Kein Wirt aus Konstanz und Umgebung wollte den Sternen in Bohlingen führen, jetzt übernimmt Federica Fele aus Singen diese Herausforderung. Eine Herausforderung sei das historische Gasthaus, das in den vergangenen drei Jahren komplett saniert und mit einer Ferienwohnungs-Anlage ergänzt wurde, weil es wenig Laufkundschaft gibt. Das erklärt Thomas Relling als Sprecher der Bauherren. Er hat zehn Wirte angefragt, um sich dann doch mit dem ersten Kontakt zusammen zu tun – und das aus Überzeugung.
Die 29 Jahre alte Federica Fele sieht das Restaurant mit seinen im Sommer knapp 140 Plätzen als große Chance: Es könnte der neue Treffpunkt im Ort werden und mit seinem modernen Programm auch Gäste aus der Umgebung nach Bohlingen locken. Eröffnung ist am Samstag, 6. Juni.
Bisher veranstaltete sie Dinner an Orten, wo man sonst nicht essen konnte
Federica Fele hat in den vergangenen Jahren besonders mit Pop-up-Dinnern auf sich aufmerksam gemacht. Dabei hat sie Restaurants an ungewöhnlichen Orten eröffnet, zum Beispiel in einer alten Scheune. Für einen Abend konnten Besucher dort ein Menü kosten, das sich saisonalen und regionalen Zutaten verschrieben hat. Und am nächsten Tag wurde die Scheune wieder als solche genutzt. Zwischenzeitlich bietet die 29-Jährige neben ihrem Catering auch ein Ladengeschäft in Radolfzell. Die saisonalen und regionalen Zutaten sollen auch im Sternen auf den Tisch kommen, sie plant eine feinbürgerliche Küche. Neben einigen Klassikern, die stets angeboten werden, soll die Karte regelmäßig an die Saison angepasst werden.
Schon ihre Oma kochte im Sternen. Das Kochbuch aus dieser Zeit gibt es noch
Die Speisekarte wird derzeit erarbeitet, jüngst reiste der Chefkoch aus dem Allgäu an. Bei der Planung kann Federica Fele auch auf einen besonderen Schatz zurückgreifen: Dem Kochbuch ihrer Großmutter, die vor Jahrzehnten bereits im Sternen kochte. Heute sei die Oma über 80 Jahre alt und mache sich auch ein wenig Sorgen, dass ihre kleine Enkelin nun so ein großes Restaurant übernimmt. „Aber sie freut sich und unterstützt mich“, sagt Fele. „Sie ist mein größter Fan.“
Angst vor Verantwortung hat die gelernte Krankenschwester nicht. Auf die Frage, wie sie Restaurant, Catering, Laden und die Betreuung ihrer dreijährigen Tochter unter einen Hut bekommt, lacht sie und antwortet: „Gutes Zeitmanagement.“ Außerdem hilft die Familie. Und es sei eine große Motivation, ihre Leidenschaft leben zu können: Wo sie bisher vor allem mit Caterings besondere gastronomische Orte und Momente schaffen konnte, sei das nun täglich möglich.

Gasthaus-Schild tauchte bei einem Antiquitätenhändler wieder auf
Wenige Tage vor der stillen Eröffnung – wegen der Corona-Krise ist keine große Feier erlaubt – ist noch Einiges zu tun. Und so fachsimpelt Federica Fele mit Thomas Relling über frisch montierte Türgriffe, ein fehlendes Teil der Kaffeemaschine oder den nächsten Handwerkerbesuch. Alt trifft neu: Stolz zeigen die beiden das mehr als 300 Jahre alte Gasthaus-Schild, das erst von der Baustelle verschwand und dann bei einem Antiquitätenhändler wieder auftauchte. Nach der Wiederkehr wurde es aufwendig restauriert und soll künftig im Eingangsbereich zu sehen sein.
„Ich stelle mir das im Sommer toll vor, auf der Terrasse über der Aach zu sitzen“, sagt Thomas Relling, der mit Ortsvorsteher Stefan Dunaiski zu den Bauherren gehört. Der Fluss sieht nicht nur hübsch aus: Das Wasser temperiert den Betonboden, macht ihn im Sommer kühl und im Winter ein wenig wärmer. Das klimaneutrale Konzept sei einzigartig, sagt Relling, und in der Region nur mit der Stadthalle Singen vergleichbar.

Corona ändert die Pläne schlagartig – und verzögerte die Eröffnung
Doch es war nicht das besondere Konzept des Sternen, das die Eröffnung verzögerte, sondern das Coronavirus. Als am 13. März klar wurde, dass Restaurants erstmal schließen müssen und Veranstaltungen nicht möglich sind, hatte Federica Fele das Auto voller Blumen für eine anstehende Feier. Die musste sie absagen. Auch die Eröffnung des Gasthaus Sternen verzögerte sich: Ursprünglich war der erste Brunch für Anfang April geplant. In der Zwischenzeit musste die Gastronomin umplanen, Tische umstellen – und verzichtet anfangs zum Beispiel auf eine feste Speisekarte, weil Klemmbretter einfacher zu reinigen sind. Außerdem ist vorgeschrieben, dass Gäste ihre Kontaktdaten hinterlassen, um eine mögliche Infektionskette nachzuvollziehen.
Es ist ein Neustart mit ungeahnten Stolpersteinen: Bei einer normalen Neueröffnung gebe es schon Unabwägbarkeiten, die Pandemie habe das verstärkt. „Es fällt schwer zu kalkulieren und das ist in der Gastronomie sehr wichtig“, sagt Federica Fele. Doch das ändere nichts an ihrer Zuversicht, dass der neue Sternen in Bohlingen und Umgebung angenommen werde.

Anfangs noch reduziertes Programm soll erweitert werden
Der nächste Brunch ist auch zur Eröffnung am Samstag noch nicht in Sicht. Doch das anfangs eingeschränkte Angebot soll nach und nach erweitert werden. Ebenso die Öffnungszeiten. Fele denkt auch an Themenabende oder Küchenpartys. In erster Linie soll das Gasthaus aber vor allem eins sein: ein Treffpunkt. „Wir wollen gute Küche und gute Produkte, aber die Vereine sollen hier auch einfach zum Wurstsalat essen kommen können.“ Relling ergänzt: „Das ist, was bisher im Ort fehlt.“ Und eine Eröffnungsfeier sei nicht vom Tisch: „Das wird nachgeholt, sobald es möglich ist“, verspricht Federica Fele.
Geöffnet ist das Gasthaus vorerst Dienstag bis Sonntag von 18 bis 22 Uhr, zusätzlich Sonntag auch von 11.30 bis 14.30 Uhr. Reservierung möglich per E-Mail an gasthaus@sternenbohlingen.de