Die gute Nachricht vorneweg: Die Kerze der Freundschaft brennt wieder und man hatte beim Singener Nachbarschaftswein gar das Gefühl, dass sie so hell lodert wie noch nie zuvor. Beim interkommunalen Austausch der Bürgermeister aus dem gesamten Landkreis Konstanz und der angrenzenden Schweiz in die Hohentwiel-Stadt zeigten die Rathauschefs Einigkeit, Geschlossenheit und übten den demonstrativen Schulterschluss.
Dies habe laut Gastgeber Oberbürgermeister Bernd Häusler auch die Pandemie bewirkt. „Es war aller Ehren wert, was wir hier im Landkreis alle zusammen geleistet haben, um diese Krise und die vielen danach zu bewältigen“, sagt er, bevor der erste Gang aufgetragen wurde. Zur Erinnerung: Der Nachbarschaftswein war das erste Mal seit 2019 wieder mit Publikum möglich. Ein Abend in vier Gängen.

Der Aperitif
Ein klassisches Glas Sekt. Mit dem ersten Zuprosten war man sich beim Singener Nachbarschaftswein einig: Solch interkommunale Treffen seien wichtig, um den Landkreis fit für die Zukunft zu machen. Gerade um drängende Kreisthemen, die die Region bewegen, voranzubringen, wie Gastgeber OB Häusler betont. Landrat Zeno Danner sei seit seinem Amtsantritt im Jahr 2019 gleich als Krisenmanager gefragt gewesen. „Händeschütteln war fast nicht drinnen“, so Häusler.
Als Beispiele nannte er die heftigen Probleme im Busverkehr im Landkreis, die Corona-Krise, der Aufruf der Bevölkerung nach einer schnellen Impfung dagegen. „Es war allen egal, woher der Landkreis den Impfstoff holt, alle wollten quasi zeitgleich den Impfstoff“, sagt Häusler. Am Ende habe es binnen kürzer Zeit mit dem Kreisimpfzentrum in der Singener Stadthalle funktioniert.
Ein samtiges Süppchen, den Pfiff gibt es nebenbei
Cremesuppe vom Hokkaidokürbis zur Vorspeise. Ein Klassiker. Auf Chili wurde beim kulinarischen ersten Aufgalopp verzichtet. Einen Hauch von Schärfe bringt Bernd Häusler in den Abend. Er spricht zwei Themen an, die ihn auf die Palme bringen: die Flüchtlingskrise und die Überbürokratisierung von Land und Bund.
Die anhaltende Flüchtlingskrise bringe viele Kommunen an den Rand des Leistbaren. „Die Flüchtlingszahlen steigen wieder und die Menschen kommen in einer fast unversiegbaren Anzahl zu uns“, sagt er. Dabei gebe es Kommunen, die mehr leisten als andere – was nicht unbedingt als Kritik gemeint sei. Was OB Häusler allerdings an diesem Abend nicht ausspricht: Schon im Herbst hatte er im SÜDKURIER darauf hingewiesen, dass es Landkreise gebe, die mehr belastet werden als andere.
Tengens Bürgermeister Marian Schreier geht noch einen Schritt weiter, denn die große Herausforderung stehe den Gemeinden noch bevor. „Diese Menschen werden nach und nach in die Anschlussunterbringungen in die Gemeinden kommen, aber der Wohnraum ist schon jetzt rar“, sagt Schreier, als Vertreter für alle Bürgermeister im Landkreis. Zudem müssten Kita- und Schulplätze geschaffen werden. „Wir wollen diese Aufgaben schultern, aber es wird uns überfordern“, betont er. Schreier appellierte an Bund und Land, hier einzugreifen und zu helfen. Landrat Zeno Danner kündigt indes an, dass im Dezember mehr als 300 geflüchtete Menschen im Landkreis erwartet werden.

„Die Bürokratie wird immer überbordender“, kritisiert Häusler weiter. Was er damit meint: 100 neue Gesetze habe der Bund auf den Weg gebracht. Was dabei von den Gesetzgebern vergessen werde: „Es braucht auch Menschen, die diese bearbeiten und umsetzen“, so Häusler. Alleine bei der Stadt Singen seien in den vergangenen zwei Jahren 40 neue Stellen geschaffen worden. Aber der Fachkräftemangel sei deutlich: „Wir finden die Menschen gar nicht mehr. Wir müssen deutlich sagen, dass es nicht mehr funktionieren wird“, so Häusler.
So sei es bald nicht mehr möglich, jedem Bürger eine Verbindung im Nahverkehr zu garantieren oder einen Kita-Platz zu schaffen. Das Problem sei nämlich: „Wir haben nicht kein Geld für diese Vorgaben, sondern keine Menschen, die sie umsetzen.“ Marian Schreier gibt ihm Recht: „Viele der kleineren Gemeinden arbeiten mit dem gleichen Personal wie vor Jahren, aber der Berg an Aufgaben ist immer größer geworden.“ Die Delegation von oben nach unten, wie zuletzt, werde so nicht mehr funktionieren.
Wildes zum Hauptgang
Rehragout mit Burgundersauce, Tiroler Semmlknödel und Rotkraut mit Feigen. Beim Ragout fehlen die Preiselbeeren ebenso wie ein klares Bekenntnis zum kommenden Klinikstandort im Landkreis Konstanz. OB Häusler spricht nur kurz vom vielzitierten Sanierungskonzept, das gerade erstellt werde und von den vorgeschlagenen Standorten. Dann folgt ein Satz, der aufhorchen lässt: „Keiner weiß, wie es weitergeht.“
Auch Landrat Danner spricht in Sachen Klinikzukunft von Konflikten, er sitze quasi dazwischen. Dabei schaut er nach rechts zu OB Häusler, links von Danner sitzt Radolfzells OB Simon Gröger. Danner spricht von einer Chance bei der Klinik: „Im Zweifel müssen wir vielleicht auch über unseren Schatten springen.“ Auch dabei blickt er nach links und rechts.
OB Häusler spricht aber auch hier den Fachkräftemangel an. 30 Prozent der Betten könnten aktuell nicht mit Patienten belegt werden. „Weil uns die Pflegekräfte fehlen“, so Häusler. So müsse man sich nicht wundern, wenn ein Defizit von 20 Millionen pro Jahr entstehe. „Wenn kein Patient im Bett liegt, bekommen wir auch kein Geld.“
Süßes zum Abschluss
Lebkuchenmousse. Süßes besänftigt, ebenso wie der Konsens im Kreistag zur Kreisumlage. 34 statt 35,6 Prozent. Landrat Danner zeigte sich nach der jüngsten Debatte um den Kreishaushalt 2023 entspannt. Aber er wisse, dass die Gemeinden auch diese Summe erst einmal stemmen müssen. Marian Schreier spricht von einem Kreishaushalt, mit dem die Gemeinden leben könnten: „Wir haben einen runden Kreishaushalt geschnürt.“
Am Ende sind sich alle Sprecher allerdings einig. Schreier bringt es auf den Punkt: „Im Landkreis Konstanz muss niemandem Angst und Bange sein.“