Die Hitze der Stadt konnten Menschen in Singen in diesem Sommer hautnah erleben. Hitzig wird deshalb das Dilemma von Nachverdichtung durch Neubauten im Innenbereich der Stadt gegenüber dem Erhalt klimarelevanter Grünflächen thematisiert. Die Diskussion um grüne Areale wie die Kleingärten Knöpfleswies hat wohl auch deshalb so hohe Wellen geschlagen, weil die Kaltluftströme vermisst wurden. Ein Bauprojekt zur Nachverdichtung auf dem Kleingartenareal in der Singener Nordstadt ist dieser Diskussion zum Opfer gefallen.
Grünes Licht hat hingegen der Singener Immobilienexperte Reiner Kupprion für sein Projekt innerstädtischer Nachverdichtung erhalten. Das ehemalige Central-Kino soll als erstes Haus in der Innenstadt eine Fassadenbegrünung erhalten. „Wir wollen zeigen, was geht“, erklärt Kupprion, dessen Sohn Philipp als leitender Architekt für die Umsetzung sorgen wird: „Wir wollen Sachen machen, die die Stadt aufwerten.“

Über Jahrzehnte sind die Singener hier ins Kino gegangen, heute beherbergt das Haus an der August-Ruf-Straße 5a Gastronomie, Drogeriemarkt, Bildungszentrum und Arztpraxen. Doch schon bald soll das prägnante Gebäude der Singener Fußgängerzone um eine Etage aufgestockt und ökologisch saniert werden. Sichtbar wird das durch eine Fassaden-Begrünung des Blocks. Im Gemeinderat wurde das Projekt vorgestellt und die Ratsmitglieder signalisieren Zustimmung. So etwas könnte wegweisend sein für die Umgestaltung der Stadt in Zeiten des Klimawandels.
Erdbebensichere Planung
Kupprion will zur Nutzung des Dachs als Wohnraum ein Mansard-Geschoss aufsetzen. „Hierzu ist ein Neubau des Daches notwendig“, erklärt Patrick Wacker als Abteilungsleiter Baurecht der Stadtverwaltung. So werde ein zusätzliches Vollgeschoss entstehen, ohne dass das Gebäude die Umgebungsstruktur verändert. „Es wird eine gestalterisch ansprechende Variante“, lobt auch er den Plan der Fassadenbegrünung.
Für Architekt Philipp Kupprion liegen die Prioritäten auf Gebäuden, die nachhaltig und zugleich bezahlbar sind: „Es gilt zu erhalten, was Sinn macht.“ Für das ehemalige Kino gelte dies, auch wenn der Umbau es erforderlich mache, dass das Haus durch statische Maßnahmen aktuellen Erdbebenstandards angepasst werden muss.
„Gemeinsam mit der erfahrenen Gärtnerei Saum aus Hohenfels bei Stockach entwickeln wir ein Konzept“, kündigt er an. Denn das Fassadengrün soll mehrere Aspekte vereinen: Es soll nicht nur spektakulär aussehen, sondern auch die Abstrahlwärme des Gebäudes reduzieren und gleichzeitig als Klimapuffer für das Gebäudeinnere wirken. Es soll ganzjährig grün sein und mit Blühpflanzen auch dem Artenschutz dienen, dank Substratträgern soll es auch als Wasserreservoir wirken und dennoch soll das Grün über ein Gitter am Gebäude hochranken, ohne sich an der Fassade festzusaugen. Insgesamt 400 Quadratmeter Grünfläche sollen so vertikal mitten in der Stadt entstehen.

Zur Person
Philipp Kupprion hat schon Erfahrung mit derartigen Projekten gesammelt. Als Student hat er sich am Architekturwettbewerb „Solar Decathlon“ für nachhaltiges Bauen beteiligt, danach erweiterte er seine Erfahrungen in einem namhaften Büro für solare Architektur in der Schweiz. „Zu den heutigen Aufgaben eines Architekten zählt nicht nur das Gestalten einer schönen Hülle, die essenziellen Themen Energie und Ökologie werden von Beginn an mitgedacht und mitgeplant“, weiß er um die Chancen, die sich so bieten. Die beste Werbung für das nachhaltige Bauen sei immer noch ein gutes Design. „Damit erregt man die Aufmerksamkeit, die es braucht, um dieses wichtige Thema voranzubringen.“