Nichts lebt länger als ein Provisorium – in Singen hatte dieses geflügelte Wort längst Gestalt angenommen. Vor 95 Jahren wurde die Scheffelhalle errichtet, eigentlich nur um einem Sängerfest die passende Herberge zu bieten. Doch aus einem Sommer wurden erst Jahre und später Jahrzehnte. Sogar die Einschläge des Zweiten Weltkriegs überstand die zuletzt in die Jahre gekommene Holzkonstruktion unbeschadet.

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Die Halle auf der Aachinsel hat sich in die Herzen der Singener geschlichen. Ganz langsam, aber um so dauerhafter. Nicht nur zur Fasnet ist die Scheffelhalle das Herz des Brauchtums, sondern das ganze Jahr über ist sie Raum für Feste und Veranstaltungen – vom Neujahrsempfang des italienischen Kulturvereins bis zu den Gewerkschafts-Kundgebungen zum 1. Mai, von der ein oder anderen großen Hochzeit bis zu den legendären Boxkämpfen von einst. Und wie es dem Schätzelemarkt in Tengen nachgesagt wird, so haben sich auch manch‘ Schätzle in der Scheffelhalle kennen und lieben gelernt. Der erst kürzlich verstorbene Poppele-Ehrenzunftmeister Karl Glunk hatte es einst auf den Punkt gebracht, als er das Publikum zum großartigen Zunftball beim „Ball der Bälle im Stall der Ställe“ begrüßte.

So sahen die Pläne für die sanierte Scheffelhalle aus: Die abgehängte Decke sollte rückgebaut und das Dachgebälk wieder freigelegt werden.
So sahen die Pläne für die sanierte Scheffelhalle aus: Die abgehängte Decke sollte rückgebaut und das Dachgebälk wieder freigelegt werden. | Bild: Solar-System-Haus GmbH

Ein Ruck ging dann durch Singen, als Pläne laut wurden, die Scheffelhalle solle für eine Aachbad-Erweiterung Platz machen. Die Brauchtumshüter in der Stadt hatten keinen Spaß daran, sich an dieser Stelle ein Spaßbad vorzustellen und formierten sich in Abwehrstellung – mit Erfolg. Wieder einmal lebten Totgesagte länger.

Doch jetzt scheint das Todesurteil gesprochen. Keine Frage, es wird fehlen, dieses Provisorium, an dem aber die Kritik in den letzten Jahren immer lauter geworden ist. Vor allem die hygienischen Zustände der Toiletten haben vielleicht den Ansprüchen der Goldenen Zwanziger genügt, für die 20er-Jahre dieses Jahrhunderts nicht mehr.

So sieht es am morgen nach dem Großbrand aus: Die Scheffelhalle in Ruinen.
So sieht es am morgen nach dem Großbrand aus: Die Scheffelhalle in Ruinen. | Bild: Arndt, Isabelle

Deshalb sollte das einstige Provisorium zum 100. Geburtstag in fünf Jahren für die Zukunft fit gemacht werden. Fünf Millionen Euro wollte die Stadt investieren, um die Halle herauszuputzen. Längst haben die Voruntersuchungen begonnen, gerade jetzt wurden die Pläne vorgestellt. Über Nacht sind sie Makkulatur geworden. Jetzt müssen sich die Singener überlegen, was stattdessen passieren soll.