Ich bin jung, mehr oder weniger topfit, doppelt geimpft und dachte eigentlich: Mir kann nichts passieren. Eigentlich. Denn mich hat es erwischt, ich habe mich vor einigen Wochen mit Corona infiziert. Die Impfung gab mir, wie vielen anderen Menschen auch, ein Stückchen Freiheit zurück. Aber jetzt weiß ich: Auch Doppelt-Geimpfte können sich mit Covid-19 infizieren – und auch daran erkranken.

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Mittwochabend, 19.15 Uhr. Das perfekte Dinner läuft im Fernsehen und ich sehe gerade dabei zu, wie die Kandidatin ihr Kalbsfilet völlig versemmelt. Ich fühle mich eigentlich gut. Ein bisschen schlapp vielleicht, doch das ist im Winter nach einem langen Arbeitstag normal, denke ich. Da meine Frau Grundschullehrerin ist, testen wir uns regelmäßig. „Um ein gutes Gefühl zu haben“, wie meine Frau immer sagt. Also rein mit dem Stäbchen, den Wecker auf 15 Minuten stellen und weiter das kulinarische Desaster im Hauptgang verfolgen.

Erst Kalbsfilet-Desaster, dann der Corona-Hammer

Nach 15 Minuten dann das böse Erwachen. Einer der beiden Tests ist positiv – und zwar meiner. Dann bricht die große Panik aus. Schnell werden FFP2-Masken aufgezogen. Ich verkrümel mich ins Schlafzimmer und werde es die nächsten 24 Stunden nicht verlassen. Wie viele Punkte die Kalbsfilet-Kandidatin erhält, bekomme ich nicht mehr mit, denn einen Fernseher im Schlafzimmer haben wir nicht. Nach einer Stunde mache ich erneut ein Schnelltest. Wieder positiv. „Verdammt“, denke ich, „jetzt hat es dich erwischt.“ Am nächsten Tag geht es zum PCR-Test beim Hausarzt. Weitere 24 Stunden danach steht fest: „Matze, du hast Corona.“

Das sagt der Experte

Wie konnte das denn passieren? Diese Frage habe ich auch Stefan Bushuven, Chefarzt für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Singener Klinikum, gestellt. Vielleicht habe ich da etwas falsch verstanden, aber sollte eine Impfung nicht vor einer Ansteckung schützen? „Das tut sie. Aber nicht zu 100 Prozent“, sagt er. Viel hänge vor allem mit der Viruslast zusammen: „Wie viel Virus bekomme ich in wie viel Zeit ab“, sagt Bushuven. Dazu gehöre laut seiner Einschätzung auch die eigene Abwehrfähigkeit.

Ein Impfdurchbruch? Lieber einen Lotto-Gewinn

Freitag gegen 10 Uhr kommt dann die Gewissheit. In meiner Corona-Warn-App heißt es: Sie haben Post und die bringt nichts Gutes. Sars-Cov-2-positiv steht da. Na herzlichen Glückwunsch. Der Virus Sars-Cov-2 wurde bei mir nachgewiesen. Jetzt steht fest: Es geht ab in die Quarantäne. Damit ich diese nicht auf 16 Quadratmetern im Schlafzimmer verbringen muss und weil ich meiner Frau 14 Nächte auf der Couch ersparen möchte, habe ich mich direkt nach dem PCR-Test nach Gottmadingen begeben.

Meine beiden Mitbewohner aus der Corona-WG haben das Quarantäne-Schicksal mit mir geteilt: Meine Mutter Andrea Kammerlander und ihr Mann ...
Meine beiden Mitbewohner aus der Corona-WG haben das Quarantäne-Schicksal mit mir geteilt: Meine Mutter Andrea Kammerlander und ihr Mann Bernd im Garten in Gottmadingen. | Bild: Matthias Güntert

Zurück zu Mama, ins ehemalige Jugendzimmer – mit 37 Jahren. Meine Frau nennt unser neues Zusammenleben nur „Die Corona-WG“. Das funktioniert, weil meine Eltern nur wenige Tage vor mir ebenfalls positiv auf Corona getestet wurden. Allerdings haben wir uns nicht gegenseitig angesteckt, denn das letzte Treffen liegt mehr als zwei Wochen zurück. Nach Rücksprache mit unserem Hausarzt steht der Corona-WG nichts im Wege. Dennoch wird uns geraten, auf Hygiene besonders zu achten.

Corona ist da, die Symptom fallen aber moderat aus

Samstag, 10.37 Uhr. Mir geht es soweit gut. Die Symptome fallen moderat aus. Zwei Ausnahmen gibt es: Ich entwickle mich zum Kunden des Monats bei einem Taschentuch-Hersteller, denn meine Nase läuft wie ein Wasserfall. Was aber deutlich mehr ins Kontor schlägt. Ich bin komplett schlapp, ständig müde und eigentlich nur am Schlafen.

