Singen – Das Joel Ross Quintett „Good Vibes“ um den legendären Vibraphonisten war auf der Durchreise zu Gast am Hohentwiel. Bereits sieben Stunden später sollte der Flug nach Amsterdam gehen; deshalb wurde ohne Pause geplant und das Konzert konnte somit etwas früher, um 22 Uhr, beendet werden.

Der erst 28-jährige Bandleader aus Brooklyn ließ sich von Kolmstetter entsprechend nicht zweimal auf die Bühne bitten: Ein kurzer freundlicher Wink ins Publikum auf dem Weg zum Vibraphon und schon ging es mit einem ausgeklügelt-mantrahaften Lauf los, zu dem sich nach ein paar Takten verschränkte Flügelflächen Jeremy Correns gesellten. Bald stiegen Kanoa Mendenhall am Contrabass und Jeremy Dutton an den Drums recht frei in das Spiel um den Vibraphon-Loop, beziehungsweise das Ostinato ein, welches schließlich von María Grand am Saxophon komplementiert wurde. Plötzlich verschwand der Loop – und Ross mit ihm hinter der Bühne. Während auch Grand vom Saxophon abließ und zur Wasserflasche wechselte, hob die zunehmend druckvoll spielende Rhythmussektion die Lautstärke an. Dem stetigen Spannungsaufbau wurde bald durch den virtuosen Wiedereinstieg Grands eins draufgesetzt. Ross war auch wieder da und beäugte zufrieden und mit ruhenden Schlägeln den kunstvoll-destruktiven Energieausbruch seiner Band. Einige Minuten vergingen, bis das Stück ins Piano überging und ohne Tempoverlust auszuklingen schien.

Doch der wilde Ritt war noch lange nicht vorbei – Ross übernahm das Zepter und unterband das nur scheinbare Ende mit einer enorm beschleunigten, surrealen Fahrstuhlmelodie. Während die Maschinerie wieder voll am Laufen war, jubilierte nun vor allem das Vibraphon, was vor allem dann spannend war, wenn Ross einzelne Noten seines obertonreichen Instruments kurz schwingen ließ.

Der Applaus wurde von Mendenhall unterbrochen, welche melodisch und in Moll ins nächste Stück überleitete, wobei schwer zu sagen war, ob es nun das zweite oder dritte war. Ausgesprochen eingängige und gleichsam verschränkte Flügelakkorde kamen hinzu, die angebrochen um Klarheit oszillierten – und dabei stark an Chopin erinnerten. Eine Zugabe sollte es trotz des engen Zeitplans noch geben: Mit einem Gospel, welcher im Vergleich zum expressiven Charakter der vorherigen Stücke auffällig schlicht gehalten war, wurde das Publikum in die Nacht entlassen.