Wenn es um Fondium geht, geht es immer um viel. Die Gießerei ist einer der großen Arbeitgeber in Singen, sie hat einen sehr großen Energieverbrauch und sie ist nach wie vor die größte Sphärogießerei Europas. Das sagt Rainer Bosky, der seit August neu auf dem Chefsessel bei Fondium ist. Sphäroguss ist ein Verfahren für den Eisenguss, mit dem man sehr stabile Bauteile herstellen und auch gewichtsreduziert arbeiten kann. Denn im Markt für Autos und Lastwagen, in dem das Unternehmen als Zulieferer tätig ist, ist Gewicht von Bauteilen ein entscheidender Faktor.

Schon seit Jahren arbeite man aber auch in einem schwierigen Marktumfeld, sagt Bosky. Nach 180.000 Tonnen Gussmaterial im Jahr 2023 werde das Volumen in diesem Jahr auf etwa 130.000 Tonnen zurückgehen. Und er gibt unumwunden zu: „Zuletzt haben wir es nicht geschafft, positive Erträge zu erzielen.“ Der Kuchen in der Automobilwirtschaft werde kleiner und darum gebe es auch noch intensiveren Wettbewerb. Von 2023 auf 2024 habe das Unternehmen einen Auftragsrückgang von 20 bis 30 Prozent im Schnitt der Kunden verzeichnet: „An diese Gegebenheiten müssen wir uns anpassen und haben damit schon begonnen.“

Die ganze Zulieferbranche hat derzeit zu kämpfen

Und, so lässt Bosky durchblicken, für genau die Mission Umstrukturierung sei er angeheuert worden. Zur Erinnerung: 2018 haben drei Manager des Georg-Fischer-Konzerns die Gießerei-Standorte in Singen und Mettmann übernommen, das waren Matthias Blumentrath, Achim Schneider und Arnd Potthoff. Von diesen drei Managern sei nun nur noch Potthoff im operativen Geschäft tätig, so Bosky. Der frühere geschäftsführende Gesellschafter Achim Schneider habe den Wechsel selbst mit eingeleitet.

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Ein erster Schritt sei gewesen, Leiharbeiter nicht mehr weiter zu beschäftigen. Bis auf wenige Personen seien diese mittlerweile nicht mehr im Unternehmen im Einsatz, sagt Bosky und betont: „Da hatten wir keine andere Wahl.“ Den aktuellen Personalstand im Singener Werk gibt er mit etwa 700 Personen an, zuvor hat das Unternehmen von etwa 900 Arbeitskräften gesprochen.

Betriebsbedingte Kündigungen bei der Stammbelegschaft seien bisher vermieden worden, betont Bosky – wohl aber das, was in der Wirtschaft als natürliche Fluktuation bekannt ist. Also: Freiwerdende Stellen werden nicht neu besetzt. Erste Erfolge seien schon zu verzeichnen: „In den vergangenen beiden Monaten haben wir wieder positive Ergebnisse erzielt.“

Chef lobt Zusammenarbeit mit Gewerkschaft

Dass eine solche Flexibilität beim Personal möglich ist, bezeichnet Bosky als notwendig in einem so zyklischen Geschäft wie der Zulieferindustrie. In diesem Sinne lobt er die Zusammenarbeit mit der IG Metall und dem Betriebsrat des Unternehmens, gemeinsam habe man viele Weichen in Richtung Flexibilität gestellt. „Jeder vertritt seine Seite, aber am Ende findet man eine gemeinsame Lösung“, so schildert der Geschäftsführer die Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmerseite.

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Der neue Geschäftsführer entwirft das große Bild: Etwa 70 Prozent des Umsatzes mache man im Nutzfahrzeugbereich, so der neue Geschäftsführer, einen weiteren großen Anteil erwirtschafte man mit Autoherstellern und einen kleineren Anteil abseits der Automobilbranche. Auf dieses Kerngeschäft wolle man sich konzentrieren. Und gleichzeitig weht in der Automobil- und damit auch in der Zulieferbranche ein rauer Wind. Volkswagen, Dickschiff der deutschen Autobranche, stellt sich auf harte Einschnitte ein. Der Zulieferer ZF aus Friedrichshafen hat schon im Sommer angekündigt, tausende Stellen in Deutschland abzubauen, was viele Befürchtungen auslöste. Und Eto in Stockach, ebenfalls ein Autozulieferer, kündigt Kurzarbeit ab Dezember an.

Die Automobilkonjunktur ist allerdings nicht der einzige Faktor, der einen Einfluss auf den Geschäftsgang bei der Eisengießerei hat. Die gesamte Industrie ist im Umbruch, was die Energieversorgung angeht – Stichwort Klimaneutralität. In dieser Hinsicht sendet Bosky eine klare Botschaft an die Politik: „Alle wissen, dass sie dekarbonisieren müssen. Aber die Rahmenbedingen waren zuletzt zu unklar.“

Auch hohe Energiepreise führt er als Belastungsfaktor ins Feld. Bei einem Verbrauch von riesigen 100 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr, wie Fondium sie verbrauche, geht es um immense Summen, wenn sich der Strompreis verdrei- oder -vierfacht. Mehrkosten in Millionenhöhe sind die Folge.

Irgendwann gehört Koks der Vergangenheit an

Und zur klimaneutralen Energieversorgung gehört auch das Schmelzaggregat. Der Kupolofen, in dem das Unternehmen Schrotte schmilzt, um sie zu neuen Gussteilen zu verarbeiten, wird derzeit mit Koks betrieben. „Dafür werden wir eine Lösung finden müssen, denn sonst können wir die künftigen CO2-Vorgaben nicht erfüllen“, sagt Bosky. Entwicklungen würden in verschiedene Richtungen gehen. Biokoks aus Pflanzenmaterial sei eine Möglichkeit, aber das Unternehmen sei auch an einem Forschungsprojekt des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) beteiligt, wo untersucht wird, wie CO2 aus Abgasen als Rohstoff nutzbar gemacht werden kann.

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Derzeit ist nach Boskys Ansicht daher eine elektrische Schmelze der gangbarste Weg, mit dem der Prozess auch zuverlässig funktioniert. In Bezug auf die chemischen Vorgänge beim Schmelzprozess und kostenseitig sei das jetzige Aggregat allerdings besser. Und auch an dieser Stelle hat er einen Wunsch an die Politik: Ohne Unterstützung sei der Wechsel zu einer neuen Schmelze nicht ohne Weiteres machbar. Die Kosten ordnet er bei einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag ein: „Die Investition ist riesig.“