In den vergangenen Wochen sind die Gaspreise wieder deutlich gefallen. Bedeutet das für die Verbraucher jetzt Entwarnung im Hinblick auf horrende Gasrechnungen?

Erfreulicherweise sind die Einkaufspreise auf dem Gasmarkt nach dem extrem steilen Anstieg im Juli und August wieder deutlich gefallen. Dennoch bewegen sich die Preise für die Gasbeschaffung jetzt etwa auf dem doppelten Niveau wie noch in der ersten Jahreshälfte 2022.

Kundinnen und Kunden der Stadtwerke Stockach sind durch unsere langfristige und vorausschauende Einkaufsstrategie von den extremen Großhandelspreisen der letzten Monate weitgehend verschont geblieben. Für 2022 ist durch die beschlossene Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 7 Prozent ab 1. Oktober auf Gasverbräuche sogar mit einer leichten Entlastung zu rechnen.

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Auch die Auswirkungen der Marktsituation auf die Preise für das kommende Jahr können wir mit unserer Einkaufsstrategie begrenzen. Aber natürlich ist für 2023 dennoch mit einem deutlichen Preisanstieg zu rechnen.

Können Sie sagen, wie sich die Abschlagszahlungen für die durchschnittliche Stockacher Familie verändern? Um welche Größenordnung geht es?

Aktuell werden die Preise für das kommende Jahr kalkuliert. Konkrete Aussagen über die Höhe der Abschlagszahlungen können wir daher noch nicht treffen. Deutliche Preiserhöhungen werden wir aber aufgrund der weiterhin angespannten Marktsituation nicht vermeiden können.

Ein Gaszähler der Stadtwerke Stockach. Bild vom 21.7.2022
Ein Gaszähler der Stadtwerke Stockach. Bild vom 21.7.2022 | Bild: Freißmann, Stephan

Die Bundesregierung hat einige Entlastungen für Gaskunden beschlossen, angefangen von der Übernahme der Abschlagszahlungen für Dezember über die Senkung der Mehrwertsteuer bis hin zum Gaspreisdeckel ab März. Was halten Sie davon?

Uns als Versorger ist es wichtig, dass Gas nicht nur sicher verfügbar, sondern auch bezahlbar bleibt. Insofern begrüßen wir die von einer Experten-Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen zur schnellen Entlastung der Haushalte und Unternehmen, auch wenn uns die Umsetzung aktuell vor große, zusätzliche Herausforderungen stellt.

Erfreulich ist, dass der Staat mit der von 19 auf 7 Prozent verringerten Mehrwertsteuer bereits ein erstes wirksames Instrument nutzt, um die Gaskosten schnell und spürbar zu dämpfen. Diesen Kostenvorteil geben wir in vollem Umfang weiter. Die Entscheidungen für weitere Entlastungsmaßnahmen und vor allem die Details zu deren Umsetzung lassen noch auf sich warten.

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Bei einem möglichen Gaspreisdeckel wäre es jedenfalls hilfreich, wenn die Regierung auch schon die verbrauchsstarken Wintermonate Januar und Februar mit einbezieht. Wir stehen auf jeden Fall bereit, weitere Maßnahmen umzusetzen. Es ist gut und richtig, dass der Staat mit unterschiedlichen Maßnahmen die Bürgerinnen und Bürger bei den enorm gestiegenen Energiekosten unterstützt und entlastet.

Die Preise für Gas sind das eine, die Versorgungssicherheit das andere: Ist Gas sparen trotzdem weiter wichtig?

Die gesunkenen Preise sind keinesfalls ein Signal zum sorglosen Gasverbrauch. Nach wie vor ist die Situation auf dem Gasmarkt angespannt und die Preise entsprechend hoch. Der Lieferstopp für russisches Erdgas, das im vergangenen Jahr immerhin einen Anteil von rund 55 Prozent am Gesamtverbrauch hatte, kann derzeit nicht vollständig und preisgünstig durch andere Quellen kompensiert werden.

Die Gasspeicher sind zwar aktuell mit rund 97 Prozent gut gefüllt und der Gasverbrauch ist zum Vergleichszeitraum der Vorjahre gesunken. Allerdings steht der Winter erst noch bevor.

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Die Bundesnetzagentur geht von einem längeren Einsparungsziel von 20 Prozent aus, um eine Gasmangellage zu vermeiden. Unter www.energiewechsel.de stellt das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz Energiespartipps für private Haushalte, Unternehmen und Kommunen bereit.

Können Sie eher optimistisch auf die kommenden Monate schauen oder überwiegen die Sorgen?

Die Frage ist besonders mit Blick auf die Gasversorgung schwer zu beantworten. Wer hatte zum Beispiel erwartet, dass die Gasversorgung auch nach dem fast vollständigen Ausbleiben russischer Gaslieferungen weiterhin stabil funktioniert?

Die Bundesnetzagentur hat jedoch drei Kriterien genannt, um bei der Gasversorgung gut über den Winter zu kommen. Erstens: Das Sparziel von mindestens 20 Prozent muss weiterhin erreicht werden, zweitens: Die LNG-Terminals müssen zum Jahresbeginn einspeisen und drittens: Der winterbedingte Rückgang der Gasimporte und der Anstieg der Exporte muss moderat ausfallen.

Die Versorgungssicherheit bei Strom ist nach wie vor auf einem sehr hohen Niveau. Der vorübergehende Einsatz von Kohlekraftwerken zur Stromerzeugung und der geplante, bis 15. April 2023 befristete, Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken sorgen zumindest die kommenden Monate für mehr Stabilität bei der Stromversorgung. Aber auch hier kann es im Extremfall regional zu vorübergehenden Einschränkungen kommen.

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Damit die Energiepreise wieder sinken, braucht es vor allem Planungssicherheit. Die anhaltende Ukrainekrise, offene Entscheidungen bezüglich der Gasbeschaffung der EU-Länder sowie das klima- und umweltpolitische Bekenntnis zur Abkehr von fossilen Energien und von Atomkraft deuten derzeit noch nicht auf eine grundlegende und dauerhafte Entspannung bei den Marktpreisen hin.

Wir sehen den kommenden Winter schon mit gewisser Sorge. Und auch der übernächste Winter wird nochmals alle Kraft und Anstrengungen erfordern. Aber wir sind positiv gestimmt, dass dies bei Einhaltung der oben genannten Kriterien und einem hoffentlich milden Winter auch gelingen wird.

Fragen: Dominique Hahn