Obwohl sie mit Abstand die Jüngste im Raum ist, muss Nicole die Entscheidung treffen. Es geht um den Stimmungshit "I siang a Lied für di". Nachdem sich die Gruppe gerade geeinigt hat, den Song rockig zu interpretieren – E-Gitarren-Einstieg inklusive – hat Schlagzeuger Marco vorgeschlagen, dem Lied auch noch einen neuen Rhythmus zu verpassen.



Jetzt blicken ihre vier männlichen Mitmusiker die Sängerin gespannt an. "Wie wäre es, wenn wir das Lied tatsächlich als Rumba spielen?", schlägt Nicole vor. "Und dann wechseln wir nach dem Break auf den normalen Rhythmus über." Gesagt getan. Nach einem Probedurchlauf steht die neue Version, die schon in wenigen Tagen auf der Bühne umgesetzt werden wird.
 

Wer der Gruppe in ihrem Proberaum im Radolfzeller Industriegebiet zuhört, merkt schnell: Hier sind Profis am Werk. Rhythmus- und Tonartenwechsel werden in Sekundenschnelle umgesetzt. Insgesamt kann die Band auf ein Repertoire von über 70 Stücken zurückgreifen: vom Jodler bis zur Powerballade – von österreichischen bis hin zu französischen Texten.

Jetzt geht es amerikanisch weiter. Nicole lässt sich auf einem Barhocker neben dem Keyboard nieder. Ihre Beine hat die blonde Sängerin lässig überkreuzt. Den Text des Elektro-Popsong "All about that bass" liest sie beim Singen von ihrem Smartphone ab.

"Privat höre ich alles, von Heavy Metal bis Schlager", verrät die 21-Jährige. "Bei meinen Auftritten achte ich aber darauf, dass ich eine Balance finde – zwischen dem, was gut ankommt und dem, was mir selbst gefällt." Rund 80 Konzerte spielt die Steißlingerin in einem Jahr. Fast ein Vollzeitjob, wenn man bedenkt, dass sie sich selbst um Koordination und Planung der Termine kümmert. Gleichzeitig absolviert Nicole in Wollmatingen eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau. "Ganz alleine würde ich das alles aber nicht schaffen", betont sie. Sie ist dankbar dafür, dass ihre Mutter ihre Musikkarriere von Beginn an unterstützt hat.

Und die begann bereits im zarten Kindergartenalter. "Ich weiß nicht mehr genau, ob es 'Probier's mal mit Gemütlichkeit' oder 'Hey Pippi Langstrumpf' war", sagt sie und lacht. Fest steht, dass die kleine Nicole schon mit vier Jahren bei den Veranstaltungen des St. Elisabeth Kindergarten in Steißlingen als Solistin auftreten durfte.

Es sollte nicht mehr lange dauern, bis sie von einem Leben als Musikerin zu träumen begann: "Als ich elf war, wurde Radio 7 auf mich aufmerksam. Sie luden mich zu einer Spendenübergabe nach Ulm ein, bei der ich 'Children of the world' von Peter Maffay singen durfte", erinnert sie sich. Maffay selbst saß in der ersten Reihe – und entsprechend nervös war das junge Mädchen vor ihm. "Als ich angefangen habe zu singen, sprang er plötzlich auf und kam zu mir auf die Bühne. Ich dachte erst, er will mir das Mikro aus der Hand reißen."

Aber weit gefehlt: Maffay sang mit ihr im Duett. Und nicht nur das: "Nach dem Auftritt lud er mich nach Mallorca zu einem Hoffest auf seiner Finca ein." Mittlerweile kennt sie "Peter" schon um einiges besser. "Ich habe ihn als einen ruhigen und sehr sympathischen Menschen wahrgenommen", blickt sie zurück. Einen Tipp gab er ihr auch mit auf den Weg: "Er riet mir, dass ich in keinem Fall bei einer Castingshow wie DSDS teilnehmen soll", verrät Nicole. Stattdessen ermutigte der Musikstar sie, auf ihre eigenen Fähigkeiten zu vertrauen.

Und tatsächlich gelang es Nicole in den zehn Jahren danach, die Zahl ihrer Auftritte kontinuierlich zu steigern. Von kleinen Geburtstagskonzerten bis zu großen Musikfestivals. Mittlerweile fühlt sie sich auf den Bühnen der Region zu Hause.

Der Weg dahin war aber nicht immer leicht: "Anfangs wurde ich nicht ernst genommen, da Kinder ja meistens phasenweise Hobbies haben und diese dann wieder wechseln. Deshalb wurde ich oft belächelt und gemobbt", erzählt sie. "Vielleicht lag das teilweise auch an meiner Schüchternheit und meiner moppeligen Figur." Gerade durch ihre musikalischen Erfolge wurde das Mädchen mit der kräftigen Stimme im Laufe der Zeit aber immer selbstbewusster. "Ich war schon von Beginn an sehr ehrgeizig, und wenn ich mir etwas in den Kopf setze, arbeite ich solange daran, bis es klappt."

Dass es tatsächlich klappt durfte die Musikerin gerade erst wieder vor ein paar Wochen erfahren. Beim Bundeswettbewerb von Jugend Musiziert ersang sie sich in Kassel den zweiten Preis in der Kategorie Pop-Gesang. Es ist eine Rubrik, die in Nicoles Leben in Zukunft noch eine entscheidende Rolle spielen könnte. "Wenn meine Zeit es zulässt, würde ich gerne Pop-Gesang studieren", berichtet sie.

Bevor es soweit ist, will die Steißlingerin aber noch zahlreiche Auftritte in der Region und darüber hinaus absolvieren. Darauf freut sie sich schon jetzt. Passend dazu steht zum Abschluss der Probe in Radolfzell das gut gelaunte "Happy" von Pharell Williams auf dem Programm. Nicole gibt den Takt vor – dann geht es los.

Die Serie

Der SÜDKURIER erkundet, welche Musik unsere Region prägt. Dazu haben wir die unterschiedlichsten Künstler in Singen und Umgebung besucht. Wir haben sie gefragt, was sie inspiriert und welchen Einfluss ihre Heimat auf die Klänge hat, die sie ihren Instrumenten entlocken – vom Alphorn bis zur E-Gitarre. Damit Sie tatsächlich hören können, wie der Hegau klingt, haben wir diese Erkundungsreise mit einer Videokamera begleitet. Im vierten Teil der Serie stellen wir Nicole Scholz vor. Mehr Infos zu der jungen Frau mit der starken Stimme unter: www.nicole-scholz-music.de