Es geht um die alltägliche Lebenswirklichkeit von Familien. Es geht darum, dass der Stadt Singen bei den sozialen Einrichtungen wegen des Bevölkerungszuwachses der Anzug aus den Nähten zu platzen droht. Und es geht um richtig viel Geld. Die Gemeinderäte haben im Fall des geplanten Neubaus eines Kindergartens in der Nordstadt (siehe Grafik) über eine Investition in Höhe von geschätzten 3,5 Millionen Euro zu entscheiden.

Regina Brütsch gehört zu jenen Stadträten, die immer wieder auf den Ausbaubedarf an sozialen Einrichtungen hinweisen und deshalb steht sie hinter dem Vorhaben. Die SPD-Fraktionssprecherin steckt allerdings in einem Zwiespalt. Ihr genügt der Neubau nicht, erst jüngst stellte sie im Namen ihrer Fraktion den Antrag, zugleich den nicht weit entfernten Bruderhof-Kindergarten zu erneuern und auszubauen.

Warteliste für Kindergartenplätze

Gründe dafür gibt's zur Genüge: Die Warteliste für Kindergartenplätze ist lang, die schlechten Bedingungen für Erzieherinnen und Kinder im Bruderhof sind hinlänglich bekannt und dann ist da noch der nicht ganz unwesentliche Druck der Öffentlichkeit. Diese Funktion nahm im Ratsausschuss für Soziales die Vertreterin des Gesamtelternbeirats wahr. Annika Klotz beschleicht das "Gefühl, dass der Bruderhof-Kindergarten bereits abgeschrieben ist" und setzte sich deshalb für einen Kombi-Beschluss ein: Eine Genehmigung für den Neubau eines Kindergartens in der Nordstadt sollten die Stadträte nur erteilen, wenn dies mit der definitiven Zusage für Investitionen in den Bruderhof-Kindergarten bis spätestens 2021 verbunden werde.

Alles eine Frage des Geldes

Doch zurück zum Dilemma der Regina Brütsch. Wo ihr Herz schlägt, ist klar, doch als Stadträtin muss sie sich auch der kühlen Rechnung der Stadtverwaltung stellen. Diesen Part übernahm Bürgermeisterin Ute Seifried, die zunächst auf die Kosten zu sprechen kam. Der Neubau und die Erweiterung beziehungsweise Sanierung des Bruderhof-Kindergartens übersteigen die Möglichkeiten des Haushalts fürs nächste Jahr und was die mittelfristige Finanzplanung anbelangt, so handelt es sich nur um Absichtserklärungen. Ob daraus etwas wird, hänge von der Einnahmesituation ab – und diesbezüglich hat Regina Brütsch so ihre Erfahrungen. Sie erwähnte die Geschichte der Beurener Mehrzweckhalle, deren Bau sich auf ähnliche Weise über mehrere Jahrzehnte hinzog.

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Zur Rechnung zählt übrigens auch, dass der Neubau das Problem des gesetzlichen Anspruchs von Familien auf einen Kindergartenplatz eher löst als die Erweiterung des Bruderhofs. Beim Neubau ist von rund 80 Platzangeboten auszugehen, beim Bruderhof-Kindergarten beliefe sich die Zahl auf 20.

Weitere Aspekte
zur Diskussion

  1. Grundsätzliches: In Deutschland gibt es einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab drei Jahren bis zum Schulbeginn. Dabei handelt es sich um ein Bundesgesetz, die Umsetzung ist Sache der Kommunen. Um Bedarf und Angebot in Einklang zu bringen, dienen neben Erfahrungswerten sowie statistischen Angaben zur Bevölkerungsentwicklung auch örtliche Daten etwa über den Wohnungsbau. Angesichts von mehr als 300 Wohnungsneubauten in der Singener Innenstadt geht die Stadtverwaltung von einem zusätzlichen Bedarf von etwa 90 Kindergartenplätzen aus. Die schon jetzt angespannte Situation verdeutlicht der Bericht der zuständigen Mitarbeiter im Rathaus. Demnach gibt es täglich "zahlreiche Anrufe von verzweifelten Eltern, die auf der Suche nach einem Betreuungsplatz sind, um ihren Beruf ausüben zu können".
  2. Die Entscheidung: Die Stadträte, die dem Ausschuss für Soziales angehören, haben mehrheitlich von einer anfänglich vorgesehenen Vertagung der Entscheidung abgesehen. Nachdem dieser Beschluss feststand, gab es eine einstimmige Befürwortung eines Neubaus in der Nordstadt. Ferner soll die Erweiterung/Sanierung des Kindergartens Bruderhof in die mittelfristige Finanzplanung aufgenommen werden – wohl wissend, dass dies keine Garantie für eine zeitnahe Umsetzung bedeutet.
  3. Zur Serie: Die Reihe "Wir machen Demokratie" hat ein klar definiertes Ziel. Sie soll im Vorfeld der Kommunalwahlen am 26. Mai an ausgewählten Beispielen die Aufgaben von Gemeinderäten verdeutlichen. In der vergangenen Woche wurde dazu die Debatte um die geplante Verlagerung von Kleingärten auf der Knöpflewies' (in der Nordstadt unterhalb der Beethovenschule) für ein Wohnprojekt für bis zu 700 Menschen dargestellt.