Vor 80 Jahren, nämlich am 8. Mai 1945, endete der Zweite Weltkrieg in Europa. Die Initiative Stolpersteine in Singen möchte mit mehreren Veranstaltungen an diesen Jahrestag erinnern – auch als Mahnung für die heutige Generation. Als erster Schritt soll für Tana Guttmann am Donnerstag, 8. Mai, um 18.30 Uhr ein Stolperstein in der Scheffelstraße 26 verlegt werden.
Sie war die Tochter von Johanna Guttmann. Ihre Existenz war bisher nicht einmal den in den USA lebenden Nachfahren der Familie Guttmann bekannt und wurde nun durch hartnäckige Recherchen des Historikers Axel Huber öffentlich, wie beim Termin deutlich wurde.
Trauriges Schicksal für Mutter und Tochter
Die Familie Guttmann lebte von 1907 bis 1939 in Singen, bevor ein Großteil der Familie floh. Johanna Guttmann blieb zunächst in Singen, bevor sie in Stuttgart vermutlich zur Zwangsarbeit verpflichtet wurde. Im Frühjahr 1942 brachte sie in Neu-Isenburg in der Nähe von Frankfurt ihre Tochter Tana zur Welt.
Mutter und Tochter wurden am 13. Juli 1942 in Stuttgart in den Zug nach Auschwitz gezwungen. Die Passagiere dieses Zuges wurden nach Ankunft sofort in den Gaskammern ermordet. So wurde auch die erst wenige Monate alte Tana ein Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns. Ihr Stolperstein soll nun an sie erinnern und als Mahnung für nachfolgende Generationen dienen.
Bei der Gedenkveranstaltung am 8. Mai, die musikalisch vom Schulorchester des Hegau-Gymnasiums umrahmt wird, wird Axel Huber detailliert über das Schicksal von Johanna und Tana Guttmann berichten. Mit ihren Nachfahren hält der Historiker engen Kontakt, sagt er. Sie seien dankbar, dass mit den Stolpersteinen die Erinnerung an die ermordeten Familienmitglieder bewahrt wird.
Damit die Familie die Veranstaltung ebenfalls verfolgen kann, soll diese online übertragen werden. Die Zeitzeugin Roswitha Besnecker wird ferner darüber berichten, wie sie das Kriegsende in Singen erlebt hat. Das Forum der Religionen Singen wird mit Gebeten für den Frieden vertreten sein; ein Vertreter der jüdischen Gemeinde wird das Kaddisch, das Totengebet, für die kleine Tana sprechen.
Dix‘ „Krieg und Frieden“ nahebringen
Dies ist jedoch nur eine der anlässlich des Gedenktages geplanten Veranstaltungen. Im Singener Ratssaal hängt schon lange das Bild von Otto Dix „Krieg und Frieden“ als Aufforderung an den Gemeinderat, aber auch an alle Singener Bürgerinnen und Bürger, ein solch menschenverachtendes System nie mehr zuzulassen, so Hans-Peter Storz von der Initiative Stolpersteine. Er ist auch Landtagsabgeordneter sowie Stadtrat (SPD).
Um der jungen Generation Absicht und Motivation des Künstlers Dix nahezubringen, wird der Leiter des Kunstmuseums, Christoph Bauer, am 8. Mai jeweils um 9 Uhr, 10 Uhr und 11 Uhr Führungen für Schülerinnen und Schüler der weiterführenden Schulen anbieten. Am 11. Mai um 11 Uhr ist dann die gesamte Bürgerschaft zu dieser kurzweiligen Führung eingeladen. Der Eintritt ist frei, Treffpunkt ist im Ratssaal des Rathauses.
Die bisher schon gute Zusammenarbeit zwischen der Initiative Stolpersteine und dem kommunalen Kino Weitwinkel wird auch bei dieser Veranstaltungsreihe fortgesetzt. Im Kulturzentrum Gems werden im Mai drei Filme gezeigt, die sich mit dem Phänomen Krieg auseinandersetzen.
Am 6. Mai wird der Film „Luftkrieg“ des ukrainischen Regisseurs Sergei Loznitsa zu sehen sein, der das Ausmaß der Zerstörung und das Leid der Zivilbevölkerung während des Zweiten Weltkriegs aufzeigt. Am 7. und 15. Mai ist der Anti-Kriegsfilm „Komm und Sieh“ zu sehen. Schlusspunkt dieser Veranstaltungsreihe wird der Film „Das Kostbarste aller Güter“ sein, der in einer Matinee-Vorstellung in Zusammenarbeit mit dem Bündnis Demokratwiel am 25. Mai um 11 Uhr gezeigt wird.
Grenzüberschreitende Busfahrt mit Lesung
Huber und Storz verweisen auch auf die Busfahrt des Stadtarchivs Singen am 10. Mai. Stationen sind die Theresienkapelle, eine szenische Lesung zum Thema Flucht in Ramsen und zuletzt Schaffhausen, wo es um die Folgen der Bombardierungen geht.
„Die Initiative Stolpersteine möchte mit der Veranstaltungsreihe verdeutlichen, dass der 8. Mai als Gedenktag auch aufgrund der derzeit wachsenden Zustimmung für Rechtsextremisten nichts an Aktualität eingebüßt hat und mehr denn je als Mahnung für ein ‚Nie wieder‘ steht“, so Storz.