Singen Klatschen ist streng verboten bei einer Generalprobe. Das bringe Unglück. Aber: „Schnipsen ist erlaubt“, verrät Regisseur Marcus Calvin den Gewinnern der SÜDKURIER-Verlosung, die bei der Generalprobe zum neuen Färbe-Stück „Ein Winter unterm Tisch“ dabei sein durften. Dabei setzt Calvin die Bühne bewusst nicht ins Zentrum der Basilika, sondern an den Rand und erzeugt so ein ganz neues Raumgefühl in dem historischen Architektur-Ensemble.

„So habe ich die Basilika noch nie erlebt“, staunt SÜDKURIER-Gewinnerin Claudia Drechsler noch bevor das Spiel beginnt, dann geht das Licht aus und Nikkel Schüler schlüpft in die Rolle des Schusters Dragomir, der als Einwanderer Unterschlupf unter dem Tisch der attraktiven Übersetzerin Florence – gespielt von Magdalena Herzberg – gefunden hat. Autor Roland Topor hat eine absurde Situation geschaffen, deren Komik entsteht, weil das ungewöhnliche Zusammenleben als vollkommen selbstverständlich erscheint. Dragomirs Unterkunft zu Füßen der schönen Zimmerwirtin lässt besondere Einblicke zu und die Romantik wird unter Extrembedingungen analysiert. Marcus Calvin inszeniert die Groteske mit feinen Mitteln. Da werden selbst die Umbaupausen zum Erlebnis und lassen das Publikum zwischen den Szenen verstehen, warum das Tischtuch am Ende wie im wahren Leben immer an einer Seite zu kurz sein muss.

„Das Stück steht seit Jahren auf der Wunschliste der Färbe, und wie der Zufall es wollte, hat Marcus Calvin genau dieses für seine nächste Inszenierung vorgeschlagen“, verrät Färbe-Chefin Cornelia Hentschel den SÜDKURIER-Gewinnern. Neben Claudia Drechsler und ihrem Mann Roland haben Karl und Astrid Emminger sowie Roswitha Müller mit Christine Greuter die Vorpremiere inklusive eines interessanten Rundgangs hinter die Kulissen erlebt. „Mir hat ganz besonders gut gefallen, mit welch begrenzten Mitteln die Schauspieler so viel erreichen können“, bewertet Astrid Emminger ihr Theater-Erlebnis in der Basilika auf der Musikinsel. Roswitha Müller bringt es so auf den Punkt: „Das Einfache war das Schöne.“

Regisseur Calvin hatte 1994 die Uraufführung am Nationaltheater Mannheim gesehen, bei welcher damals – ein weiterer Zufall – der spätere Färbe-Regisseur Andreas von Studnitz Regie geführt hatte. „So schien es uns ein Muss, das Stück nun auf die Bühne zu bringen“, so Hentschel.

Das Bizarre wurde zu Topors Markenzeichen und machte ihn zum Meister der makabren Pointe. Das Multitalent galt als hochbegabter und vielseitiger Künstler, der sich nie spezialisieren wollte. Er schrieb sowohl Drehbücher als auch Prosa, darunter den von Roman Polanski verfilmten Roman „Der Mieter“. Mit seinen international erfolgreichen Theaterstücken machte er sich insbesondere in Deutschland einen Namen als Dramatiker.

Die Premiere ist längst ausverkauft. In den nächsten Wochen tummeln sich neben Schüler und Herzberg auch Julius Barner als Geige spielender Vetter, Carla Striewe als Florence‘ Freundin Raymonde und Elmar F. Kühling als Verleger und Verehrer, um und unter dem Tisch. Der Verehrer erkennt in dem Asylanten Dragomir schnell ein Problem und eine Bedrohung. Die schlagfertige Lösung jenes Problems des Verlegers sorgt allerdings kurz vor dem Finale für gelungenes Amüsement. So wurde viel geschnippt zur Generalprobe in der Basilika, die einmal mehr ihre Wandlungsfähigkeit als Spielstätte unter Beweis stellen kann. Dass dabei die Tischplatte immer wieder zum Hindernis wird, wenn der eine oder andere den Kopf reckt, auch das sorgt nicht nur für Schmunzeln, sondern auch für eifriges Fingerschnipsen bei den Zuschauern. Das Publikum hat sich herrlich amüsiert und ist dennoch nachdenklich geblieben, denn die Botschaft bleibt deutlich – das Leben als Einwanderer stellt Menschen vor besondere Herausforderungen.

Auch danach blieb es spannend, als Cornelia Hentschel den SÜDKURIER-Gewinnern den Weg in die Nebenräume öffnete. „Wie lange bleiben denn die Schauspieler im Ensemble“, wollte Roland Drechsler beim anschließenden Rundgang hinter den Kulissen wissen. Eine Frage, die Hentschel nicht so einfach beantworten konnte. Da gebe es die einen, wie Elmar F. Kühling, der schon seit über 20 Jahren dabei ist, andere ziehe es bereits nach ein bis zwei Spielzeiten weiter.

Neben den Proben für das nächste Stück, das als Sommertheater wieder im Färbegarten aufgeführt werden soll, laufen auch schon die Vorstellungsgespräche für das Ensemble der kommenden Saison. „Sie werden bei unserem traditionellen Sommerfest am 14. September vorgestellt.“