Mehr Zeit für Patienten und weniger Akten auf dem Schreibtisch, das wünschen sich drei Ärzte in Singen. Die Lösung verspricht ein medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) zu sein, das bis zum 1. Oktober an den Start gehen soll. Und jetzt zeichnet sich ab, welche drei Ärzte darin praktizieren wollen. Denn in der ersten Sitzung des Betriebsausschusses des MVZ nahmen auch die Mediziner Birgit Kloos und Christian Oexle teil.
Auf SÜDKURIER-Nachfrage bestätigt die Allgemeinärztin Kloos, dass sie zukünftig Patienten im neuen MVZ behandeln will. Auch ihr Kollege Oexle soll Teil davon werden, so Kloos weiter. Der dritte Arzt wolle vorerst noch anonym bleiben – aber die Anzeichen verdichten sich, dass seine jetzige Praxis in der Nordstadt zu finden ist.
In der klassischen Arztpraxis muss der Inhaber auch der Arzt sein. Bei einem medizinischen Versorgungszentrum ist das nicht der Fall, wie das Bundesgesundheitsministerium informiert. Das MVZ agiert als städtischer Eigenbetrieb, so wie die Stadtwerke Singen oder die KTS. Allerdings wird das MVZ in Singen kein eigenes Gebäude – vergleichbar mit einem Ärztehaus – bekommen. Es soll sich vielmehr auf zwei bereits bestehende Arztpraxen in Singen verteilen, wie am Rande der Sitzung zu erfahren war. Dafür sollen die Räumlichkeiten von der Stadt Singen angemietet werden.
Zwei Standorte, drei Ärzte
Das neue MVZ soll zwei Standorte haben: Einen in der Südstadt, eine weitere Praxis soll in der Nordstadt bleiben. Laut Birgit Kloos haben sie und ihr Kollege Christian Oexle ihre Praxen bereits zu einer Praxisgemeinschaft in der Südstadt zusammengelegt. In einer Praxisgemeinschaft teilen sich mehrere Ärzte Personal und Räume. „Wir dürfen uns zwar vertreten, aber jeder Arzt behält seine eigenen Patienten“, schildert Kloos.
Da das Singener MVZ als städtischer Eigenbetrieb geplant ist, wären die Ärzte dann bei der Stadt Singen angestellt. Und das bringt nach Aussage von Birgit Kloos jede Menge Vorteile – vor allem für Patienten. Denn so könnten die Ärzte in gleicher Arbeitszeit mehr Patienten versorgen. „Wir müssen nur medizinische Dinge leisten“, so Kloos.
Die Gründung eines MVZ halte die Allgemeinmedizinerin und Singener Stadträtin (SöS) daher für eine sinnvolle Entscheidung. „Wir haben unsere Patienten bereits über das Vorhaben mit dem MVZ informiert.“ Letztlich gehe es auch darum, die hausärztliche Versorgung in Singen zu stärken. „Viele jungen Kollegen scheuen sich vor der Selbstständigkeit“, sagt sie. Bürokratiewahnsinn, IT-Angelegenheiten und Buchhaltung würden immer mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Das Problem mit der hausärztlichen Versorgung
Auch Oberbürgermeister Bernd Häusler begründete den Schritt hin zu einem Singener MVZ bei einem Pressegespräch im Oktober 2023 damit, dass die Versorgung mit Hausärzten zusehends abnehme. Laut der Stadtverwaltung sei eine weitere Abnahme zu erwarten, denn 46 Prozent der Hausärzte im Mittelbereich Singen seien älter als 60 Jahre. Ein MVZ soll den Beruf des Hausarztes attraktiver machen, weil die Ärzte durch die Anstellung von Verwaltungsarbeit entlastet werden, das wurde beim Pressegespräch deutlich.
Allerdings sei die Versorgung von Patienten mit nicht-medizinischem Personal noch der Knackpunkt beim neuen MVZ, das sich etwa um Terminvereinbarungen kümmern oder als erster Ansprechpartner in den Praxen fungieren. „Wenn wir hier genügend Personal finden, dann können wir Öffnungszeiten anbieten, die eine Einzelpraxis nicht leisten kann“, betont Kloos. Das sieht auch OB Bernd Häusler so: „Kunden sind genug da, es geht aber auch darum, genügend Medizinische Fachangestellte zu bekommen.“
Der Starttermin verzögert sich
Eigentlich hätte das neue MVZ bereits zum 1. Januar 2025 an den Start gehen sollen. Aber wie Oberbürgermeister Bernd Häusler im Betriebsausschuss erklärte, sei der Stadt im November 2024 mitgeteilt worden, dass der Wirtschaftsplan dafür nur zusammen mit dem städtischen Haushaltsplan und den Wirtschaftsplänen der anderen Eigenbetriebe, KTS und Stadtwerke, begutachtet und genehmigt werden könne. „Damit war der Starttermin für Januar 2025 nicht mehr zu halten.“

Doch jetzt soll es schnell gehen: „Wenn alles funktioniert, starten wir nun zum 1. Oktober 2025“, so Häusler. Vom Regierungspräsidium habe es in der Zwischenzeit grünes Licht zum Haushalt der Stadt und zum Wirtschaftsplan des MVZ gegeben. Häusler rechne damit, dass die endgültige Genehmigung Ende April vorliegen werde.
So sieht der Wirtschaftsplan für das MVZ aus
Und zum ersten Mal gibt es auch Zahlen zum MVZ. Laut Wirtschaftsplan, der vom Betriebsausschuss einstimmig verabschiedet wurde, plant der neue städtische Eigenbetrieb im Jahr 2025 mit einem Fehlbetrag von rund 27.100 Euro. Diese Zahlen sollen sich in den Folgejahren 2026 (Überschuss von rund 6600 Euro), 2027 (Überschuss von rund 55.500 Euro) und 2028 (Überschuss von rund 96.000 Euro) aber deutlich verbessern.

Oberbürgermeister Bernd Häusler bezifferte die Umsatzerträge im Jahr 2025 mit 227.000 Euro und sprach von Personalkosten von rund 182.000 Euro. Der Stellenplan ist mit 9,18 Stellen angesetzt. Insgesamt werden in das neue MVZ 345.000 Euro investiert. Dies beinhaltet den Erwerb der Arztpraxen und die Anschaffungen der IT (Software und EDV: 10.000 Euro). „Wenn das MVZ aus der Startphase rauskommt, erwarten wir positive Zahlen“, betonte Häusler in der Sitzung.
Das sagen die Ausschussmitglieder

Ramona Halmer (Freie Wähler) appellierte daran, dass das MVZ auch eine gute Ausrüstung erhalte. „Vor allem mittelfristig, wenn wir weitere Ärzte anziehen wollen, spielt auch die Ausstattung der Praxen eine Rolle“, sagte sie. OB Häusler gab ihr Recht: „Mit steigenden Umsatzerlösen können wir auch mehr Personal generieren.“ Die Stadt müsse aber schauen, dass sie beim Systemwechsel hin zu einem städtischen Eigenbetrieb Schritt für Schritt gehe, damit man nicht stolpere. Zu Erinnerung: Die erste Überlegung der Stadt war es gewesen, das MVZ als GmbH zu gründen.
Auch Christa Bartuschek (SPD) zeigte sich davon überzeugt, dass das MVZ laufen werden, wenn es gut ausgestattet sei und genügend Personal habe. „Wir tun gut daran, das Kapital für das MVZ einzustellen. Wir brauchen dieses Angebot“, hielt Dirk Oehle (Neue Linie) fest.