Einfach den Moment genießen, statt ständig am Smartphone zu hängen – das ist die Idee, die Anna und Waldemar Fribus seit einem Jahr verfolgen. Dafür haben sie spezielle Handytaschen entwickelt. Während Konzert- oder Clubbesuchen soll das Smartphone darin eingeschlossen werden. Aber auch in Schulen könnte ihre Erfindung genutzt werden. Denn eine Pisa-Studie zeigt: Je länger die Jugendlichen zum Zeitvertreib am Handy hängen, desto schlechter sind ihre Leistungen.
Wenig Stimmung in Clubs
Waldemar Fribus ist seit 20 Jahren nebenberuflich DJ und sei so auf die Idee gekommen. „In den letzten drei Jahren habe ich gemerkt, dass nicht so richtig Stimmung entsteht“, erzählt er. Die Menschen seien ständig von ihren Handys abgelenkt. Seit einem Jahr tüftelt er mit seiner Frau Anna Fribus daher an der Tasche. Denn die Clubkultur könne tolle Momente schaffen, ohne Ablenkung.
Dominik Dilger leitet das Top10 und den Erdbeermund in Singen und hat ähnliche Erfahrungen gemacht wie Waldemar Fribus. Auch er sagt, dass die Zeiten, in denen ohne Handy gefeiert wurde, die besseren waren. „Wenn jeder ständig am Handy hängt, dann ist es auch nicht so einfach, dass Stimmung aufkommt“, findet er. Daher findet er das Konzept des Ehepaares, einmal ganz ohne Ablenkung durch das Handy zu feiern, gut. Zwei Gespräche zwischen Dilger und dem Ehepaar für eine Veranstaltung im Top10, bei der die Handytasche zum Einsatz kommen soll, habe es auch schon gegeben. Es sei also gut möglich, dass es bald eine Party ohne Handy im Top10 geben wird.
Eine Studie der Techniker Krankenkasse von 2021 zeigt tatsächlich, dass knapp drei Viertel der Befragten privat eigentlich immer beziehungsweise mehrmals täglich online ist. Dabei spielt das Alter auch eine Rolle: 92 Prozent der 18- bis 33-Jährigen sind demnach mehrmals täglich beziehungsweise fast immer online. Bei den 34- bis 49-Jährigen sind es laut Studie noch 79 Prozent. Und in der Gruppe der 50- bis 65-Jährigen gaben 63 Prozent an, das Internet privat immer oder mehrmals täglich zu nutzen.
So funktioniert die Tasche
Die von Ehepaar Fribus entwickelte Handytasche besteht aus drei Teilen: Die Tasche selbst ist aus Kunstleder. Verschlossen wird sie mit einem Sicherheitsstift und einem Sicherheitsknopf. Am oberen Ende der Tasche wird der Stift durch eine Öse in den Knopf gesteckt.

Die Verbindung lässt sich danach nur noch mit einem starken Magneten lösen. So ist sichergestellt, dass die Tasche nicht vorher geöffnet und das Handy herausgeholt werden kann.
Patent für das Design
„Es gibt sicher technische Mittel, aber wir wollen etwas Analoges schaffen“, erzählt Waldemar Fribus. Die Idee sei simpel und leicht umzusetzen, aktuell näht Anna Fribus die Taschen zuhause selbst. Damit könnten viele Personen schnell ausgestattet werden – allerdings nicht, indem sie die Tasche einfach kaufen, denn die Macher wollen damit bei Veranstaltungen selbst vor Ort sein. Dann können sie den Besuchern beim Verpacken und Öffnen der Smartphones helfen. Für das Design habe das Ehepaar auch ein Patent angemeldet. Dieses gilt aber nicht für den Verschluss selbst.
Nicht nur in Clubs, auch bei Konzerten oder Kulturveranstaltungen können sie sich ihre Handytasche vorstellen. Denn gerade auf Konzerten werde sehr viel gefilmt. „Wir haben uns die Frage gestellt, ob die Menschen, die das filmen, sich das auch anschauen“, sagt Waldemar Fribus. Oft werde der Moment zwar auf dem Smartphone festgehalten, aber ohne ihn visuell aufzusaugen und die Emotion zu erleben.
Schulen handyfrei gestalten
Zielgruppe sind aber nicht nur Erwachsene. „Wir haben drei Kinder und wir sehen einfach, dass die Kinder sehr viel an den Handys sitzen und abgelenkt sind“, erzählt Anna Fribus. Deshalb ist ihnen der Einsatz in Schulen ein besonderes Anliegen – auch wenn es noch keine konkreten Gespräche zu einer Umsetzung gebe.
Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bestätigt, dass Smartphones in Schulen ein großes Thema sind: Laut dieser besitzen 70 Prozent der Schüler im Alter von zehn Jahren bereits eines. Zudem verbringen mindestens 80 Prozent der Teenager in Deutschland mehr als zwei Stunden am Tag im Internet.
Kein Verbot, sondern Eigenverantwortung
„Wir setzen bei den Schülern nicht auf Verbote, sondern auf Eigenverantwortung“, erklärt Waldemar Fribus. „Die Kinder sollen bewusst selbst die Tasche verschließen. Und sie können es trotzdem in der Hand halten, sie können es nur nicht öffnen“, so Anna Fribus. Ein Verbot würde wie ein Entzug wirken. Das bestätigt eine Pisa-Studie aus dem Jahr 2022: 32 Prozent der Jugendlichen sind nervös, wenn sie ihre digitalen Geräte nicht in der Nähe haben.
Zwar gebe es oftmals ein Handyverbot während des Unterrichts, dies gelte aber nicht während der Pausen. „Wir als Eltern finden das falsch. Gerade in den Pausen sollten die Kinder miteinander reden und miteinander spielen“, sagt Anna Fribus. Am Ende des Schultags solle ein Lehrer die Taschen dann öffnen. So soll mehr Ruhe in die Klassenzimmer gebracht werden.
Obwohl digitale Geräte Kindern viele Möglichkeiten bieten, zu lernen oder sich kreativ auszuleben, bergen sie auch einige Risiken. Laut der OECD-Studie zählen dazu reduzierte persönliche Interaktionen, der Kontakt mit schädlichen Inhalten und Verhaltensweisen. Außerdem sind negative Auswirkungen auf Schlaf, körperliche Aktivität und die allgemeine körperliche und geistige Gesundheit möglich.
Erste Veranstaltung im August
Das Ehepaar möchte in Zukunft selbst Digital-Detox-Veranstaltungen anbieten. Aber auch bei anderen Veranstaltungen werden sie vor Ort sein, etwa am 2. August in Dormettingen im Zollernalbkreis. Für weitere Veranstaltungen im Herbst sind sie bereits mit Clubs aus der Region im Gespräch.