Es klingt nach einem guten Geschäft: zwischen 2000 und 3000 Euro Pacht pro Hektar werden derzeit in Deutschland für Land bezahlt, auf dem eine Freiflächensolaranlage errichtet werden kann. Neben der fürstlichen Vergütung wird der Verpächter mit dem guten Gewissen belohnt, durch umweltfreundliche Stromproduktion etwas gegen den Klimawandel zu tun.
Pachtpreise für Stromproduktion bis zu zehn mal höher
So kommt es, dass sich manche Landwirte und Besitzer vom Ackerland in diesen Zeiten Gedanken darüber machen, ihr Ackerland lieber für die Stromproduktion einzusetzen, denn die Pachtpreise für solche Freiflächen-Photovoltaikanlagen (PV) sind bis zu zehn mal höher als für normales Ackerland, berichtet das Fachportal „Agraronline“.
Dass das Interesse von Landbesitzern an Freiflächen PV-Anlagen groß ist, bestätigt auch Bene Müller, Vorstand der Solarcomplex AG aus Singen, im Gespräch mit dem SÜDKURIER. „Jeden zweiten oder dritten Tag bekommen wir entsprechende Anfragen.“ Das könne er angesichts der Preisentwicklungen bei Milch, Schweinefleich und vielen anderen landwirtschaftlichen Produkten auch verstehen, macht er deutlich. Schließlich biete eine Freiflächen PV-Anlage auf 25 Jahre ein sicheres Einkommen.
Strom oder Lebensmittel?
Das Problem dabei ist, dass eine Flächenkonkurrenz entsteht: Für Landbesitzer kann es nämlich attraktiver sein, ihre Ackerflächen für den Bau einer PV-Anlage zu verpachten als für den Anbau von Lebensmitteln. Benötigt wird indes beides. Sowohl Energie als auch Lebensmittel. Das ist spätestens seit dem Ausbruch des Kriegs in der Ukraine deutlich geworden.
Die Flächenkonkurrenz sieht auch Müller. „Das Problem ist, dass wir solche Anlagen dringend brauchen. Wir hinken beim Ausbau der erneuerbaren Energien gewaltig hinterher“, betont er. Während bundesweit mittlerweile knapp 50 Prozent des Strombedarfs mit erneuerbaren Energien gedeckt werden können, seien es in Baden-Württemberg lediglich 30 Prozent und im Landkreis Konstanz sogar nur 20 Prozent.
Dazu kommt, dass der Stromverbrauch sich schätzungsweise bis zum Jahr 2040 insgesamt verdoppeln werde, wie aus einer Studie der Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg hervorgeht.
Bald könnten viele Flächen frei werden
Doch schon jetzt werden nicht alle landwirtschaftlichen Flächen für die Lebensmittelproduktion genutzt. Laut Bene Müller werden allein im Landkreis Konstanz auf einer Fläche von 40 Quadratkilometern Pflanzen für die Erzeugung von Biogas angebaut. Das entspricht rund 10 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Flächen im Landkreis.
„Wir rechnen allerdings damit, dass Biogasanlagen, die nicht über eine Wärmenutzung verfügen, nach dem EEG-Wegfall nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden können“, sagt Müller. Das würde bedeuten, dass auch weniger Flächen für die Biogasproduktion aufgewendet werden müssten, und sozusagen frei würden.

Wie Müller erklärt, lasse sich mit Freiflächen PV-Anlagen deutlich mehr Strom erzeugen, als mit Biogas. „Photovoltaik ist um den Faktor 50 effizienter als Biogas“, sagt Müller. Sprich: Um die gleiche Menge Strom zu erzeugen bräuchte man einen Hektar Fläche für eine Freiflächen PV-Anlage, aber 50 Hektar Ackerland für Energiepflanzen, die dann im Biogas landen.
