Ein Firmeninhaber aus dem Raum Stockach muss sich zurzeit wegen Fahrlässiger Tötung (Paragraf 222 des Strafgesetzbuchs) vor dem Stockacher Amtsgericht verantworten. Grund dafür ist ein Arbeitsunfall in seinem Betrieb vom Oktober 2016. Laut der Staatsanwaltschaft sei das Opfer von einem Mitarbeiter mit dem Gabelstapler in einer Gitterbox zum Säubern der Fenster hochgefahren worden, welche nicht ausreichend mit Spanngurten gesichert war. Daraufhin sei die Gitterbox heruntergefallen und das Opfer erlitt tödliche Verletzungen. Zudem habe die Gitterbox nicht den geltenden Vorschriften entsprochen, so die Vertreterin der Staatsanwaltschaft weiter.
Der Angeklagte ließ in der Verhandlung eine Erklärung von seinem Verteidiger vorlesen. Das Opfer habe von ihm die Anweisung erhalten, die Fenster, die weit oben sind, mit einer ausziehbaren Leiter zu putzen. Nach der Mittagspause habe er das Opfer regungslos auf dem Boden liegen sehen und sofort erste Hilfe geleistet. Zudem meinte er sich erinnern zu können, dass die Leiter halb ausgezogen war, weshalb er nicht sofort habe feststellen können, ob das Opfer einen Herzinfarkt erlitten habe oder gestürzt sei. Der Notarzt habe nur noch den Tod feststellen können.
Spanngurte werden zum Verhängnis
Der Mitarbeiter, welcher den Stapler gefahren haben soll und mitangeklagt war, aber zuvor einen Strafbefehl akzeptiert hatte, gab in seiner Aussage vor Gericht nun an, dass er den Stapler versorgen wollte. Zunächst habe er die Spanngurte von der Gitterbox entfernt und an den vorgesehen Platz gebracht. Als er den Stapler versorgen wollte, sei das Opfer zu ihm gekommen und habe ihm mit Gesten vermittelt, dass er ihn mit dem Stapler hochfahren solle, damit das Opfer das Fenster an dieser Stelle putzen könne. „Mir war nicht mehr bewusst, dass ich die Spanngurte bereits entfernt hatte“, sagte er.
Nach dem Unfall habe er die Gitterbox mit dem Stapler vom Opfer geschoben, damit dieses Luft bekomme. Der Zeuge bestätigte auch auf Nachfrage von Richterin Julia Elsner, dass der Angeklagte dem Opfer die Anweisung gegeben habe, die Leiter zu benutzen. Und: „Man durfte nur Geräte benutzen, wenn es der Chef im Vorfeld erlaubt hat.“ Zudem habe der Beschuldigte immer alles kontrolliert, bevor etwas benutzt werde. Auf die Frage des Verteidigers, welche Anweisungen er vom Firmeninhaber bekommen habe, antwortete er, dass der Stapler nur für geringe Höhen bis etwa ein Meter für Reinigungsarbeiten habe benutzt werden dürfen. Für größere Höhen habe man die Leiter verwendet. Es sei keine Anweisung gewesen, den Stapler zum Zeitpunkt des tödlichen Unglücks zu verwenden.
Mitarbeiterin entlastet Angeklagten
Eine andere Mitarbeiterin des Betriebs gab vor Gericht an, dass sie den Unfall nicht beobachtet habe und dem Angeklagten das Telefon bringen wollte. Sie habe dann den Rettungsdienst gerufen, als sie den Angeklagten mit dem Opfer gesehen habe. Vor dem Unfall habe das Opfer zum Fensterputzen die Leiter verwendet, sagte sie. Ein weiterer Mitarbeiter sagte aus, dass er vom Geschehen erst etwas mitbekommen habe, als der Krankenwagen auf den Hof fuhr. Allerdings sei dem Angeklagten die Sorgfalt wichtig gewesen: „Der Chef war immer hinterher, dass alles korrekt benutzt wird.“
Kriminalpolizei befragt Belegschaft
Ein Beamter der Kriminalpolizei, die bei nicht natürlichen Toden routinemäßig eingeschaltet wird, sagte, es habe zunächst nichts gegeben, was dem widersprochen hätte, dass das Opfer aus gesundheitlichen Gründen von der Leiter gefallen sei. Erst als der Rechtsbeistand der Familie des Opfers gemeldet hätte, dass ein Stapler benutzt worden sei, hätten er und seine Kollegen die Belegschaft nochmals befragt. Dabei habe der mitangeklagte Zeuge zugegeben, dass er den Stapler gefahren habe, gab der Beamte der Kriminalpolizei an.
Staatsanwältin fordert Verurteilung
Der Verteidiger sah nach den Zeugenaussagen bei seinem Mandanten keine Schuld: „Die Beweisaufnahme hat den Tatvorwurf nicht bestätigt. Durch seine Anordnung hätte das nicht passieren dürfen.“ Er regte daraufhin einen Freispruch oder eine Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung an. Dies lehnte jedoch die Vertreterin der Staatsanwaltschaft ab. Sie wollte entweder eine Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153a der Strafprozessordnung (siehe Kasten) oder eine Verurteilung des Angeklagten. Nach Rücksprache mit seinem Mandanten lehnte das der Verteidiger jedoch ab.
Weiterer Verhandlungstag: Die Fortsetzung der Verhandlung findet am Mittwoch, 20. Mai, im Amtsgericht Stockach statt. Verhandlungsbeginn ist um 9.30 Uhr.