Schon vor dem November des vergangenen Jahres saß der Schreck tief. Er herrschte nach der kurzfristigen Ankündigung der politischen Vertreter, dass die Gaststätten wegen Corona schließen, teils auch Wut. Gastronomen beklagten, dass sie viel Geld investiert haben, um die Abstands- und Hygienekonzepte umsetzen zu können. Auch Ende Januar ist noch nicht abzusehen, wann Gaststätten wieder öffnen dürfen. „Die Gastronomiebetriebe müssen bei fehlenden Einnahmen weiter laufende Kosten bewältigen. Zugesagte öffentliche Hilfen treffen nur zögerlich ein. Das kann viele Existenzen gefährden“, erklärt Heinz Stärk, Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Landkreis Konstanz.

„Vor allem warten die Betriebe auf Öffnungsperspektiven. Wir alle wollen und können nicht auf Dauer von Hilfsgeldern abhängig sein“, betont Stärk.
Besondere Herausforderung auf dem Dorf
„Die Luft wird dünner. Es bleibt auch abzuwarten, ob durch die Corona-Pause viele Menschen entwöhnt werden, Gaststätten zu besuchen. Ähnlich wie Kunden des Einzelhandels, die plötzlich zu Internetkäufen wechseln“, erklärt Egbert Tribelhorn, Inhaber des Gasthauses „Zur Sonne“ im Tengener Stadtteil Wiechs am Randen. Nach der ersten Schließung im Frühjahr kamen sehr viele Gäste zu uns. Das Wetter passte auch. Ich denke, dass viele Menschen einen Nachholbedarf hatten“, sagt Tribelhorn.

Gerade auf einem etwas abgelegenen Dorf, wie Wiechs am Randen, sei es besonders herausforderend, Gäste zu gewinnen und zu halten. Egbert und seine Frau Rosana setzen dabei seit Jahren auf gehobene Küche, die der Gourmetführer Michelin mehrfach auszeichnete.
Es bleibt nicht viel hängen
„Wir wollen aber auch einheimische Gäste, wie Mitglieder von Vereinen, indem wir Standard-Speisen anbieten. Durch Corona finden aber wegen des Ausfalls von Proben und Veranstaltungen diese sozialen Treffen kaum noch statt“, sagt Tribelhorn. „Wir kochen weiter, weil wir Freude daran haben und verkaufen auch Essen zum Abholen. Viel bleibt aber nicht hängen, da der Wareneinsatz relativ hoch ist. Es fehlt aber der Getränkeverkauf in den Gaststätten als Mischrechnung. Unsere Gäste kommen auch wegen des Ambientes“, so Tribelhorn.
Großer Aufwand für Hygienekonzept
Die Geschwister Petra und Jörg Meister führen die Welschinger Gaststätte „Bären“ in dritter Generation. „Wir haben unter großem Aufwand das Hygienekonzept umgesetzt. Das Geschehen verlagerte sich nach der Wiedereröffnung im späten Frühjahr hauptsächlich auf die große Terrasse“, erklärt Petra Meister. „Wir leben im Ungewissen. Niemand weiß, wann die Gastronomie wieder öffnen darf. Während Kunden das Abholangebot von Essen im Frühjahr noch gut annahmen, läuft es diesmal etwas schleppend. Die Lage hat sich grundlegend geändert. Im Sommer konnten sich zehn bis zwölf Menschen treffen. So verzeichneten wir auch viele Großbestellungen. Die fallen nun mit ganz wenigen erlaubten Kontaktpersonen weg“, sagt sie.
Alle der zahlreichen Buchungen mussten gestrichen werden
„Wir waren im Dezember und Januar mit vielen geplanten Veranstaltungen, wie Versammlungen und privaten Festen, fast ausgebucht. Alles musste gestrichen werden. Im Sommer haben schon viele Treffen von Vereinsmitgliedern gefehlt. Das führt auch dazu, dass das Gesellschaftliche sehr leidet. An Stammtischen konnten sich die Einheimischen nur noch ganz dezimiert gesellig austauschen“, schildert Petra Meister. Es sei auch frustrierend, dass im „Bären“ die Gäste nicht mehr in gewohnter Form mit schöner, frischer Zubereitung bekocht und liebevollem Service bedient werden könnten. „Stattdessen sind auf den Tischen leere Stühle aufgestellt. Das ist frustrierend“, beschreibt sie. „Wir bieten aber weiterhin Speisen zur Abholung an und bedanken uns bei den Kunden, die uns unterstützen“, sagt Petra Meister.
„Für viele unserer Betriebe geht es um die wirtschaftliche Existenz“
Heinz Stärk, Eigentümer des Singener Hotel-Restaurants „Lamm“ und Vorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes im Landkreis Konstanz, bewertet im Interview die Lage in der Branche.
Herr Stärk, wie ernst ist die Lage in der Gastronomie und Hotellerie?
Sie ist für viele sehr ernst. Landesweit hat die Branche 2020 mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz eingebüßt – das ist ein Rückgang von rund 40 Prozent, und seit dem 2. November sind wir wieder im Lockdown. Die Finanzreserven sind weitgehend aufgebraucht, viele Betriebe mussten Schulden aufnehmen, um wirtschaftlich durchzuhalten. Auch das Zwischenhoch im Sommer brachte für die meisten keine Erholung. Besonders schwer ist es für Diskotheken und Clubs, die seit März geschlossen sind. Auch für die Betriebsarten, die von Veranstaltungen, Messen, Tagungen und Konferenzen abhängig sind, ist der Markt fast komplett weggebrochen.
Fließen die zugesagten Finanz-Hilfen?
Teilweise. Unser aktuellster Stand besagt, dass rund 55 Prozent der Anträge auf Novemberhilfe bearbeitet sind. So hat aber fast die Hälfte der Betriebe, die seit November 2020 geschlossen sind, die Hilfen noch nicht bekommen.
Wie viele Existenzen sehen Sie gefährdet?
Das hängt stark vom Eintreffen der Finanzhilfen ab – und vom Zeitpunkt der Wiedereröffnung. Bei einer DEHOGA-Umfrage gaben 75 Prozent der 2700 Teilnehmer an, dass sie ihre Existenz gefährdet sehen.
Das bedeutet zwar nicht zwingend, dass drei von vier Betrieben tatsächlich aufgeben müssen, weil auch Hilfszahlungen angelaufen sind. Viele Betriebe können aber nicht mehr lange durchhalten. Aus jetziger Sicht werden wir den Lockdown überstehen, wenn er nicht noch öfters verlängert wird und wir bald in die Sommersaison starten können.
Kann man für solche extremen Lagen vorsorgen?
Natürlich gibt es Betriebe, die mehr Finanzreserven haben als andere oder eine Kostenstruktur, die in der Krise Vorteile bietet, weil zum Beispiel keine Pacht gezahlt werden muss. Aber gezielt vorsorgen kann man für so eine Krise nicht.
Mehrere Monate Arbeitsverbot und ein totaler Umsatzverlust in dieser langen Zeit sind kein Szenario, auf das man sich vorbereiten kann. So etwas wie in diesen Corona-Zeiten hat es in der deutschen Nachkriegsgeschichte auch noch nie gegeben.