Einen großen Umzug mussten die Mitarbeiter des Erlenhofs des Pestalozzi-Kinder- und Jugenddorfs in Wahlwies in den vergangenen Wochen stemmen: Nach Fertigstellung des neuen Stalls für die Milchkühe ist dort Leben eingezogen und rund 50 Tiere konnten in ihr neues Domizil umsiedeln. Davon sollen nicht nur die Tiere etwas haben – mehr Platz und Komfort -, sondern letztlich auch Verbraucher, denn die können laut den Machern einen Unterschied in den Produkten schmecken. Dafür gibt es im Stall einige Neuerungen, jedoch nicht zu viel Technik.
Der neue Stall ist bedeutend größer. Er biete Platz für bis zu 120 Tiere und zudem sei der Platz, den jedes einzelne Tier habe, deutlich größer als im alten Stall. „Wir liegen pro Tier ungefähr 1,5 Quadratmeter über den Vorgaben für eine Bio-Haltung“, sagt Oliver Rascher, der für den Milchviehbetrieb zuständig ist.
Kälbchen wachsen bei ihren Müttern auf
Die Milchkühe leben auf dem Erlenhof mit ihren Kälbchen in einem luft- und lichtdurchfluteten Stall. „Wir setzen seit einigen Jahren auf muttergebundene Kälberaufzucht“, erklärt Betriebsleiter Karl-Hermann Rist. Das bedeutet, dass die Kälber nicht – wie in der konventionellen Landwirtschaft oft üblich – bald nach der Geburt von den Muttertieren getrennt werden, sondern bei diesen aufwachsen und direkt von ihnen Muttermilch bekommen.
Diese Art der Haltung sei zwar schon im alten Stall praktiziert worden, jedoch sei dieser baulich eigentlich nicht dafür ausgelegt gewesen. Bei der Planung des neuen Stalls sei diesem Konzept dann direkt Rechnung getragen worden.
Hohe Investition muss sich rentieren
Rund 2,4 Millionen Euro habe der Bau gekostet, hinzu kommen noch die Baukosten für ein neues Betriebsleiter-Gebäude in direkter Nachbarschaft. Dort sind neben einer Wohnung auch zwei Einzelzimmer sowie Sozialräume für Azubis und Praktikanten untergebracht. „Wir hatten ursprünglich noch mit Bauzinsen in Höhe von einem Prozent geplant, am Ende sind es drei Prozent geworden“, erklärt Rascher. Das alles muss aus dem Betrieb erwirtschaftet werden. „Wir hoffen jetzt auf einen guten Milchpreis“, sagt Rascher.
Auf dem Erlenhof, beziehungsweise dem eigens gegründeten Neuhof, in dem die Milchproduktion eigens ausgelagert wurde, setzt man auf die Produktion von Heumilch. Die Kühe bekommen also nur frisches Gras und Heu zu fressen, keine Silage. Bei letzterem handelt es sich um Grünfutter, das durch Milchsäuregärung haltbar gemacht wird. „Geschmacklich macht das schon einen Unterschied“, sagen Rascher und Rist.
Bereits 2020 habe sich der Hof den Demeter-Heumilchbauern angeschlossen. Dabei handle es sich um einen Wirtschaftsverein aus 37 landwirtschaftlichen Betrieben mit kleiner Molkerei. „Wir vermarkten selbst über verschiedene Supermärkte“, erklärt Rascher. Aktuell bekomme man dadurch etwas mehr als den Preis für normale Bio-Milch. „Wir bräuchten eigentlich 10 Cent mehr, als der Bio-Preis beträgt. Aktuell bekommen wir nur 3 Cent mehr“, so Rascher.
Nicht alle Verbraucher sind bereit, mehr zu zahlen
Karl-Hermann Rist erklärt, woran das liegt: „Wir brauchen mehr Platz und haben durch die muttergebundene Kälberaufzucht weniger Milch im Tank. Dadurch können wir eine möglichst artgerechte Haltung gewährleisten. Die Verbraucher schätzen das zwar, sind aber nicht immer bereit, auch den entsprechenden Preis zu bezahlen.“
Auch wenn die hohen Baukosten eine Belastung für den Betrieb darstellen, sind Rascher und Rist froh, dass der Umzug nun gemeistert ist. Bereits vor fünf Jahren begannen die ersten Planungen für das große Neubauprojekt. „Die eigentliche Bauphase hat 16 Monate gedauert. Das war eine intensive Zeit“, sagt Oliver Rascher. Doch jetzt ist das meiste geschafft.
Der Stall soll viele Verbesserungen für Mensch und Tier mit sich bringen. So seien die Gänge breiter dimensioniert, damit die Tiere besser aneinander vorbeikommen. Der zusätzliche Platz sorge auch dafür, dass es nicht zu großen Rangkämpfen innerhalb der Herde komme. Es gebe mehr Tränken, mehr Bürstenplätze und die Liegeboxen sind so ausgestaltet, dass sich die Tiere aus dem eingestreuten Stroh bequeme Matratzen bauen können, erklären Rascher und Rist.
Der Stall ist zudem so ausgelegt, dass die Kühe einfacher zum Melken gebracht werden können. Und während im alten Stall noch große Flächen von Hand ausgemistet werden mussten, funktioniert dies im neuen Stall weitestgehend maschinell. „Heutzutage kann man einen solchen Stall fast komplett automatisieren. Aber gerade im Hinblick auf unsere Fachwerker-Ausbildung war es uns wichtig, dass man noch handwerklich tätig sein muss“, erklärt Karl-Hermann Rist.
Neue Pläne für alte Greiferhalle
Der alte Stall steht inzwischen leer, ein Teil davon soll aber schon bald anderweitig genutzt werden. Denn in der Greiferhalle, in der früher das Futter für die Kühe lagerte, soll schon bald der Obstbaubetrieb des Erlenhofs einziehen, der momentan noch in Räumlichkeiten in der Friedhofstraße eingemietet ist.