Am Dienstagmorgen waren alle Glocken der St.-Oswald-Kirche zu hören. Das lag nicht etwa daran, dass die Programmierung verrückt spielte oder eine Überprüfung des Glockenspiels stattfand. Hausmeister und Mesner Sebastian Reinholz sorgte für die vierzehn Teilnehmer der Kirchturmbesichtigung für dieses besondere Erlebnis.
Da er seit fast dreißig Jahren für St. Oswald, die Loreto-Kapelle und das Pallottiheim zuständig ist, kennt er sich bestens aus. Zu den Kirchenglocken fühlt er sich besonders hingezogen, da sein Vater in Rumänien Glöckner war.

Viel zu entdecken gab es bei der Besichtigung von Kirchturm, Ober- und Unterkirche sowie der Taufkapelle und der Kapelle von St. Oswald. Als erstes ging es in den 38 Meter hohen Kirchturm. Er ist der älteste Teil der Kirche und stammt noch aus dem 14. Jahrhundert. Hier werden manche Kirchenschätze zwischengelagert.
Heiteres Heiligenraten
So konnten man auch Statuen, Bilder und Paramente (im Kirchenraum und in der Liturgie verwendete Textilien, die meist aufwändig verziert sind) bestaunen. Es setzte auch gleich ein heiteres Heiligenraten ein, das sich bei der gesamten Führung fortsetzte. Sebastian Reinholz half gerne auf den richtigen Weg, indem er deren Attribute aufzählte. So hält etwa St. Michael eine Waage, St. Elisabeth kann man an Rosen erkennen.

Wer die Glocken sehen will, muss die immer enger und steiler werdende Treppe hinauf. Natürlich wurden die Stufen gezählt: 126. Besonders vorsichtig muss man bei den letzten sein, denn es lauert die Gefahr den Kopf anzustoßen oder zu stolpern.

Sebastian Reinholz kennt die Gefahrenstellen. Er ist mindestens einmal im Monat hier oben. Von den Zeiten, als noch ein Glöckner sein Werk tat, zeugen nur noch Löcher im Boden, durch die einst die Seile gingen. Heute läuten die Glocken automatisiert. Zudem kann man besonderes Glockengeläut für besondere Anlässe einstellen.

Sebastian Reinholz läutete bei der Führung jede Glocke einzeln und dann vier zusammen. Bei einer Glocke fiel nicht nur ihm ein Rattern auf. Es war eine Feder gebrochen und so bekommt sie bald eine Reparatur. Für das Glockenwerk ist eine Firma aus Schonach zuständig, erläuterte der Mesner. Doch für die Wartung komme der Fachmann aus der Region. Auf dem Weg nach unten konnte man ein altes Glockenseil entdecken, das natürlich von der Stockacher Seilerei gefertigt wurde.
Auf die Frage wofür der ehemalige Gruppenraum im unteren Teil des Turms heute genutzt wird, hatte Reinholz eine unerwartete Antwort. Hier werden die Weihnachtsbäume getrocknet. Viele Kirchenschätze werden hier zudem gelagert. Auch in den Kirchenräumen und Kapellen finden sich viele Schätze der wechselvollen Kirchengeschichte.
Baugeschichte der Kirche
Die Stockacher Kirche St. Oswald wurde im Jahr 1704 von einem Brand heimgesucht. Heute ist vom ursprünglichen Bau aus dem 14. Jahrhundert nur noch das Mauerwerk des Turms erhalten, der Rest der Kirche brannte ab. 1733 wurden die Schäden an Kirche und Turm repariert. 1932 wurde wurde die Kirche dann komplett neu gebaut, 1933 wiedereröffnet und 1996 zuletzt saniert. An der Stelle, an der damals der Kran aus der Kirche gefahren wurde, zeigen sich heute noch deutliche Schäden. Für 2021 ist eine Sanierung geplant. (sch)