sich um ein Gebäude handele, das nach dem 1. Januar 2014 privilegiert erbaut wurde. Und es sei ein Signal für diejenigen, die künftig noch mit einer Privilegierung bauen wollten. Das schließe aber nicht aus, dass man auch bei älteren Gebäuden Maßnahmen ergreifen würde.
„Wir werden jeden Einzelfall prüfen“, betonte Zoll. Allerdings habe es in früheren Jahrzehnten sozusagen die Tradition gegeben, dass solche Umnutzungen stattfanden, aber nicht als Problem empfunden wurden. „Das war kein großes Thema, weil die gesamte Bevölkerung landwirtschaftlich geprägt war“, meinte Zoll.
Berndt Wagner (CDU) merkte an, es gebe auf der Insel auch ältere Höfe im Außenbereich, die gar nicht mit einer Privilegierung entstanden seien, sondern eher, weil der damalige Gemeinderat beide Augen zugedrückt habe. Wagner meinte daher auch: „Man muss es sicher von Fall zu Fall entscheiden.“ Stefan Schmidt (Freie Wähler) und Matthias Graf (CDU) begrüßten ausdrücklich die jetzige Absichtserklärung. Armin Okle (FW) meinte: „Es kann nur der nervös werden, der andere Absichten hat.“
„Wir prüfen streng nach Recht und Gesetz“
Der Gemeinderat hatte sich im vergangenen Juli ausführlich über das Thema Privilegierung informieren lassen durch Thomas Buser, den Leiter der Baurechtsbehörde, den dort für die Reichenau zuständigen Sachbearbeiter Michael Steiert und Uwe Hecker vom Landwirtschaftsamt.
Buser betonte damals einerseits: „Wir prüfen streng nach Recht und Gesetz. Wir sind nicht frei in unserer Entscheidung und haben kein Ermessen.“ Wenn die Vorschriften eingehalten werden, habe ein Bauherr einen Rechtsanspruch.
Das gelte generell bei Bauvorhaben und ebenso bei Privilegierungen, was auch in anderen Gemeinden im Landkreis mitunter strittig sei. Und wenn der Gemeinderat trotzdem sein Einvernehmen verweigere, müsse das Landratsamt dieses ersetzen. Seine Behörde akzeptiere es aber – ebenso wie mittlerweile Gerichte –, wenn die Gemeinde einen Bebauungsplan erstellt und die Planungsziele aus dem Entwicklungskonzept ableitet.
Klar sei, dass auch ein Gärtner kein normales Wohnhaus im Außenbereich bauen dürfe, betonte Hecker damals. Möglich seien aber Unterkünfte für Saisonarbeiter oder Ferienwohnungen im Außenbereich. Buser erklärte zum Thema Ferienwohnungen, diese gelten als „mitgezogener Betriebsteil“. Aber: „Es muss räumlich-funktionell dem Betrieb zu- und untergeordnet sein.“ Ein Landwirt dürfe auch nicht unendlich viele Ferienwohnungen bauen und damit möglicherweise seinen schrumpfenden Betrieb retten wollen.