Es bleibt spannend im Wessenberg-Prozess, auch wenn der 28-jährige Angeklagte bereits am ersten Prozesstag am Landgericht Konstanz bestätigt hat, das Messer geführt zu haben. Drei junge Männer wurden dadurch am 2. Februar gegen 2.30 Uhr schwer verletzt. Laut Untersuchungsbericht des Landeskriminalamts, der am zweiten Verhandlungstag, dem 5. August, verlesen wurde, ergibt die DNA-Analyse, dass am Tatmesser die Spuren der drei Geschädigten anhaften. „Das stützt die Annahme, dass das Messer bei dem Vorfall eingesetzt wurde“, so Richter Arno Hornstein.

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Klar ist, dass die drei geschädigten jungen Männer durch Stiche eines Klappmessers schwer verletzt wurden. Laut Aussage einer Rechtsmedizinerin habe ein Opfer seitlich am Hals eine 2,2 bis 2,5 Zentimeter große Stichwunde sowie eine Schädelprellung und eine Zahnverletzung erlitten und psychisch eine akute Belastungssituation gezeigt.

Ein weiterer Geschädigter habe am linken hinteren Brustkorb unter der sechsten Rippe eine ein Zentimeter große Stichwunde gehabt. Befund: Pneumothorax, eine Verletzung an der Lunge. Beim dritten Opfer hätten offenbar zwei Stichverletzungen im Bereich des Brustkorbs vorgelegen; Pneumohämothorax mit Blutung in die Brusthöhle, schildert die Rechtsmedizinerin. Abwehrverletzungen seien bei keinem der drei Geschädigten beschrieben worden.

Rechtsmedizinerin sagt: Konkret lebensgefährlich war es nicht

Bei den Verletzungen, die die drei Geschädigten davongetragen haben, sei eine „abstrakte Lebensgefahr zu bejahen, eine konkrete nicht“. Sie stellt aber auch klar: „Auch ein sehr kurzes Messer kann grundsätzlich lebensbedrohliche Verletzungen hervorrufen.“ Richter Arno Hornstein formuliert es so: „Da war einiges, was hätte schiefgehen können.“

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Die Rechtsmedizinerin sieht sich im Gerichtssaal Fotos des Angeklagten an, die nach seiner Festnahme aufgenommen wurden. Sie zeigen sein Gesicht, an dessen Stirn und linker Wange Hämatome, also Blutergüsse. Diese deuteten auf stumpfe Gewalteinwirkung hin, so die Expertin. Dass diese Verletzungen durch die Auseinandersetzung am 2. Februar herrühren könnten, komme in Betracht. Ein Sturz hingegen sei eher unwahrscheinlich.

Wie kam es zu der Auseinandersetzung?

Noch immer ist aber unklar, wie es zu der Auseinandersetzung kam. Hierzu wird am zweiten Prozesstag der damals 24 Jahre alte Begleiter des Angeklagten als Zeuge vernommen. Dieser berichtet, er kenne den Angeklagten seit ein oder eineinhalb Monaten als Arbeitskollegen und wohne mit ihm in einem Haus. Am Abend des 1. Februar seien zwischen 22 und 22.30 Uhr noch ein Bier in einem Club in der Hussenstraße trinken gegangen. Auf die Frage, ob der Angeklagte Kokain konsumiert habe, antwortete der Begleiter, das wisse er nicht.

Videoaufnahmen vom Eingang eines Clubs sollen die Vorgeschichte klären

Vom Eingang des Clubs gibt es Videoaufnahmen, die im Gericht gezeigt werden. Ein junger Mann sei an sie herangetreten und habe sie beleidigt, so der Zeuge, doch man habe sich letztlich entschuldigt und freundlich verabschiedet. Auf dem gezeigten Video scheint es, dass der Angeklagte sich sehr zurückhaltend verhalten habe, während der Zeuge sehr viel redete.

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Auf dem Heimweg hätten sie ein Mädchen allein auf Höhe des Obermarkts gesehen. Diese habe sie auf Deutsch angesprochen, doch er und der Angeklagte hätten sie nicht verstanden, worauf er auf Englisch nachgefragt habe. Sie seien dann weitergelaufen und er hätte nach zwei bis drei Schritten gemerkt, dass eine Gruppe von sieben oder acht Personen zu der jungen Frau gehöre. Ein junger Mann aus der Gruppe habe sie angesprochen. Der Zeuge habe auf Englisch geantwortet, er möchte sich entschuldigen, falls die Dame etwas missverstanden haben sollte.

