Der Wald hat Geschichte, aber wer kennt sie? Bei der Auftaktwanderung im Rahmen der Reihe „Der SÜDKURIER bewegt“ legt Armin Höfler nach etwa 200 Metern den ersten Stopp ein und die Teilnehmer verstehen nicht warum. Eben erst ist man beim Schützenhaus des Engener Ortsteils Welschingen gestartet, der Weg führt leicht bergan, dann geht‘s ins Ertenhag. Links Bäume, rechts Bäume und vom Insektensterben ist hier an diesem leicht schwülen Spätnachmittag nichts zu bemerken – es sirrt, summt und brummt. Tatsächlich aber befindet sich die Gruppe in unmittelbarer Nähe eines kulturhistorischen Kleinods.

Überall Spuren der Geschichte

Der Archäologe lenkt den Blick auf eine Erderhebung, die alles Mögliche sein könnte. Wer keine Ahnung hat, wird darin vielleicht eine Erdaufschüttung im Zuge des Waldwegebaus vermuten, auf der dann im Laufe der Jahre ein paar Buchen und Erlen sowie Buschwerk Wurzeln schlugen. Doch es handelt sich um ein Keltengrab, von denen es im Kreis Konstanz jede Menge gibt. Knapp 800 davon sind bekannt, aber es dürften weit mehr sein. So wurde laut Armin Höfler bis vor kurzem von 14 Grabhügeln am Hohenhewen ausgegangen, jüngsten Untersuchungen zufolge dürften es aber 30 bis 35 allein auf dem zirka 60 Hektar großen Areal sein.

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Schon wenig später biegt die Gruppe in den Wald zu einem kreisrunden Hügelgrab mit einem Durchmesser von rund 36 Metern ab. Das ist schon ein ganz anderes Kaliber und auch wenn dieses Grab beispielsweise nicht mit dem des Magdalenenbergs bei Villingen-Schwenningen verglichen werden könne, so dokumentiert die Größe für Armin Höfler doch die zentrale Bedeutung der Ansiedlung bei Welschingen. Darauf lassen ferner Radaraufzeichnungen schließen, wonach die Kelten hier eine rund 900 Meter lange Befestigungsmauer aus Holz errichteten. Das wiederum wäre von einer Handvoll Menschen wohl kaum zu leisten gewesen.

Apropos Leistungen: Der Wissenschaftler führt aus, dass die Kelten keine Barbaren waren. Sie standen im Austausch unter anderem mit den Etruskern, die die Eisenkunst (insbesondere Schwerter) der nördlichen Nachbarn schätzten und diese vor allem gegen Schmuck eintauschten.

Widerstand à la Welschingen

Völlig unwissenschaftlich dagegen ist der Eindruck, der sich am 1998 errichteten und ebenfalls an der Wanderstrecke befindlichen Gedenkstein für Albert Meichle einstellt. Der Mann kämpfte erfolgreich gegen den Kiesabbau und für den Erhalt des Ertenhags, wie sein einstiger Mitstreiter Erwin Gut erläutert, und im weiteren Verlauf der Wanderung bekunden mehrere Teilnehmer, dass sie auf die Barrikaden gehen werden, wenn dereinst die Stadt Engen aus ökonomischen Beweggründen die Pläne für den Kiesabbau wieder aus der Schublade holen sollte. Zu Welschingen, so der Eindruck, weiß man offensichtlich bis heute, wie man die Schwerter kreuzt...

Nach dem geschichtlichen Auftakt geht es bei der zweiten Wanderung hoch aktuell zu

  1. Über die Kelten: Länder, Nationen, Völker – heutzutage dienen diese Begrifflichkeiten als Identifikationsmuster. Laut Armin Höfler taugen sie nicht für die Annäherung an die Kelten. Bei ihnen handle es sich nicht um ein Volk, das Keltische bezeichne eher eine Kulturepoche. Diese lässt sich für die sogenannten Halltstattkulturen (benannt nach einem bei Hallstatt im österreichischen Salzkammergut gefundenen Gräberfeld) von 800 bis 450 vor Christus eingrenzen. Zur Besonderheit dieser Kulturepoche zählte nach Angaben des Archäologen die Verhüttung von Eisen, bei deren Verarbeitung die Kelten besondere Fähigkeiten entwickelten. Die Funde stammen nicht zuletzt aus den Grabkammern, da man den Verstorbenen Gefäße mit Speisen und Getränken oder Gebrauchsgegenstände mit auf den Weg ins Jenseits gab. Die Kulturepoche dürfte laut Armin Höfler wegen des Holzbedarfs enormen Einfluss auf das Landschaftsbild des Hegaus gehabt haben.
  2. Über die Serie: „Der SÜDKURIER bewegt“ gibt es seit 2009, wobei die Lokalredaktion sich der Kenntnisse in den Wandervereinen bedient. Im Fall der Wanderung ins Ertenhag hat Ralf Mahlbacher von der Engener Ortsgruppe des Schwarzwaldvereins die Organisation übernommen. Die Teilnahme steht jedermann offen, ist kostenlos und erfolgt auf eigene Gefahr. Neben dem Wandern geht es um das Kennenlernen der Besonderheiten des Hegaus und den Plausch.
  3. Die nächste Tour: Am Freitag, 9. August, leitet Walter Zepf vom Tengerer Ortsverein des Schwarzwaldvereins die Wanderung. Treffpunkt ist um 17 Uhr beim Wiechser Sportplatz. Beim Thema geht um Hintergründe zur Planung und zum Bau der drei Windkraftanlagen, ferner werden während des Rückwegs beeindruckende Ausblicke in den Hegau angekündigt. Wegen Grenzübertritten sollten Ausweise mitgenommen werden, die Einkehr ist in der Wiechser Rabenscheune geplant. (tol)