Eltern von kleinen Kindern in der Gemeinde Reichenau können erst mal aufatmen. Die Betreuung in den Einrichtungen der Gemeinde wird ab Januar 2023 nicht teurer. Zwar hatte die Verwaltung eine Anhebung des Eigenanteils vorgeschlagen, doch der Gemeinderat lehnte dies auf Antrag von Matthias Graf (CDU) einhellig ab.
Weniger Leistung – nicht mehr Geld
Stattdessen wird die Erhöhung zunächst um ein Jahr aufgeschoben. Das Gremium folgte damit der Argumentation der Elternbeiräte aller Einrichtungen. Durch einen anhaltenden Mangel an Fachkräften komme es schon seit einiger Zeit zu Einschränkungen bei den Öffnungszeiten, teilweise gar zu Schließungen von Gruppen oder kompletten Schließtagen, heißt es in deren gemeinsamer Stellungnahme.
Auch Förderangebote und Ausflüge müssten teils entfallen. Das sei ohnehin schon eine Leistungsminderung und verursache mitunter Kosten für die Eltern. Deshalb wäre eine Erhöhung der Kita-Gebühren das falsche Signal und für die Eltern nicht nachvollziehbar.

Graf sagte in der Sitzung, zu der zahlreiche Eltern und Kita-Mitarbeiterinnen gekommen waren: „Eine Gebührenerhöhung kommt für mich erst in Frage, wenn es wieder funktioniert in den Kindergärten. Die erste Aufgabe ist es, Leute zu finden.“ Ähnlich äußerten sich anderen Ratsmitglieder. Sophie Zeller (Freie Liste Natur) betonte: „Die Eltern haben einen Rechtsanspruch auf Betreuung. Der wird derzeit nicht gewährleistet.“
Konkurrenz mit anderen Kommunen
Berndt Wagner (CDU) meinte, wenn die Arbeitsbedingungen in den Kitas durch mehr Personal wieder attraktiver würden, kämen vielleicht noch weitere Erzieherinnen. Und Armin Okle (Freie Wähler) sagte: „Ich hätte kein Problem mit der Gebührenerhöhung, wenn wir diese Leistung wieder darstellen können, wie sie mal war.“ Doch er stellte auch ganz realistisch fest: „Wir sind nicht die Einzigen, die Erzieherinnen suchen.“
Auch Sandra Graßl-Caluk (SPD) schloss sich dem Vorschlag Grafs an. Ebenso Stefan Schmidt (FW), der zudem meinte, man sollte lieber die Gebühren für Eltern aus der Schweiz, die Kinder in einer Reichenauer Einrichtung haben, weiter erhöhen – statt die für die Einheimischen.
Reichenaus Bürgermeister Wolfgang Zoll kündigte an, dass die Verwaltung voraussichtlich im Mai 2023 ein Gespräch mit den Elternbeiräten über den aktuellen Stand führen werde. In der Hoffnung, dass dann mehr Personal da ist. „Wir bemühen uns intensiv um Fachkräfte“, beteuerte der Bürgermeister. „Wir schreiben kontinuierlich aus, egal ob wir gerade jemand suchen oder nicht.“
Damit hoffe man, kurzfristige Ausfälle verhindern zu können. Und: „Wir werden immer kreativer“, meinte Zoll. So habe die Gemeinde schon mit dem Slogan „Wohnung sucht Erzieherin“ geworben.

Zudem rede man mit Ausbildungsstätten. Es gebe aber vor allem auf der Insel zwei Nachteile gegenüber manch anderer Kommune: die nicht so gute Erreichbarkeit und fehlender bezahlbarer Wohnraum. Zoll erklärte, es sei der Verwaltung klar, dass es aufgrund der Ausfälle und der allgemein steigenden Kosten ein schwieriger Zeitpunkt für eine Erhöhung der Kita-Gebühren wäre.
Seit 2018 keine Erhöhung mehr
Andererseits habe die Gemeinde – natürlich auch wegen der Einschränkungen in der Corona-Pandemie – seit Januar 2018 die Gebühren nicht mehr erhöht. Und selbst mit der nun aufgeschobenen Erhöhung hätte der Kostendeckungsgrad durch die Gebühren nur bei elf bis zwölf Prozent gelegen, während die Kommunalverbände 20 Prozent empfehlen.

Die Elternbeiräte hatten in ihrer Stellungnahme noch einige Vorschläge gemacht, wie die Situation vielleicht verbessert werden könnte. Reichenaus Rechnungsamtsleiterin Bettin Meier nahm dazu Stellung, wobei sie meinte, einiges davon praktiziere die Gemeinde schon seit längerer Zeit. So gebe es bereits flexible Anstellungsverträge und Hilfskräfte, um Ausfälle möglichst zu kompensieren. Zur Kritik, dass manche Schäden in den Einrichtungen nicht zeitnah repariert worden seien, erklärte sie, es gebe da einen Rückstau, weil das Ortsbauamt längere Zeit unterbesetzt gewesen sei.
Einrichtungen sollen sich abstimmen
Zudem hatten die Beiräte gewünscht, dass die Einrichtungen wenigstens Schließtage untereinander abstimmen sollten. Sonst hätten Eltern, die ein Kind in einer Kita und ein weiteres in einer Krippe haben, noch mehr Probleme. Darüber werde die Verwaltung mit den Leitungen reden, versprach Meier. Sie verwies aber auch darauf, dass bei verkürzten Öffnungszeiten die betroffenen Eltern auch entsprechend weniger Gebühren zahlen müssten.
Trotz der Probleme, ausreichend Personal zu finden, will die Gemeinde freiwillig den Leitungen mehr Zeit für organisatorische und konzeptionelle Tätigkeiten ermöglichen. Diese Freistellung gehe dann über den Zeitsockel hinaus, der über das Gute-Kita-Gesetz finanziert werde, so der Bürgermeister. Im Gegenzug brauche es natürlich mehr Fachpersonal. Pro Einrichtung sind das knapp 0,2 Stellen.
Zudem sollen Auszubildende und Praktikanten künftig weniger auf den Stellenschlüssel angerechnet werden. „Damit schaffen wir Personalkapazitäten.“ Sofern die zusätzlichen Stellen besetzt werden können. Die Gemeinderäte Sophie Zeller, Sandra Graßl-Caluk und Berndt Wagner werteten das als Schritt in die richtige Richtung, plädierten sogar eher für noch mehr Freistellung der Leitungen – so wie auch die Elternbeiräte, die diesen ersten Schritt ebenfalls begrüßten.
Dadurch könne die Attraktivität der Einrichtungen erhöht werden, was künftig vielleicht ein Wettbewerbsvorteil bei der Suche nach Fachkräften sei.