Kollege des Angeklagten belastet die Geschädigten und spricht von einem Faustschlag

Der Angeklagte und sein Begleiter seien weitergelaufen; die Gruppe hinter ihnen habe sie beleidigt und beschimpft. In der Wessenbergstraße kurz vor Einmündung Münzgasse sei die Gruppe aggressiv auf sie zugekommen. Einer habe den jetzt Angeklagten mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Der Zeuge habe nicht gewusst, wen er auf Abstand halten solle. Drei junge Männer hätten in einer Linie gestanden. Dann sei die Situation unübersichtlich geworden, und er wisse nicht, wer auf wen eingeschlagen habe. Später habe er den Angeklagten genommen, und sie seien nach Hause gegangen.

Ob er sich überlegt habe, zur Polizei zu gehen? Er verneint. Er habe nicht gedacht, dass es eine große Sache sei. Als sie gegangen seien, seien alle noch gestanden, sagt er vor Gericht. In Summe höre sich das, was der Kollege des Angeklagten aussage, so an, als hätten die anderen angefangen und der Angeklagte habe sich gewehrt, fasst Richter Hornstein die mehr als einstündige Aussage zusammen.

Wie kam die Polizei dem Angeklagten auf die Spur?

Wie es zum Fahndungserfolg kam, berichtet ein Ermittler der Kriminalpolizei Konstanz. Noch am Tag der Tat hätten die ersten Zeugenvernehmungen stattgefunden. Die Brutalität des Angriffs selbst sei ungewöhnlich gewesen, merkt der Polizist an. Einen Tag später sei die Ermittlungsgruppe eingesetzt, seien weitere Zeugen vernommen und sei nach Videoaufnahmen geforscht worden. Später hätten sich weitere Zeugen gemeldet. Der Chef des Clubs, in dem der Angeklagte mit seinem Kollegen war, habe weiterhelfen können. Der Begleiter habe Wochen zuvor seine Jacke vermisst und den Verlust angezeigt, dadurch sei er namentlich bekannt gewesen. Durch interne Recherchen und durch die Meldedaten seien Wohnsitz und Arbeitsstätte ermittelt worden.

Mit mehreren Teams seien Wohnungsdurchsuchung und Festnahme erfolgt, beschreibt ein anderer Polizist. Der Angeklagte sei an seiner Arbeitsstätte als Tellerwäscher in einer Restaurantküche angetroffen worden. Der Angeklagte sei kooperativ gewesen; seine Gegenstände, darunter auch das Messer, seien beschlagnahmt worden.

Der erste als Zeuge geladene Polizist berichtet auch von den Aussagen der Geschädigten; einer habe den Ablauf chronologisch dargestellt. Und der Polizist befindet, auf den Videos des Clubs sei das hohe Aggressionspotenzial der Täterschaft zu sehen. Das lässt Richter Arno Hornstein so nicht stehen: „Unser Eindruck war ein anderer.“

Richter sorgt für eine Überraschung

Bekannt wird auch, dass zwei der Geschädigten der Polizei nicht unbekannt sind. Zu einem der beiden verliest der Richter aus einem Urteil des Amtsgerichts Konstanz vom 23. Juli 2025. Danach wurde der junge Mann wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Am 11. Januar 2025 – also knapp einen Monat vor der Messerattacke in der Wessenbergstraße – habe der jetzt Geschädigte gemeinsam mit einer weiteren Person gegen 2.50 Uhr in der Münzgasse einen Mann von hinten getreten, dann ins Gesicht geschlagen und letztlich auf dem Revier Polizisten vulgär beleidigt.

Auch nach dem zweiten Prozesstag ist also nicht geklärt, wie es genau im Februar zu der Eskalation in der Wessenbergstraße gekommen ist. Am Mittwoch, 13. August, wird im Landgericht Konstanz der Prozess weitergeführt. Es gilt die Unschuldsvermutung für den 28-jährigen Angeklagten, bis ein Urteil gesprochen und rechtskräftig ist. Das Urteil, so Hornstein, ergehe vermutlich am 14. August.