Die Flüchtlingswelle rollt von der Ukraine in den Hegau. Die Städte und Gemeinden nehmen immer mehr Menschen aus dem Kriegsgebiet auf, überwiegend Mütter mit Kindern, da ihre Ehemänner in den Krieg ziehen mussten. Die Hegauer empfangen die Flüchtlinge mit offenen Armen, wie eine SÜDKURIER-Umfrage unter Vertretern von Städten und Gemeinden ergibt. Sie berichten auch von einer großen Hilfsbereitschaft in vielen Bereichen. Die habe es auch gegeben, als um das Jahr 2015 viele Menschen aus Kriegsgebieten, wie in Syrien und Afghanistan, Zuflucht gesucht hatten. Damals habe es aber viel Sorge und Ängste gegeben, weil überwiegend junge Männer und auch viele Wirtschaftsflüchtlinge als Asylbewerber gekommen seien. Dies sei damals noch wegen negativer Vorfälle, wie in der Silvesternacht in Köln, geschürt worden.

„Der schreckliche Krieg und das Leid der Ukrainer sind sehr nah.“Ute Seifried, Singener Sozial Bürgermeisterin
„Der schreckliche Krieg und das Leid der Ukrainer sind sehr nah.“Ute Seifried, Singener Sozial Bürgermeisterin | Bild: Trautmann, Gudrun

„Der Krieg in der Ukraine ist gefühlt sehr nah. Das Leid und die Not der der Menschen auch“, sagt die Singener Sozialbürgermeisterin Ute Seifried. Die Stadt Singen hat bislang etwa 250 gemeldete Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. „Es sind noch mehr, die direkt bei Verwandten oder Bekannten wohnen“, schildert sie. Ein Teil der Menschen sei privat beherbergt. Es gebe auch Flüchtlinge, die in von der Stadt angemieteten Wohnungen leben. „Auch die Gemeinschaftsunterkünfte in der Fitting- und Güterstraße sowie das Obdachlosenheim haben Flüchtlinge aufgenommen“, sagt Ute Seifried. Ziel sei es aber, ihnen kurzfristig Wohnungen zu vermitteln. „Wir haben auch städtische Gebäude und damit noch etwas Puffer. Der Wohnungsmarkt ist aber auch in Singen angespannt. Es kann dadurch zu sozialen Konfliktsituationen kommen, wenn noch viele weitere Flüchtlingen kommen“, sagt sie. Ab Anfang April werde es wohl eine Quoten-Zuteilung durch den Landkreis Konstanz geben. „Wir liegen aber schon ohne die Menschen aus der Ukraine weit über den Soll, da die Stadt Singen bisher 1350 Flüchtlinge aufgenommen hat“, zeigt Ute Seifried auf. Die Hilfsbereitschaft sei enorm, auch durch Helferkreise. „Es bleibt zu hoffen, dass keine Sporthallen, wie beim Ansturm von Asylbewerbern, für die Flüchtlinge als Unterkunft dienen müssen“, gibt sich Ute Seifried aber optimistisch.

„Die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung beeindruckt mich sehr.“Holger Mayer, Hilzinger Bürgermeister
„Die große Hilfsbereitschaft der Bevölkerung beeindruckt mich sehr.“Holger Mayer, Hilzinger Bürgermeister | Bild: Ingeborg Meier

„Die immense Hilfsbereitschaft der Bevölkerung von Hilzingen und den Ortsteilen beeindruckt mich sehr“, sagt Bürgermeister Holger Mayer. „Viele Menschen stellen spontan Wohnungen bereit, die wir anmieten. Es gibt auch Spenden und vielfältige andere Hilfen, wie über Lieferungen ins Krisengebiet“, berichtet er. Bisher seien etwa 30 Flüchtlinge in Hilzingen untergebracht, viele über private Verbindungen. „Wir müssen aber damit rechnen, dass noch viele Menschen bei uns Obhut suchen. Von daher rufen wir weiter dazu auf, dass die Bevölkerung Wohnraum zur Verfügung stellt“, betont Mayer.

