Es ist spätabends, der Zug steht bereit. Es geht von Singen nach Schaffhausen. Der Lokfahrer sitzt noch nicht in seiner Startposition. Vielmehr führt sein Weg durch den Durchgang der wenigen Zugwaggons. „Wir haben hier Maskenpflicht. Bitte halten Sie sich daran“, erklärt er den Fahrgästen im bestimmten, aber auch durchaus scharfen Ton. Die Leute folgen. Diejenigen, die noch ein blankes Gesicht zeigen, stülpen die Masken schnell über, um Mund und Nase zu bedenken.
„Das Problem gab es schon vor Einführung des Neun-Euro-Tickets. Dies hat es aber noch verschärft“, erklärt Thomas Bien. Der Lokfahrer wohnt in Gottmadingen und fährt mit der Bahn oft gerade mal wenige Meter an seiner Haustüre auf der Linie Singen – Schaffhausen vorbei.
Was ihm gewaltig stinkt: „Trotz klarer Vorschrift und Durchsagen in den Zügen tragen viele Fahrgäste keine Maske. Der Billig-Fahrschein hat dieses unsägliche Verhalten weiter vorangetrieben“, sagt Bien.
Unterschiedliche Regeln im Grenzbereich
Es gebe viele Schweizer, welche die Vorgaben missachteten. „Die dürfen zwar in der Schweiz von Schaffhausen bis zur Grenze bei Bietingen unmaskiert fahren. Sie müssen aber wissen, dass sich die Regelung auf deutschem Gebiet anders verhält“, betont Bien. Es seien aber auch viele Bürger anderer Nationen, welche die Maskenpflicht ignorierten.

Das Gottmadinger Urgestein Walter Benz bestätigt das. Der Rentner nutzt oft die Nahverkehrszüge in der Region. „Seit es das Neun-Euro-Ticket gibt, steigt auch die Zahl der Menschen rapide an, die keine Maske im Zug tragen“, so seine Feststellung. Das könnte darauf schließen lassen, dass er ein derart günstiges Ticket für die Zukunft ablehnt. „Die Monatskarte sollte schon etwas mehr kosten. Dann würde sich alles wieder etwas normalisieren. Die Züge wären auch weniger voll“, sagt er.
Stattdessen schlägt er einen monatlichen Preis um die 30 Euro vor. Das erhöhe die Flexibilität im Gegensatz zu einem Jahresabonnement, das sich vor allem für Berufspendler rentiere. „Gerade für einen Rentner wie mich“, so Benz.
Großer Andrang bis zum Schluss
In den letzten Tagen, in denen das Neun-Euro-Ticket gültig ist, herrscht jedenfalls auch in der Region großer Andrang bei öffentlichen Verkehrsmitteln. Auf dem Bahnsteig in Singen drängen sich am Dienstagabend die Menschen, die mit der Schwarzwaldbahn in Richtung Karlsruhe fahren wollen, dicht an dicht. Und nicht alle kommen mit, als der Zug mit zehn Minuten Verspätung einfährt.
Eine Gruppe junger Frauen, die mit ihren Fahrrädern am Bodensee unterwegs waren und nach Freiburg wollen, muss auf eine andere Verbindung warten – und hoffen. Doch auch Fahrgäste, die ohne sperriges Gefährt unterwegs sind, stehen nach der Abfahrt genauso auf dem Bahnsteig wie vorher.
Eine Schwarzwaldbahn mit Einschränkungen
Der Andrang speziell auf dieser Linie könnte damit zusammenhängen, dass die Züge der Schwarzwaldbahn nach wochenlanger Unterbrechung seit Samstag endlich wieder durchgehend bis Karlsruhe fahren. Zuvor gab es Schienenersatzverkehr mit Bussen zwischen Sankt Georgen und Hausach, weil sich die Radsätze der Züge auf der Bergstrecke nach einer Gleissanierung 2021 zu stark abgenutzt haben. Ohne Ersatzverkehr ist die Verbindung einfach attraktiver.
Doch die Züge der Schwarzwaldbahn fahren bis Ende der Sommerferien nur im Zweistundentakt, ebenfalls eine Nachwirkung der Unterbrechung – und wahrscheinlich auch ein Grund für den großen Andrang in den Zügen, die fahren.
Mehr individuelle Zuschnitte bei der Tarifgestaltung wünscht sich auch Rainer Maus. Er wohnt in Tengen, nimmt aber bewusst längere Zeiten für den Weg und die Rückfahrt zu und von seiner Arbeitsstätte in Mühlhausen-Ehingenin Kauf. „Der öffentliche Personen-Nahverkehr hat viele Vorteile. Vor allem finanziell“, betont Maus. Wer mal genau ausrechne, was Pendler-Fahrten mit dem Auto inklusive aller Nebenausgaben im Gegensatz zu Zug oder Bus koste, stelle schnell fest: Lieber das Auto stehen lassen.
Ein Ausweg aus dem Tarifdschungel
„Ein Monatsticket, das in ganz Baden-Württemberg gilt, wäre mein Wunsch. Es würde auch helfen, den Tarifdschungel in den einzelnen Regionen zu entflechten. Gerade ältere Menschen haben damit ein enormes Problem“, sagt Maus.
Er fährt mit dem Bus und Seehas von Tengen nach Mühlhausen-Ehingen und zurück. Was ihm nicht gefällt: „Die Strecke befindet sich innerhalb einer Zone des Verkehrsverbundes. Und dennoch müssen für den Grundtarif zwei Zonen bezahlt werden. Das verstehe ich nicht“, so Maus.