Es ist vielleicht nicht jedermanns Sache, sein Stück Kuchen oder sein Mittagessen mit Blick auf eine Großbaustelle zu genießen. Aber in Singen gibt es einen ausgeprägten Baustellentourismus. Großväter pilgern mit ihren Enkeln an den Schutzzaun, um zu beobachten, wie das künftige Einkaufszentrum „Cano“ langsam aus der Grube wächst.

Geradezu wie ein Fremdkörper wirkt in dem Gewusel aus Handwerkern, Baggern und Kränen das kleine Café Hanser, das mit seiner Backstube ein Inseldasein fristet. Wegen der Abriss- und Tiefbauarbeiten mussten Nino und Amna Merusic das Singener Traditionshaus am 7. Oktober schließen. Eigentlich hatten sie gehofft, am 1. Januar 2019 wieder durchstarten zu können, doch es kam zu Verzögerungen.

Kurz vor dem Singener Stadtfest am Freitag erhielt das Betreiberehepaar die Nachricht vom benachbarten Großinvestor ECE, dass der Wiedereröffnung des Cafés nun nichts mehr im Wege steht. Und nun ist Hektik angesagt. Das ganze Haus muss geputzt, der Außenbereich für die Bestuhlung hergerichtet und der Ausblick auf die Baustelle abgesichert werden.

Neun Monate Zwangspause, da könnte man angesichts der vielen Freizeit neidisch werden, zumal es eine finanzielle Entschädigung gibt. Aber Nino Mirusic, der Mann aus Sarajevo, der sich Anfang der 1990er Jahre in das Café Hanser verliebte, konnte sich nicht einfach in einen verlängerten Urlaub verabschieden. „Es gab immer wieder Termine“, sagt er. „Besonders heiß war es, als die Spuntwände rund um die Backstube gerammt wurden.“ Schon zweimal hat der Cano-Bauträger Beweissicherungen durchgeführt, um mögliche Bauschäden festzustellen. Sogar einen geplanten Urlaub musste die Familie wegen des Baus stornieren. Nun aber hofft Merusic, dass die Singener die Wiedereröffnung mit ihm feiern werden. „Das Café Hanser ist etwas Besonderes“, ist er überzeugt.