So macht Bahnfahren keinen Spaß

Chaos auf Bahnhöfen, völlig überfüllte Züge, lange Fahrten ohne Chance auf einen Sitzplatz. In Zeiten des Neun-Euro-Tickets ist so manchem das Bahnfahren vermiest worden. Bisher war meist die Regel: Wer Bahn fährt, braucht mehr Zeit, um ans Ziel zu kommen. Dafür sinkt der Stresslevel.

Im Zug war Zeit, ganze Bücher zu lesen, oder auch mal nur entspannt aus dem Fenster zu schauen. Zumindest auf den gut genutzten Strecken des Regionalverkehrs konnte von Entspannung zuletzt aber keine Rede mehr sein.

Ausgerechnet diejenigen, die am meisten auf die Bahn angewiesen sind, bleiben auf der Strecke

Ältere, Gebrechliche, Behinderte sind häufig auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen, weil sie aufgrund körperlicher Einschränkungen nicht Auto fahren. Das Neun-Euro-Ticket hat ihnen indes auch das Bahnfahren schwer gemacht: Wer auf einen Sitzplatz angewiesen ist, konnte sich auf dieses Abenteuer kaum einlassen. Auch Berufspendler und Schüler, die mit dem Zug zur Schule fahren, guckten in die Röhre, wenn Züge überfüllt waren und kein Fahrgast mehr mitgenommen werden konnte. Gerade ihre treuesten Kunden hat die Bahn enttäuscht.

Das Hauptärgernis bleiben schlechte An- und Verbindungen

Ja, Zugfahren ist häufig zu teuer. Dass es tatsächlich unschlagbar günstig sein kann, war die gute Seite am Neun-Euro-Ticket. Aber billig ist nicht alles, das Hauptproblem der Bahn liegt woanders: Ein entscheidender Hinderungsgrund, auf Bus und Bahn umzusteigen, aber sind schlechte Verbindungen.

Wer auf dem Land lebt, der kann häufig nicht aufs Auto verzichten, wenn er morgens pünktlich am Arbeitsplatz ankommen will. Daran konnte das Neun-Euro-Ticket freilich nichts ändern. Soll die Verkehrswende aber kommen, ist genau hier der Ansatzhebel: Zuverlässige Anschlüsse, ein gut gerüstetes Verkehrsnetz. Dann wird Bahnfahren attraktiv.

Zugreisende warten im Hauptbahnhof Frankfurt auf die S-Bahn.
Zugreisende warten im Hauptbahnhof Frankfurt auf die S-Bahn. | Bild: Arne Dedert/dpa

Die Klimabilanz ist umstritten

Noch ist die Datenlage etwas zu dünn, um die Wirkung des Billig-Tickets in Sachen Klimaschutz abschließend zu bewerten. Aber es gibt erste Erkenntnisse, dass sie weniger günstig war als erhofft. Zwar wurde deutlich mehr Zug gefahren: Eine Auswertung von Mobilfunkdaten durch das Statistische Bundesamt ergaben für den Juni 42 Prozent mehr Bewegung im Schienenverkehr als im Vorjahresmonat.

Das Problem: Rund ein Viertel der im ÖPNV angetretenen Fahrten wäre ohne das Ticket gar nicht erst gemacht worden, ermittelte der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen. Bahn-Experte Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin stellt sogar nur eine leichte Verlagerung vom Auto auf Bus und Bahn von zwei bis drei Prozent fest.

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Die Bahn ist nicht bereit für die Verkehrswende

Das Neun-Euro-Ticket sollte Menschen von der Straße auf die Schiene locken. Schöner Gedanke. Doch wer sich die übervollen Züge, das überforderte Personal und die zahlreichen Verbindungsausfälle anschaut, muss zu dem Schluss kommen, dass die Bahn dazu gar nicht in der Lage ist.

Um wirklich massenhaft mehr Menschen zu transportieren, fehlt es der Bahn an allen Ecken und Enden: am Personal – gerade mussten in Baden-Württemberg wegen Engpässen viele Verbindungen reduziert werden; am Material – man hätte mehr Waggons anhängen können, um mehr Passagiere zu befördern, doch diese sind nicht vorhanden; an der Infrastruktur – siehe Dauerbauarbeiten bei Schwarzwald- und Gäubahn. Bahn-Experte Christian Böttger geht von einem Investitionsstau von 150 Milliarden Euro aus. So wird das nichts mit der Verkehrswende.