Ein Prozent der Fläche reicht
Laut Müller würde es rein rechnerisch reichen ein Prozent der landwirtschaftlichen Flächen mit Freiflächen PV-Anlagen auszustatten und zusätzlich drei Prozent der Verkehrs- und Siedlungsflächen, um den kompletten Strombedarf im Landkreis Konstanz allein mit Photovoltaik zu decken. Allerdings brauche es ohnehin einen gewissen Energiemix, um auch genügend Strom zur Verfügung zu haben, wenn die Sonne nicht scheint.
Strom und Lebensmittel vom selben Feld
Es gibt jedoch eine Lösung, die beides in Einklang bringen könnte: Strom- und Lebensmittelproduktion auf ein und derselben Fläche: Die Agriphotovoltaik (APV). Dabei handelt es sich um Solaranlagen, die in bis zu fünf Metern Höhe über einer landwirtschaftlichen Fläche aufgeständert werden können und bei der die Module so angebracht sind, dass die Fläche darunter noch genügend Licht bekommt, um bewirtschaftet werden zu können. Das Konzept erläuterte Agnes Wilke vom Fraunhofer-Institut in Freiburg jüngst einigen interessierten Landwirten bei einer Infoveranstaltung in Stockach.

Das Fraunhofer-Institut hat eine solche Anlage bereits vor einigen Jahren versuchsweise auf einer Fläche der Hofgemeinschaft Heggelbach in Herdwangen‑Schönach errichtet. Wilke zeigte sich dabei überzeugt von dem Konzept. „Entscheidend ist, dass der Landwirtschaftliche Ertrag unter einer solchen Anlage nicht weniger als 60 Prozent des Ertrags ohne eine solche Anlage betragen darf“, erklärte sie.
Für manch eine Kultur, die besonderen Schutz braucht, oder gut im Schatten sogar besonders gut gedeiht, könne der Anbau unter einer solchen APV-Anlage sogar von Vorteil sein. „Bei gemischten Flächen lässt sich die Effizienz um 86 Prozent steigern“, habe die Versuchsreihe auf dem Hofgut Heggelbach in den Jahren 2016 bis 2019 gezeigt, berichtet Wilke. „Landnutzungskonflikte lassen sich damit lösen“, lautet ihr Fazit.
Große Zukunft im Obstbau
Insbesondere für Sonderkulturen könnte die APV eine große Zukunft haben, bestätigte auch Ulrich Mayr, stellvertretender Geschäftsführer des Kompetenzzentrums Obstbau Bodensee. Er beschäftigt sich seit vier Jahren mit dem Thema APV über Apfelbäumen.
„In der Bodenseeregion verfügen wir über rund 5600 Hektar Hagelnetze um das Obst zu schützen. Würden wir diese durch Agri-Photovoltaikanlagen ersetzen, dann würde Strom schon fast zu einem Abfallprodukt in der Bodenseeregion“, erklärt er.
Weniger Pflanzenschutz notwendig
Doch die APV-Anlage hat noch mehr Vorteile. „Insgesamt lassen sich damit bis zu 80 Prozent der Pflanzenschutzmittel einsparen“, erklärt Mayr. Auf Mittel gegen Pilzbefall könne man durch die Solar-Überdachung sogar ganz verzichten, da die Bäume keine direkte Nässe mehr von oben bekommen.
Mayr ist zudem überzeugt, dass die APV im Obstanbau eine große Akzeptanz hätte. „Die Bevölkerung am Bodensee ist ohnehin an den Anblick von Hagelschutznetzen gewöhnt“, betont er. Außerdem hätten die APV-Anlagen eine längere Lebensdauer als konventionelle Hagelnetze und müssen nicht so oft ausgetauscht werden.
Nun seien Politik und Verwaltungen gefragt, Genehmigungsverfahren für solche Anlagen auf den Weg zu bringen. „Außerdem ist es wichtig, Regelungen zu treffen, die verhindern, dass die Flächen von Investoren gepachtet werden, die die Bäume darunter nur als Alibi nutzen und nicht mehr zur landwirtschaftlichen Produktion, warnt Mayr.