Rielasingen-Worblingen feiert goldene Hochzeit und der Neujahrsempfang in der Talwiesenhalle bildete den Auftakt zu den Feierlichkeiten, die das ganze Jahr über dauern sollen. Die beiden Redner des Abends, Bürgermeister Ralf Baumert und Kreisarchivar Friedemann Scheck, gingen auf die Geschichte der Gemeinde ein und kamen zu dem Schluss, dass die aus Vernunft geschlossene Ehe für Rielasingen, Worblingen und Arlen ein Gewinn war.
Das Motto des Jubiläumsjahrs heißt „Miteinander – Füreinander“. Für dieses Miteinander standen beim Neujahrsempfang überzeugend die beiden Musikvereine Rielasingen-Arlen und Worblingen. Sie unterhielten erstmals gemeinsam in einem großen Orchester die rund 400 Besucher. Mit ihren Dirigenten Helmut Matt und Thorsten Müller sorgten die Musiker für einen fulminaten Klang bei Stücken der Band „Coldplay“ oder dem Sänger Herbert Grönemeyer, überzeugten aber auch in den ruhigeren Passagen.
Eingemeindung nach Singen war unvorstellbar
Bürgermeister Ralf Baumert erinnerte an den Zusammenschluss von Rielasingen und Worblingen am 1. Januar 1975 im Rahmen der Verwaltungsreform. Arlen war bereits 1936 zu Rielasingen zwangseingemeindet worden. Die Freude bei den beiden selbstständigen und selbstbewussten Gemeinden habe sich damals in Grenzen gehalten. „Zuvor hat es noch Überlegungen gegeben, die heutige Gemeinde mit Bohlingen nach Singen einzugemeinden: Unvorstellbar“, erklärte Baumert.

Die Bohlinger entschieden sich für Singen, die Rielasinger und Worblinger füreinander. Mit Rielasingen-Worblingen sei laut Baumert eine starke und lebendige Gemeinde entstanden, bei der sich die drei Ortsteile trotzdem bis heute ihren Charakter und ihren Charme bewahrt hätten. Beim Zusammenschluss 1975 habe die Gemeinde 8700 Einwohner gezählt, heute seien es 12.500 Bürger, damit sei die Doppelgemeinde die Fünftgrößte im Landkreis, unterstrich Baumert die Entwicklung.
Kreisarchivar Friedemann Scheck hatte für seinen Rückblick in Archive, Akten und Zeitungsartikeln geblickt und ordnete die Geschehnisse sehr unterhaltsam geschichtlich ein. 1966 habe es in der Bundesrepublik nach den Jahren des Wirtschaftswunders erstmals eine Wirtschaftskrise gegeben, berichtete er. Danach hätten die Zeichen auf Reformen und Erneuerung gestanden.

Ein Ziel sei gewesen, die Gemeindeverwaltungen über größere Verwaltungseinheiten effizienter und professioneller zu gestalten. Das habe sich auch die regierende große Koalition in Stuttgart unter Ministerpräsident Karl Filbinger auf die Fahnen geschrieben. „In Baden-Württemberg war jedes Dorf selbstständig, Bürgermeister und Kämmerer arbeiteten ehrenamtlich“, berichtete Scheck. 3379 selbstständige Gemeinden und 63 Landkreise habe es damals gegeben, heute seien es 1100 Kommunen und 35 Landkreise.
Selbstbewusste Worblinger lehnen ab
Auch Singen, Rielasingen sowie Worblingen sei bei der Verwaltungsreform in den Blick genommen worden, mit dem Ziel Singen als Mittelzentrum zu stärken. Ein erster Plan sei gewesen, Worblingen nach Rielasingen einzugemeinden und Bohlingen dazuzunehmen. Dieses Angebot hätten die selbstbewussten Worblinger 1971 abgelehnt.
Die Zielplanung von 1973, Rielasingen und Worblingen nach Singen einzugemeinden, wäre dann aber auf große Empörung gestoßen. Von „den Raubrittern vom Hohentwiel“, die sich die Gemeinden einverleiben wollten, sei die Rede gewesen und davon, dass man „sein Erbe verteidigen müsse“, berichtete der Kreisarchivar.
Der damalige Singener Bürgermeister Friedhelm Möhrle habe sich gegen eine Zwangseingemeindung ausgesprochen und die Rielasinger und Worblinger Bürger entschieden sich in einer Abstimmung gegen Singen. Auch die erneute Eingemeindung von Worblingen und Bohlingen nach Rielasingen zu einer neuen Gemeinde Aachtal scheiterte.
Der Worblinger Bürgermeister Berthold Heim bezichtige die Rielasinger damals „listige und fresslustige Nachbarn“ zu sein. Die beste Lösung, bei der jede Gemeinde ihr Gesicht hätte wahren können, sei dann doch der Zusammenschluss von Rielasingen und Worblingen gewesen. Er wurde am 1. Januar 1975 vollzogen und Berthold Heim war bis 1991 Bürgermeister der Einheitsgemeinde.

Beachtlich an der Entwicklung um die Verwaltungsreform in Rielasingen-Worblingen sei laut dem Kreisarchivar, dass Bürgerproteste Erfolg hatten und so die Wünsche der Gemeinden gehört wurden. Ein Selbstbewusstsein und eine Stärke, die sich Rielasingen-Worblingen mit Arlen bis heute bewahrt hat.
„Die Ortsteile sind zusammengewachsen, sie ergänzen und stärken einander und machen unsere Gemeinde zu einem lebendigen und vielfältigen Ort“, erklärte Bürgermeister Ralf Baumert. Dieses Miteinander sei ein Beispiel dafür, dass man gemeinsam etwas erreichen könne, wenn man einander schätze und unterstütze.