Die gute Nachricht vorneweg: Die Kerze der Freundschaft brennt wieder und man hatte beim Singener Nachbarschaftswein gar das Gefühl, dass sie so hell lodert wie nie zuvor. Beim interkommunalen Austausch der Bürgermeister aus dem gesamten Landkreis Konstanz und der angrenzenden Schweiz zeigten die Rathauschefs Einigkeit und Geschlossenheit. Aber es wird auch deutlich: Klinikneubau, angespannte Finanzen der Kommunen, Rechtsansprüche, Fachkräftemangel und Überbürokratie machen den Kommunen zu schaffen. Ein Abend in mehreren Gängen.
Zum Auftakt gibt es klare Worte
Einen Klassiker zum Auftakt: ein Gläschen Sekt. Mit dem ersten Zuprosten war man sich beim Singener Nachbarschaftswein einig: Solch interkommunale Treffen seien wichtig, um den Landkreis fit für die Zukunft zu machen. Gerade um drängende Kreisthemen, die die Region bewegen, voranzubringen, wie Gastgeber Oberbürgermeister Bernd Häusler betont. „Alle, die hier sitzen, wissen, was es bedeutet, für die Bürger tätig zu sein. Jeder denkt, dass die Verwaltung in den Rathäusern nur Bleistifte anspitzt, aber ohne Kommunen würde in unserem Land nicht viel funktionieren“, sagt der Singener Rathauschef.
Sorgenfalten beim scharfen Curry
Zur Vorspeise gibt es eine reichliche Auswahl: Rote Beete mit Apfel und Ziegenkäse, Feldsalat an Feigen-Senf-Dressing und Krautsalat mit Curry und geröstetem Sesam. Der Curry bringt die Schärfe. Schärfe gibt es bei den Reden keine, aber Sorgenfalten und deutliche Worte von OB Häusler zum Medizinischen Versorgungszentrum und zum Rechtsanspruch in den Kitas und Grundschulen.
Gerade der Rechtsanspruch und die damit verbundenen baulichen Erweiterungen an den Singener Schulen verschärfe die Finanzsituation erheblich. „Wir machen uns Sorgen, wie wir das alles finanzieren sollen“, sagt er. Alleine der Umbau der Zeppelin-Realschule werde rund 7 Millionen Euro kosten, die neue Mensa an der Ekkehardrealschule rund 5 Millionen Euro. „Und dann wissen wir noch gar nicht, was die Umsetzung von G8 auf G9 für Auswirkungen haben wird“, so Häusler weiter. Alleine in den Kitas würden 400 Plätze fehlen.
Das hat auch an anderer Stelle Auswirkungen: Bis zum 1. Januar 2026 müssen sich die Singener gedulden, bis das angekündigte medizinische Versorgungszentrum (MVZ) funktionieren werde. Laut Häusler also ein Jahr später als geplant. Dies hänge mit der schlechten Haushaltslage der Stadt zusammen, da Singen das MVZ als städtischen Eigenbetrieb plane und es somit durch den Singener Haushalt bewertet werde.
Leichtes Fischgericht, schwere Themen
Saibling mit Zitronenbuttersoße, Getreidereis und Gemüse – Gräten waren im Fisch keine zu finden. Grätig wurde bei den Ansprachen von OB Bernd Häusler und Landrat Zeno Danner auch keiner. Stattdessen übten beide den Schulterschluss. „Wir werden das schaffen, dass unsere Gemeinden nicht erdrückt werden“, betont OB Häusler angesichts der vielerorts angespannten Finanzlage.

Was sich nach Durchhalteparolen anhört, nimmt man beiden Redner ab. Ein Beispiel: die Kreisumlage. Natürlich treffe sie die Gemeinden laut Häusler hart. Aber Danner macht deutlich: Der Landkreis brauche Geld, um seine Mammutaufgaben zu stemmen. Alleine für das neue Krankenhaus rechne er mit Kosten von fast 500 Millionen Euro. „Wir brauchen pro Krankenhausbett 800.000 bis 1.000.000 Euro“, so Danner. Und dennoch habe der Landkreis die Kreisumlage zum dritten Mal in Folge bei 34 Prozent gelassen.

Laut dem Landrat sei es wichtig, dass man Abteilungen wie die Notaufnahme großzügig gestalte. „Es ist leichter, einen Bettentrakt anzubauen, als im Nachgang die Notaufnahme vergrößern zu müssen“, sagt er. Und dann gibt es den Moment, in dem der Schulterschluss auch deutlich hörbar wird: Ein Versprechen sei es zwar nicht, aber eine Zusage, es zumindest zu versuchen. „Wir werden es versuchen, die Kreisumlage auch im vierten Jahr bei den 34 Prozent zu halten“, so Danner.
Dafür lassen die Bürgermeister sogar kurz die Gabeln fallen und applaudieren. „Wir finanzieren damit im Schulterschluss unseren Landkreis“, ruft Häusler den Anwesenden zu.
Maispoulardenbrust statt Bodensee-Muscheln
Die gebratene Maispoulardenbrust mit Steinpilzfüllung samt Pesto-Tagliatelle ist ein Gedicht. Kurz vor Weihnachten gibt es dieses zwar beim Nachbarschaftswein nicht, aber einen Wunsch von Landrat Zeno Danner. „Unser Landkreis ist nicht nur dafür da, Muscheln am Bodensee zu suchen“, sagt er. Vielmehr sei der Landkreis ein Wirtschaftsmotor für die ganze Bodenseeregion. „Als solchen sollten wir uns auch wieder verstehen“, so Danner weiter.
Von wegen Frische zum Dessert: Kommunen merken den Druck
Den Schlusspunkt setzt eine Mascarponecreme mit Apfelkompott und Cantuccini. Die Äpfel bringen Frische, die Kommunen derzeit fehlt. Denn bei ihnen macht sich Druck bemerkbar: „Kinderbetreuung, Flüchtlinge und Wohnraum, wir spüren, dass die Luft dünner wird“, sagt auch Benjamin Mors, Vorsitzender im Gemeindetag Kreisverband Konstanz.

Er fordere neue Strukturen und bessere Ideen in der Gesetzgebung, damit die den Gemeinden auferlegten Pflichtaufgaben überhaupt zu stemmen seien. „Nach dem Motto: Nicht das Erzählen reicht, sondern das Erreichen zählt.“ Dafür brauchen die Gemeinden eine Bundespolitik, die sich an den Realitäten vor Ort orientiere. Laut Mors bedeute dies vor allem: Aufgaben müssen auch zu schaffen und vor allem zu finanzieren sein.