In einem ungewöhnlichen Verwaltungsakt schließt das Stockacher Ordnungsamt einen Pferdehof. Der Besitzer muss seinen Betrieb zum 31. Juli einstellen. Die Pferdebesitzer, die ihre Tiere auf der Anlage untergebracht haben, müssen bis dahin ein neues Zuhause für sie gefunden haben. Grund für das harte Durchgreifen ist laut den Behörden die Unzuverlässigkeit des Besitzers. Dem SÜDKURIER liegen dazu Dokumente und Aussagen vor. Der 54-jährige Hofbetreiber wollte zu diesem Sachverhalt und weiteren Vorwürfen keine Stellung nehmen.
Der Vorfall bezieht sich auf einen Hof auf dem Gebiet der Verwaltungsgemeinschaft Stockach, weshalb das dortige Ordnungsamt federführend ist. Zu den genauen Vorwürfen will sich die Behörde nicht äußern. Die Gewerbeuntersagung sei aber in mehreren Instanzen gerichtlich bestätigt worden. Und: „Es lag eine Vielzahl von Unzuverlässigkeitstatbeständen aus verschiedenen Rechtsgebieten vor, welche die Gewerbeuntersagung nach sich ziehen mussten – jeder Tatbestand für sich genommen hätte bereits eine Untersagung gerechtfertigt“, teilte die Stadt Stockach auf Anfrage mit. Konkrete Gründe wollte die Stadt zum Schutz des Betroffenen zunächst nicht mitteilen.
Hofbesitzer will sich zu Vorwürfen nicht äußern
Nach Recherchen des SÜDKURIER, unter anderem bei einer öffentlichen Gerichtsverhandlung gegen den Hofbesitzer im Juni vor dem Konstanzer Landgericht, hat sich der Mann verschiedentlich strafbar gemacht. Dabei ging es unter anderem um Betrug, Siegelbruch oder falsche Versicherung an Eides statt. Zur Sprache kam auch das umfangreiche Vorstrafenregister des 54-Jährigen.
Das Stockacher Ordnungsamt erklärte auf Nachfrage des SÜDKURIER, dass der Hofbetreiber aufgrund gewerberechtlich relevanter Tatbestände aus dem aktuellen Verfahren und wegen gewerberechtlich relevanter Vorstrafen kein zuverlässiger Gewerbetreibender mehr sei. Er könne keine Gewähr dafür bieten, sein Gewerbe zukünftig ordnungsgemäß auszuführen.
Pferdepension wird zwangsweise geschlossen
Doch was ist da eigentlich los? Umgeben von Wäldern, Wiesen und Feldern liegt im Hinterland des Bodensees der unscheinbar wirkende Pferdehof. Auf den ersten Blick scheint hier die Welt noch in Ordnung zu sein. Rund 40 Tiere hatten zuletzt hier ihr Zuhause – aber nicht mehr lange. Ende Mai dieses Jahres erhielten Besitzer, die ihre Pferde dort dauerhaft eingestellt hatten, ein überraschendes Schreiben des Stockacher Ordnungsamts. Darin hieß es: Die Pferdepension werde aufgrund der Unzuverlässigkeit des Betreibers zum 31. Juli zwangsweise geschlossen.

Im Schreiben, das dem SÜDKURIER vorliegt, wurden die Einsteller aufgefordert, ihre Pferde bis spätestens zum Schließungstermin anderweitig unterzubringen. Ansonsten müssten sie mit „Vollstreckungsmaßnahmen auf dem Hof rechnen, die auch Sie selbst betreffen und einschränken könnten“. Die Nachricht habe sie alle ohne jegliche Vorwarnung getroffen, erklärte eine Einstellerin. Die Pferde in so kurzer Zeit woanders unterzubringen, sei kaum möglich.
Gewerbeuntersagung bereits seit 2022 bekannt
Doch so überraschend kam die Schließung des Pferdehofs eigentlich gar nicht – zumindest für den 54-jährigen Betreiber. Denn dieser habe bereits seit Längerem von der Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit gewusst, erklärte das Stockacher Ordnungsamt gegenüber dem SÜDKURIER. Die Verfügung sei bereits im September 2022 ausgesprochen worden und seit Dezember 2023 rechtskräftig.