Aber es geht auch anders

Meine Mutter hat es deutlich schlimmer erwischt. Knallharte Kopfwehattacken, die sich über mehrere Stunden hinweg ziehen. Hustenanfälle, die sie minutenlang nach Luft schnappen lassen. Der Geruchssinn hat sich komplett verabschiedet. In einer WG vielleicht nicht die schlimmste Erkrankung, aber im Alltag nervt sie es gewaltig. In einer hust- und kopfwehfreien Minute sagt sie zu mir: „Mann, wenn das die Symptome mit doppelter Impfung sind, will ich gar nicht wissen, wie sie ohne Impfung wären.“

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Doch wie viel hält die doppelte Impfung fern? Stefan Bushuven gibt Aufschluss: „Die Impfung schützt vor allem vor dem schweren Verlauf und das tut sie gut. Aber auch hier wirkt sie nicht immer, reduziert aber das Risiko.“ Der Chefarzt betont aber auch, dass nicht-immunisierte Personen ein deutlich höheres Risiko haben, einen schweren Verlauf zu bekommen als Geimpfte.

Meine Frau erwischt es nicht, die Glückliche

Dienstag, gegen Mittag: Meine Erkrankung liegt schon einige Tage zurück. Seit meinem positiven PCR-Test begleitet mich die Befürchtung, dass ich meine Frau auch mit Corona angesteckt haben könnte. Aber an ihr ist der Kelch vorbeigegangen. Sie hat sich nicht mit Corona infiziert. Ein Wunder? Stefan Bushuven sagt, dass man es nicht generalisieren könne, wieso sich zum Beispiel nur die Hälfte eines Ehepaares anstecke. „Die Ansteckung- und Abwehrfähigkeiten hängen von verschiedenen Faktoren ab, sodass es möglich, wenn auch nicht wahrscheinlich ist, dass von einem Paar nur einer erkrankt.“ Dies hänge aber laut Bushuven auch von der aktuellen eigenen Abwehr, der Expositionszeit, der aufgenommenen Virusmenge und dem aktuellen Immunitätsstatus auf Schleimhäuten, im Blut und in den spezialisierten T-Zellen ab.

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Freitag, 14.56 Uhr. Die erste Woche meiner Quarantäne ist um. Ich fühle mich besser, aber mein Körper signalisiert mir noch immer, dass er nicht ganz auf der Höhe ist. Ich bin noch immer dauermüde. Dafür wird die Nase besser. Allerdings hat das Dauerschnäuzen seinen Tribut gezollt. Meine Nase gleicht der von Rudolf dem Rentier. Mein Hausarzt rät mir weiterhin, dass ich mich schonen soll. Auch Stefan Bushuven empfiehlt: körperliche Ruhe und Schonung, kein Sport – vor allem kein Leistungssport. „Ansonsten helfen gegen die meisten Symptome herkömmliche Schmerzmittel“, sagt er.

Quarantäne bedeutet auch Homeoffice und Lieferservice

Montag, 9 Uhr. Nach einer Woche in der Quarantäne fühle ich mich wieder soweit fit, dass ich aus dem Homeoffice arbeiten kann. Aber ist man in der Quarantäne nicht automatisch krankgeschrieben? Nein, sagt Stefan Bushuven. „Das kommt drauf an, was man tut. Grundsätzlich sollte man sich auskurieren, um dann wieder leistungsfähig zu sein. Ansonsten Homeoffice.“

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Dienstag, 11.45 Uhr. Meine Frau bringt die wöchentliche Essenslieferung. Danach sitzen wir im Garten in der Wintersonne – natürlich mit Abstand und Maske. Dabei geht es darum, welche Variante es wohl bei mir gewesen ist. „Wahrscheinlich Delta, die herrscht ja gerade vor“, sage ich. Laut Experten hat Omikron die Delta-Variante als vorherrschende in Deutschland abgelöst. Die neue Variante soll symptomärmer sein. Wieso ist Omikron dennoch so gefährlich? „Sie ist kontagiöser“, sagt Bushuven. Da Omikron deutlich ansteckender sei, könnte dies dazu führen, dass das medizinische System überlastet werden könnte. „Auch wenn der schwere Verlauf bei Omikron prozentual seltener auftritt.“

Das unsichtbare Unheil ist besiegt

Freitag, 9 Uhr. Meine Quarantäne ist beendet. Ich bin wieder frei. Alle Symptome sind verschwunden. Ich habe Corona überstanden. Warum ich nun diesen Text schreibe? Der Erfahrungsbericht soll sensibilisieren. Auch wer doppelt geimpft oder geboostert ist, sollte aufpassen, sich an die Vorgaben halten und sich bei der ein oder anderen Sache hinterfragen: Muss dies aktuell wirklich sein? Zwei Eindrücke bleiben. Erstens: Ein Garten in der Quarantäne ist ein Privileg. Zweitens: Das unberechenbare Virus findet unsere Schwachstellen. Ich erinnere ich an den ersten Gedanken, nach dem positiven Befund. „Warum gerade ich?“, schreie ich das Schicksal an. „Tja, warum gerade du nicht?“, antwortet es mir gelangweilt.