War das jetzt eine Wahlkampfveranstaltung? Guido Wolf macht zu Beginn seiner Stippviste auf dem Hohentwiel keinen Hehl daraus, dass es ihm um die Unterstützung des CDU-Landtagskandidaten Tobias Herrmann geht und alles andere würde man dem Minister für Justiz und Europaangelegenheiten ohnehin nicht abnehmen. Seine CDU hat‘s bitter nötig, denn seit der Wahl 2016 ist der Wahlkreis Singen/Stockach nicht mehr mit einem Abgeordneten im Stuttgarter Parlament vertreten. Diese Funktion nehmen in quirlig-rühriger Manier die Grünen-Politikerin Dorothea Wehinger und in nicht erkennbarer Weise Wolfgang Gedeon wahr – Letztere kam einst im Gefolge der AfD ins Parlament und wurde inzwischen aus der Partei ausgeschlossen.
Landespolitik hat ihre eigenen Gesetze
Doch die Parteipolitik – im Ländle will sie nicht recht verfangen. Zumal die bundespolitische Farbenlehre passt nicht zum real praktizierten Föderalismus und den ihm zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten. Der Hontes als Singener Hausberg gibt dafür ein anschauliches Beispiel. Noch bevor der Minister überhaupt ein Grußwort sagt, da bombardieren ihn auch schon die Parteifreunde. Heike Kornmayer in ihrer Funktion als Vorsitzende der Freunde des Hohentwiels wünscht sich Investitionen zwecks Aufwertung des Naherholungsgebiets und der CDU-Stadtverbandsvorsitzende Franz Hirschle sekundiert nach Kräften. Man braucht Bänke, überhaupt eine bessere Ausstattung für Menschen mit Behinderung und Senioren. Und dann: Wie soll das touristische Geschäft florieren, wenn man die Ruine nicht via Webcams im Netz zur Schau stellen kann?
Lokale Interessen und die Sicht des Landes
So ist das Pulver schnell verschossen, die Frontlinie zwischen Stuttgart und dem Hegau scheint trotz des freundschaftlichen Tonfalls klar gezogen: In der Landeshauptstadt soll gefälligst Geld locker gemacht werden, denn schließlich befinden sich Ruine und Berg im Eigentum des Landes.
So einfach ist die Sache dann aber doch nicht und zum Glück ist Bernd Häusler mit von der Partie. Der Singener Oberbürgermeister – ebenfalls Mitglied der CDU – bringt die Nächstenliebe in Form eines grundsätzlichen Verständnisses für den Minister und seine ihm von Amts wegen obliegende Zuständigkeit für den Tourismus entgegen. Erstens, so räumt Bernd Häusler ein, habe das Land tatsächlich viel für den touristische Nutzungsmöglichkeit des Hohentwiels gemacht – etwa bei den Investitionen zum Schutz vor Steinschlag. Und außerdem sei er eben wegen des Finanzbedarfs nicht unglücklich, dass die Stadt Singen von seinem Hausberg profitiere, die Kosten aber das Land zu tragen haben.
Der Wolf als alter Fuchs
Der Wolf aber wäre kein alter Fuchs, wenn er sich diese Chance entgehen ließe. Im Laufe des Gesprächs bringt er sich mit der Stuttgarter Perspektive in Stellung und diese hat das große Ganze im Blick. Denn was nutzen einzelne Attraktionen in einem touristischen Geschäft, das nach globalen Maßstäben funktioniert? Guido Wolf wirbt für die Überwindung einer Kirchturmspolitik, die sich in der Vielzahl örtlicher Schätze verliert. Er will den „Tourismus in größeren Destinationen bestimmen“, wobei er durchaus den Wert des Hohentwiels als ein „Schaufensterprodukt für Baden-Württemberg„ einstuft.
Und auch der Minister hat seine Sekundanten. Birgit Rückert, als Geschäftsführerin der Staatlichen Schlösser und Gärten in Baden-Württemberg zuständig für 60 alte Gemäuer, befürwortet die Strategie, die Baden-Württemberg gesamthaft für den Tourismus in den Fokus nimmt. Und durch die jüngsten Erfahrungen vor dem Hintergrund von Corona sieht sie sich bestätigt. Mainau statt Mallorca liege im Trend und sie ist überzeugt, dass dabei auch etwas für Singen abfällt. „Die Gäste wollen das authentische Erlebnis“, sagt sie und stuft dabei den Hohentwiel mit seiner Natur und dem Blick auf den Bodensee und die Alpen als Leuchtturm ein. Diese Einschätzung wiederum ist Wasser auf den Mühlen von Eric Thiel, der als Geschäftsführers des Regio-Vereins Konstanz-Bodensee-Hegau die nicht unheikle Aufgabe der Vernetzung touristischer Einzelinteressen am westlichen Bodensee wahrnimmt.
Am Ende springt damit für Singen und den Hegau die Gewissheit herum, dass in Stuttgart und bei den Leuten vom Fach der Hohentwiel in seiner landesweiten Bedeutung erkannt ist – und da sollten ein paar Bänke und Webcams allemal und unabhängig vom Parteibuch eines Minister drin sein. Wo sich in diesem Geflecht lokaler und landesweiter Interessen die Parteipolitik verbirgt, bleibt somit offen. Aber der Wahlkampf – er hat ja auch erst begonnen.