In Engen haben etwa 30 Menschen aus der Ukraine eine Bleibe gefunden. „Über Mietvertrage von privaten Anbietern konnten wir bisher den Menschen ein vorläufiges Zuhause bieten“, berichtet der Engener Hauptamtsleiter Jochen Hock. Die Stadt Engen sei derzeit auch bemüht, für andere Flüchtlinge zusätzlichen Wohnraum zu erlangen. Als Notlösung stünden mobile Container im Gemeinderat in der Diskussion.

„Die Stadt Engen bemüht sich intensiv, Wohnraum für Flüchtlinge zu finden.“Jochen Hock, Engener Hauptamtsleiter
„Die Stadt Engen bemüht sich intensiv, Wohnraum für Flüchtlinge zu finden.“Jochen Hock, Engener Hauptamtsleiter | Bild: Stadt Engen

In Rielasingen-Worblingen wird der Helferkreis wieder aktiv. „Die Bereitschaft zur Hilfe in der Bevölkerung ist groß. Auch wenn es darum geht, den Flüchtlingen Wohnungen oder Zimmer anzubieten. Unser Ordnungsamt legt sich bei der Vermittlung mächtig ins Zeug“, erklärt Ralf Baumert, Bürgermeister von Rielasingen-Worblingen. Bisher nehme die Gemeinde an die 70 Flüchtlinge aus der Ukraine auf. Alleine 17 davon seien in Abstimmung mit dem Landratsamt Konstanz mit einem Bus gekommen. „Sie finden derzeit in der Gemeinschaftsunterkunft Roseneggstraße Obhut“, so Baumert. Auch er sieht eine völlig andere Grundvoraussetzung im Gegensatz zur Lage der Krise vor etlichen Jahren. „Der Krieg wütet in Europa. Menschen aus der Ukraine finden Zuflucht. Sie wollen aber schnellstens wieder heim, wenn der Krieg vorbei ist“, sagt Baumert.

„Die Unterstützung kommt aus der gesamten Bevölkerung.“Michael Klinger, Gottmadinger Bürgermeister
„Die Unterstützung kommt aus der gesamten Bevölkerung.“Michael Klinger, Gottmadinger Bürgermeister | Bild: Tesche, Sabine

Aktuell hat Gottmadingen 26 aus der Ukraine geflüchtete Personen aufgenommen. Sie sind laut Bürgermeister Michael Klinger privat untergebracht, größtenteils auf Vermittlung der Gemeinde. „Die Bereitschaft der Bevölkerung ist groß, bisher haben wir 23 Wohnungsangebote erhalten“, verrät er. Sicherlich werde noch mehr Wohnraum benötigt. „Die Hilfsbereitschaft ist sehr hoch. Die war aber auch so, als 2015 viele Menschen aus Syrien nach Deutschland kamen. Die Unterstützung kommt aus der gesamten Bevölkerung, beispielsweise hat auch die Kirche des Nazareners Kontakt mit uns aufgenommen“, so Klinger. Auch mit dem Sozialkreis gebe es einen direkten Austausch.

„Wir haben auch mit russischen Staatsangehörigen sowie mit Menschen aus den ehemaligen Teilrepubliken gesprochen. Dass sie bereit sind, mit Übersetzungen zu helfen, finde ich sehr ermutigend“, betont Klinger. „Die hier lebenden Russen haben mit dem Krieg nichts zu tun. Wir müssen als Gesellschaft aufpassen, dass es nicht zu Ausgrenzungen oder gar zu einer feindlichen Haltung gegenüber diesem Teil der Bevölkerung kommt“, betont Klinger. Was teilweise an Anfeindungen berichtet worden sei, habe ihn sehr nachdenklich und traurig gestimmt. „Wir setzten zurecht Zeichen der Solidarität mit der Ukraine, wir müssen aber auch deutlich sagen, dass Anfeindungen gegenüber hier lebenden Russen nicht toleriert werden“, streicht er heraus.