Nicht in allen, aber vielen Singener Kitas finden Eltern eine Familienberatung, die bei allen Fragen rund ums Kind helfen – und auch über finanzielle Leistungen für die Familie informieren. Damit startete Singen bereits im Jahr 2011 ein bundesweit einzigartiges Modelprojekt und lässt sich das auch einiges kosten. Das Konzept haben sich nun einige Landespolitiker genauer angesehen: Wie eine Fortbildung kann man den Besuch des grünen Arbeitskreises (AK) Soziales, Gesundheit und Integration in Singen deuten. Die Ausschussmitglieder tagten auf Einladung der grünen Landtagsabgeordneten Saskia Frank in Singen und erfuhren, was den Menschen in der Region unter den Nägeln brennt.

Am ersten Tag war auch Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) dabei und erfuhr Details über das Singener Konzept. Oberbürgermeister Bernd Häusler, Leonie Braun als Fachbereichsleiterin Soziales sowie Samira Hummel als Leiterin des Familienzentrums Im Iben berichteten über Praxis und Finanzierung. Die Familienberatung, die an die Kindertageseinrichtungen angedockt ist, helfen auch in einer Notlage, bei Anträgen oder Behördengängen und ermöglichen auch Beratungen in der Muttersprache durch den Einsatz von Dolmetschern. Sie kooperieren eng mit anderen Fachdiensten.

Leonie Braun leitet seit Anfang 2025 den neuen Fachbereich für Familie, Soziales und Quartier. Bild: Susanne Gehrmann-Röhm
Leonie Braun leitet seit Anfang 2025 den neuen Fachbereich für Familie, Soziales und Quartier. Bild: Susanne Gehrmann-Röhm | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Von den 31 Kitas in Singen sind an 18 Einrichtungen – allesamt in der Kernstadt gelegen – Familienberatungen angesiedelt, so Häusler. 16 Mitarbeitende sind insgesamt beschäftigt, verteilt auf verschiedene Träger. Sie kümmern sich um die präventive Förderung von Familien und bei Bedarf um die Weitervermittlung an andere Beratungsstellen. „Die Familienberatungen arbeiten auf Augenhöhe mit den Kita-Leitungen“, betont Häusler.

Die jeweiligen Träger bekommen die Personalkosten zu 100 Prozent erstattet. „Die Stadt hat im Jahr 2023 für die Personalkosten 820.000 Euro ausgegeben, davon knapp 500.000 für die freien Träger sowie 320.000 Euro für die städtischen Einrichtungen“, so Häusler. Das Landratsamt Konstanz unterstützt das Projekt außerdem zurzeit mit 8350 Euro pro Jahr und Vollzeitstelle.

Elternarbeit als entscheidender Faktor

Samira Hummel, seit zwei Jahren Leiterin der Kindertagesstätte Im Iben und seit 2013 in dieser Einrichtung als Kindheitspädagogin tätig, berichtet, dass die Familienberaterinnen in der Theorie Familien, bei Bedarf, an Beratungsstellen weiterleiten sollen. Doch dies sei in der Praxis nicht so einfach, da Familien den Weg in andere Institutionen eher scheuen würden. Es sei schon schwierig, Eltern dazu zu bewegen, den Elternabend zu besuchen. „Wir sprechen die Eltern ein paar Tage vor der Versammlung explizit an, damit sie kommen“, so Hummel.

Samira Hummel leitet das Familienzentrum Im Iben.
Samira Hummel leitet das Familienzentrum Im Iben. | Bild: Susanne Gehrmann-Röhm

Die Grünen-Landtagsabgeordnete des Wahlkreises Wangen, Petra Krebs, wollte als Sprecherin des Arbeitskreis wissen, was die Familienberatung bringe. „Das ist schwer zu messen“, sagt Hummel. Die Familienberaterin in ihrer Einrichtung spreche Arabisch, weshalb sie recht gut in Kontakt mit Familien aus Ländern, in denen Arabisch gesprochen werde, komme. Als Erfolg wertet sie es, dass zwei Frauen mit arabischem Hintergrund in einen Deutschkurs durften. Dafür habe sie vorher mit den Männern gesprochen und deren Erlaubnis bekommen.

Richtige und notwendige Arbeit, sagt der Minister

Leonie Braun erwähnte auch das Singener Familienbildungsprogramm (Sinfab), das zum Teil über Finanzmittel aus dem Landesprogramm „Stärke“ finanziert wird. In diesem Programm können sich Frauen und Männer mit oder ohne Kinder zu Elternmentoren ausbilden lassen und ehrenamtlich in ihrem Quartier mitarbeiten.

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Saskia Frank, die Sprecherin für Kinder und Familie ihrer Fraktion ist, fragte nach, ob die Familienberatung auch Kindern, die nicht in einer Kita sind, zur Verfügung stünde? Dies sei möglich, werde aber nicht explizit beworben, so Leonie Braun. Die Familienberaterinnen würden auch eine Familie beraten, in deren Kita keine Stelle vorhanden ist.

Krebs interessierte sich auch dafür, ob der Gemeinderat hinter der Familienberatung steht. „Es gab nie große Kritik“, sagte Häusler. Doch aufgrund der aktuellen finanziellen Situation der Stadt werde es schwer sein, solche Modelle auszubauen. Und wenn, würde man wohl am ehesten die Stellenanteile bei den bestehenden Familienberatungen erhöhen. „Diese Aufgabe ist richtig und notwendig“, betonte Sozialminister Manfred Lucha.

Um die Arbeitskreismitglieder auf die Situation in Singen aufmerksam zu machen, hatte Bernd Häusler zu Beginn einen Rückblick in das Jahr 2003 gemacht, als Singen das Sozial- und Jugendamt zurück an den Landkreis delegierte. Schon damals hatte Singen auch begonnen, die Schulsozialarbeit einzuführen. „Heute haben wir sie flächendeckend, auch in den Ortsteilen“, so Häusler. Die besondere soziale Struktur der Hohentwielstadt könne man auch an folgendem Vergleich sehen. „Wir haben in Singen mehr Bürgergeldempfänger als in Konstanz, wobei Konstanz doppelt so viele Einwohner hat“, sagte Häusler. Der Migrationsanteil von über 67 Prozent sei zudem herausfordernd.

Familienberatungen gibt es in Singen in der Kindertagesstätte An der Aach, Kindertagesstätte Bruderhof, im Familienzentrum Im Iben, in der Kindertagesstätte Masurenstraße, in der Kindertagesstätte Münchried, im Familienzentrum Markus, im Käthe-Luther Kinderhaus und Familienzentrum, in der Kindertagesstätte Don Bosco, in der Kindertagesstätte Herz Jesu, in der Kindertagesstätte St. Peter und Paul, im Kita und Familienzentrum St. Nikolaus, im Kinderhaus St. Lucia, in der Kindertagesstätte St. Michael, in Kindertagesstätte St. Franziskus, im Familienhaus Taka-Tuka-Land, in der Kindertagesstätte Hoppetosse und in der Kinderkrippe Villa Kunterbunt.