Groß war die Unterstützung für Erzieherinnen in Kitas, als sie im März am Arbeitskampf für bessere Arbeitsbedingungen für die Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst teilnahmen. Ein Ergebnis davon sind nicht nur finanzielle Zulagen, sondern auch zwei zusätzliche Regenerationstage für die pädagogischen Fachkräfte in den Kitas, die seit 1. Juli 2022 im Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes für den Sozial- und Erziehungsdienst festgeschrieben sind. Außerdem können Erzieherinnen in Kitas monatliche Zulagen, die ebenfalls im Tarifvertrag stehen, in bis zu zwei freie Tage umwandeln.
Keine leichte Situation für die Träger von Kindertagesstätten, denn der Arbeitsmarkt für Fachkräfte ist leergefegt. Durch mehr Personal lasse sich das Plus bei den Regenerationstagen daher in der Praxis nicht auffangen, heißt es in der Sitzungsvorlage der Singener Stadtverwaltung für den Gemeinderat. Und eine gesetzliche Verpflichtung für mehr Personal ergebe sich daraus ebenfalls nicht. Die Verwaltung hat vorgeschlagen, die städtischen Kitas zwei Tage länger zu schließen. Statt der bisherigen 30 solle es ab dem nächsten Jahr 32 Schließtage geben. Die freien und kirchlichen Träger hätten sich laut der Sitzungsvorlage daran angeschlossen – je nach Stand bei der Überarbeitung der jeweils eigenen Tarifverträge zum nächsten oder übernächsten Jahr.
Abstimmungsergebnis war denkbar knapp
Dieser Plan ist in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats denkbar knapp gescheitert – nämlich bei Stimmengleichheit von elf zu elf Stimmen. Isabelle Büren-Brauch (Grüne) trat in der Aussprache als Wortführerin der Gegner dieses Vorhabens auf und meldete sich auch als einzige zu Wort: „Zusätzliche Schließtage sind eine zusätzliche Belastung für Familien und vor allem für alleinerziehende Elternteile.“ Daher habe sie schon im vorberatenden Ausschuss für Familien, Soziales und Ordnung (FSO) dagegen gestimmt.

Auch der Gesamtelternbeirat Kita als Vertretung der Eltern von Kita-Kindern hat sich in einer Stellungnahme zu der Ratsentscheidung skeptisch geäußert. Im März 2022 habe man die Gewerkschaft Verdi und die Erzieherinnen unterstützt, und dass die Stadt nun handeln müsse, verstehe man. Das Elterngremium wies aber auch darauf hin, dass außerplanmäßige Schließzeiten die Eltern sehr belasten würden. Auch von finanziellen Sorgen ist in der Stellungnahme die Rede, die unter anderem dann entstünden, wenn Eltern unbezahlt zu Hause bleiben müssen, weil ihr Kind unvorhergesehen nicht in der Kita betreut werden kann.
Der Gesamtelternbeirat schreibt daher: „In diesem Zusammenhang fordern wir weiterhin, dass die Stadt Singen alles Nötige unternimmt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, wie unter anderem den Quereinstieg zu fördern.“
GEB schlägt individuelle Lösung vor
Nach der Ratsentscheidung sagt Kristin Sorg, erste Sprecherin des Gesamtelternbeirats Kita: „Aus Elternsicht ist es natürlich super, dass die zwei zusätzlichen Schließtage nicht durchgesetzt wurden.“ Dass die Stadt den Anspruch auf Regenerationstage gerne so gelöst hätte, könne sie verstehen. Aber: „Vor allem für Alleinerziehende wäre das schwierig.“ Nicht jeder könne ein Kind im Homeoffice betreuen oder es ins Büro mitnehmen. Aus ihrer Sicht wäre es keine schlechte Lösung, die beiden Regenerationstage pro Erzieherin individuell festzulegen. Doch Sorg sagt auch: „Die Stadt ist sehr darauf bedacht, den Eltern entgegenzukommen.“

Auf Antrag von Isabelle Büren-Brauch stimmte der Gemeinderat über die einzelnen Punkte getrennt ab. Die Einführung von zwei weiteren Schließtagen wurde dabei gekippt. Der Antrag der Stadt sei bei Stimmengleichheit abgelehnt, fasste Oberbürgermeister Bernd Häusler unmittelbar nach der Abstimmung zusammen und fügte hinzu: „Mit diesem Problem müssen wir jetzt umgehen.“ Im SFO-Ausschuss war der Plan noch mit sechs Ja- und zwei Nein-Stimmen bei zwei Enthaltungen durchgegangen.
Geld zurück, wenn Kita wegen Personalmangels zu bleibt
Ein anderer Punkt, der den Eltern allerdings entgegenkommt, hat im Gemeinderat einstimmige Zustimmung bei zwei Enthaltungen gefunden. Es ging dabei um die Rückerstattung von Kita-Beiträgen für Zeiten, in denen eine Gruppe aus Personalmangel geschlossen wird. Die Zahlen der Stadtverwaltung in der Sitzungsvorlage dazu sind alarmierend: Demnach müssen derzeit im Durchschnitt zwei Kitas pro Woche stundenweise Gruppen schließen.
Das Verständnis der Eltern für diese Situation nehme immer mehr ab, heißt es in der Vorlage. Da das Problem wachsen dürfte, gibt es ab dem 1. Januar 2023 eine Rückerstattung, wenn Kita-Gruppen wegen Personalmangels stundenweise schließen müssen. Wegen des hohen Verwaltungsaufwands werde es die Erstattung aber nur dann geben, wenn eine Gruppe zehn Stunden oder mehr in einem Kalendermonat deswegen schließen muss. Eltern müssen die Rückerstattung nicht beantragen, sondern bekommen sie einfach. Eine Stunde wird laut der Vorlage pro Kind mit einem Euro berechnet. Ein Blick in die Beitragstabelle zeigt: Ein Euro ist tatsächlich etwa der Stundensatz, den die Stadt den Eltern berechnet. Kristin Sorg: „Da sieht man, wie günstig die Kinder betreut werden.“
Auch bei der Rückerstattung können sich laut dem Ratsbeschluss die freien und kirchlichen Träger anschließen. Sie erhalten dann von der Stadt einen Zuschuss in Höhe der rückerstatteten Gebühren, den sie beantragen müssen.