Was würden Sie tun, wenn Sie Chef einer Kita wären? Dies war nur eine von mehreren Fragen, die bei einer Beteiligungsveranstaltung in der Zunftschüür der Poppele gestellt wurden. Dabei konnten Teilnehmer ihre Ideen rund um die Zukunft der Kitas in Singen beitragen. Eingeladen hatte die Abteilung Kindertagesbetreuung der Stadt Singen. Viele Erzieherinnen und andere Interessierte, darunter auch Eltern, nutzten die Gelegenheit, ihre Vorschläge und Wünsche mitzuteilen.
Der Erprobungsparagraph der Landesregierung als Reaktion auf die Kita-Krise war Auslöser für die Veranstaltung. Diese Gesetzesregelung erlaubt Konzepte zu erproben, die von den gesetzlichen Vorgaben des Kita-Gesetzes und der Kindertagesstättenverordnung abweichen. Derartige Konzepte können ab dem nächsten Herbst zunächst für drei Jahre erprobt werden.
Vor einem halben Jahr haben Mitarbeiter von Singener Kitas eine ähnliche Veranstaltung in Konstanz besucht. Nun haben sie sie selbst organisiert. Federführend dabei war Leonie Braun, Leiterin der Abteilung Kindertagesbetreuung der Stadt Singen. Unterstützt wurde sie von ihrer Stellvertreterin Christine Graß und Mitarbeiterin Tanja Schäfer, den Erzieherinnen Jana Rether und Marion Knobelspies sowie Alois Knoblauch als Zunftschüürmanager der Poppele-Zunft. Eingeladen waren unter anderem Fachkräfte und Leitungen von Kitas, Personalabteilung, Kämmerei, Personalrat, Gemeinderat, Gesamtelternbeirat, Eltern, Fachkräfte aus der Integrationsarbeit, Jugendarbeit, Vertreter vom Kreisjugendamt, Gesundheitsamt, Beratungsstellen und vom Jobcenter.

Bei der Frage nach einem Schlagwort, das für die Kita der Zukunft stehen sollte, kamen Vorschläge wie flexibel, modernisiert, saniert, bunt, unkompliziert, organisiert, sicher, familienfreundlich oder abwechslungsreich – um nur einige zu nennen. An einer Stellwand konnten die Teilnehmer ihre eigenen Ideen für eine neue Gestaltung der Bildung, Erziehung und Betreuung der Zukunft anpinnen.
Die Wünsche waren weit gestreut, unter anderem wurden Dolmetscher, eine Kooperation mit Vereinen, themenorientierte Räume, Fußballturniere, aktive Einbindung von Eltern oder auch Kooperationen nach dem Motto „Alt trifft Jung“ genannt. Auch der Wunsch nach der Trennung von Bildungszeit und reiner Betreuungszeit wurde geäußert.
Freie Träger beteiligen sich ebenfalls am Projekt
Auch Mitarbeiter der Kita Lebenswerk, die seit zwei Jahren 32 Plätze für Kindertagesbetreuung in Singen anbietet, nutzten die Gelegenheit, ihre Ideen einzubringen. Besonders ausführlich beschäftigten sie sich mit einem Aufgaben-Bingo. Hier ging es darum, Aufgaben der einzelnen Mitarbeiter optimal zu verteilen.
„Wir versuchen, der Stadt zu helfen und haben einen sehr guten Draht zu den Verantwortlichen bei der Stadt. Das Schwierigste sei allerdings, geeignete Räume zu finden“, sagte Nicole Eckstein, Leiterin der Kita Lebenswerk. Die Kita Lebenswerk plant, an anderen Standorten weitere Plätze anzubieten.
Für das Treffen waren im Vorfeld auch Kindergartenkinder zu Wort gekommen. „Wir haben Kinder gefragt, was sie machen würden, wenn sie König oder Königin für einen Tag wären“, erklärte Manuela Wittstock. Schlagworte wie „seid leise“ oder „kauft neue Spielsachen“ waren zwei der Wünsche der Kinder. An einer Station konnten einer künstlichen Intelligenz Fragen gestellt werden.
Antworten auf den Personalnotstand gesucht
Grund für die neuartige Veranstaltung ist der neue Erprobungsparagraph als Antwort der Landesregierung auf die Kita-Krise. Gemäß Paragraph 11 des Kindertagesbetreuungsgesetzes Baden-Württemberg, dem so genannten „Erprobungsparagraphen“, der zum 1. Januar 2024 verabschiedet wurde, können die Träger von Kitas Konzepte entwickeln, die Antworten auf den Personalnotstand und die fehlenden Plätze für die Zukunft finden.
Diese Konzepte dürfen von den gesetzlichen Vorgaben des Kita-Gesetzes und der Kindertagesstättenverordnung abweichen. Dies bedeutet konkret, dass zum Beispiel von einem Mindestpersonalschlüssel bei der Betreuung, der Ausbildung der Fachkräfte und anderen Vorgaben abgewichen werden kann. Die Erprobungszeit ist jedoch auf längstens drei Jahre begrenzt. Danach muss die Wirksamkeit des Konzeptes bewertet werden und ein Verlängerungsantrag gestellt werden. Ohne eine Beteiligung, wie sie nun stattfand, können die neuen Konzepte nicht umgesetzt werden.