Da der Betreiber der Verfügung aber bisher nicht nachgekommen sei, werde diese nun mit Zwangsmitteln durchgesetzt, so Sophia Igl vom Ordnungsamt. Der Hofbetreiber habe es unterlassen, „seine Einsteller darüber zu unterrichten“. Deshalb habe sich die Stadt dazu entschieden, die Pferdebesitzer zu informieren, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich nach einer anderen Unterbringungsmöglichkeit für ihre Tiere umzusehen.
Pferdehofbetreiber erhebt schwere Vorwürfe
Trotz mehrfacher Nachfrage des SÜDKURIER wollte sich der Betreiber des Hofs zu den Gründen für die Zwangsschließung und das Versäumnis, die Einsteller rechtzeitig darüber zu benachrichtigen, nicht äußern. Stattdessen erhob er selbst schwere Vorwürfe: Der 54-Jährige behauptete, dass hinter dem ganzen Fall deutlich mehr stecke. Es gehe unter anderem darum, dass Beamte, Richter und andere Personen zusammenarbeiteten, um seinen Hof „günstig und frei von Pachtverträgen und Wohnrechten zu ergattern“.
Solche Behauptungen weist die Behörde von sich. Sophia Igl vom Stockacher Ordnungsamt: „Dass er versucht, die Opferrolle einzunehmen, ist angesichts der Vielzahl und Bandbreite seiner rechtswidrigen Taten unverständlich.“ Belastbare Beweise für seine Theorie bleibe der Hofbetreiber schuldig, erklärte Igl weiter.
Hofbetreiber ist ein verurteilter Straftäter
Fest steht dagegen: Am 22. Juni 2023 hatte das Amtsgericht Konstanz den Betreiber der Pferdepension zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Doch gegen das erstinstanzliche Urteil hatten sowohl die Verteidigung als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.
Die Liste der Punkte, mit denen sich das Landgericht Anfang Juni 2024 befasste, war lang – darunter Tatbestände wie Betrug, Siegelbruch, Vereiteln einer Zwangsvollstreckung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, falscher Versicherung an Eides statt, und Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz, aber auch Straftaten wie versuchte Körperverletzung, Waffenbesitz oder Besitz von jugend- und kinderpornografischen Inhalten. Auf dem Rechner des Angeklagten hatte die Polizei mehrere einschlägige Bilddateien gefunden.
Im Berufungsverfahren ging es jedoch nicht darum, die Schuld oder Unschuld des Angeklagten festzustellen, sondern lediglich um die Neuverhandlung des Strafmaßes in einigen Punkten. Denn für das Berufungsverfahren hatte der Angeklagte seine Rechtsmittel auf die Rechtsfolgen beschränkt, also auf das Strafmaß. Laut dem Präsidenten des Landgerichts, Christoph Reichert, ist dies als Geständnis zu bewerten.

Gericht sieht keine positive Prognose
Doch zurück zur Gerichtsverhandlung im Juni: Das Landgericht verurteilte den Betreiber der Pferdepension zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten und damit immer noch über dem von der Verteidigung erhofften Strafmaß von unter zwei Jahren. Denn Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren können zur Bewährung ausgesetzt werden. In der Begründung des Urteils erklärte der Vorsitzende Richter Tasso Bonath an die Verteidigung gerichtet: „Wir wären zu keiner Bewährung gekommen.“ Beim Angeklagten gebe es keine positive Prognose. Er habe in den vergangenen Jahren kontinuierlich Straftaten begangen.
Gegen das Urteil des Landgerichts hat der Hofbesitzer Revision eingelegt. Es ist also noch nicht rechtskräftig. Für den Hofbetreiber gilt demnach die Unschuldsvermutung. Was er nicht mehr verhindern kann, ist die Schließung seines Betriebs, hier hat er alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft. Wenn er der Anordnung der Stadt Stockach nicht selbst nachkommt, greift die Behörde weiter durch.