Die vollen Reihen im Bürgerhaus Adler Post zeigten beim Festakt das Interesse an der Geschichte der Eingemeindung der heutigen Ortsteile vor rund 50 Jahren zur Stadt Stockach. Dass die Eingemeindungen zwischen 1971 und 1975 von einfach bis sehr schwierig abliefen, zeigte sich in den Reden, Anekdoten und einem Zeitzeugenbericht.
Die Anwesenden bestätigten die Erzählungen immer wieder mit ihrem wissenden Lachen und Applaus. Unter ihnen saß so mancher ehemalige Bürgermeister, Ortsvorsteher, Gemeinde- oder Ortschaftsrat. Bürgermeisterin Susen Katter sagte, sie freue sich, das Jubiläum der Eingemeindungen gebührend feiern zu können.
„Damals wurde hart verhandelt. Ich habe mir alle Verträge von damals angeschaut“, erzählte sie. Obwohl ihr Vorgänger Rainer Stolz die eigentliche Laudatio hielt, hatte sie für die Zuhörer bereits die eine oder andere Begebenheit aus den Verhandlungen parat, zum Beispiel, dass der damalige Stadtrat und Bürgermeisterstellvertreter Heinrich Wagner den Ort Hindelwangen als Lieblingsfrau unter den Bräuten, also Ortsteilen, bezeichnet habe.

Wunderbare Gemeinschaften
Susen Katter hob hervor, wie individuell die Eingemeindungsverträge gestaltet worden sei. Alle sollten ihren Eigenarten behalten dürfen und sich frei entfalten können. Sie nannte die Vereinbarungen „großartig“ und sagte, sie könne bestätigen, dass wirklich jeder Ortsteil auch heute noch seine Identität, seine Feuerwehrabteilung und seine Vereine habe. Das Brauchtum sei als unantastbar erklärt worden.
In Ergänzung nannte Stolz später auch die Investitionen, die zum Beispiel in Kanalnetz oder die Straßen gesteckt worden seien. Die unechte Teilortswahl sei ein großer Punkt in den Verträgen gewesen und bis auf Hoppetenzell seien die Grundschulstandorte erhalten wurden. „Es ist wunderbar, zu sehen, welche Gemeinschaft wir heute vorfinden“, fasste Susen Katter zusammen. „Die Entscheidung war damals richtig. Nur zusammen kann man Großartiges entwickeln.“

Warum sich Orte zusammenschließen mussten
Alt-Bürgermeister Rainer Stolz schlug in seiner Laudatio einen Bogen durch die Jahrhunderte, als Städte nur durch Erlässe die Eigenständigkeit erhalten konnten. Er schilderte, wie es eigentlich dazu kam, dass genau diese Orte, die heute zu Stockach gehören, eingemeindet wurden.
Gesetzlich sei festgelegt worden, dass sich Verwaltungseinheiten mit mindestens 8000 Einwohnern bilden müssten, um die Komplexität bestimmter Aufgaben erledigen zu können. Kleinere Orte brauchten mindestens 2000 Bürger und konnten beziehungsweise mussten sich dann mit einer Stadt zu einer Verwaltungsgemeinschaft zusammentun. Etwa gleichzeitig habe auch die Kreisreform stattgefunden.
So entstanden mehrere Konstrukte: die Stadt Stockach in der heutigen Form, die Verwaltungsgemeinschaft Stockach und die Gemeinden in der Verwaltungsgemeinschaft in ihren bekannten Größen. Dabei habe es in der Phase der Freiwilligkeit andere Zusammenschlüsse gegeben, als der Gesetzgeber im Auge gehabt habe.
Beharrlichkeit und Ungeduld
Stolz beschrieb den Stockacher Alt-Bürgermeister Franz Ziwey und seinen Stellvertreter Heinrich Wagner in den Verhandlungen als „umsichtig, beharrlich, zielstrebig und manchmal ungeduldig“. Um die Gespräche hätten sich so manche Mythen und Erzählungen gerankt. So habe Wagner nach nächtelangen Verhandlungen mit einem Stoßseufzer gesagt: „Etzt isch g‘nug verhandelt – wend ihr oder wend ihr nicht?“
Besonders viel Applaus und Lachen gab es für die Anekdote um Zoznegg, dessen Bürgermeister Hans Fröhlich absolut nicht die Eingemeindung zu Stockach gewollt habe. Franz Ziwey habe sich „gerächt“ und Fröhlichs Tochter geheiratet – so sei Zoznegg Teil der Familie geworden, erzählte Stolz.
Am Ende hob Stolz hervor, was Stockach zu einer lebens- und liebenswerten Stadt mache. Dazu gehören engagierte Menschen, großartige Vereine, das Krankenhaus und vieles mehr. Er wies zwar auch auf Herausforderungen hin, aber ihm sei um die Zukunft nicht bange.
Die Erinnerungen von Johann Kempter
Hauptamtsleiter Hubert Walk trug den Zeitzeugenbericht von Johann Kempter vor, der bis 1973 Bürgermeisterstellvertreter in Espasingen und anschließend bis 1989 der Ortsvorsteher gewesen war. Der Rat habe sich damals gegen den amtierenden Espasinger Bürgermeister für Stockach entschieden. Auch die Bürger seien zu 73 Prozent dafür gewesen, zu Stockach zu gehen und nicht zu Ludwigshafen.


Notwendige Baumaßnahmen an Kanälen und der Wasserversorgung seien innerhalb von zwei Jahren nach der Eingemeindung umgesetzt worden, später sei die Ortsdurchfahrt ausgebaut worden. In späteren Jahren habe Espasingen Auszeichnungen bei „Unser Dorf soll schöner werden“ erhalten.