Die Anwohner am Nellenburger Hang lassen nicht locker. Sie messen weiter Luftwerte und wollen wissen, was bei der Stockach Alu los ist. Sie sind davon überzeugt, dass der Gestank, der über die ganze Stadt weht, von dort kommt. Einige von ihnen haben Messgeräte – und sie seien nicht die einzigen in der Stadt, wie sie erzählen.

„Jeder Stockacher kennt das Problem“, sagt Agnes Thümmel. Selbst Bekannte in Hindelwangen würden davon sprechen. Ihr Nachbar Werner Hammon ergänzt: „Es betrifft viele, aber die Mehrheit schweigt.“ Und Arzt Tobias Bösing, der ebenfalls dort wohnt, vermutet, dass viele sich nicht beschweren, weil sie die Zusammenhänge nicht verstehen.

Ein Teil der Stockach Alu von der anderen Straßenseite aus.
Ein Teil der Stockach Alu von der anderen Straßenseite aus. | Bild: Löffler, Ramona

Werner Hammon, der beruflich auf demselben Sektor wie die Alu tätig war, glaubt, dass zwei Dinge in der Luft enthalten sind: Komponenten, die beim Gießprozess des Aluminiums entstehen und Partikel der übrigbleibenden Schlacke. So entstehe die Staubfracht in der Luft, die sie bläulich färbe.

Eigene Messstationen auf den Grundstücken

Die Software-Entwicklerin Agnes Thümmel hat die schlechte Luft bei der Bürgerversammlung angesprochen und beobachtet die Situation gemeinsam mit ihren Nachbarn. Die habe eine Messstation bei sich eingerichtet, um herauszufinden, was los sei.

Hinter den Bäumen an der L194 ist das Lager für die Aluminium-Schlacke.
Hinter den Bäumen an der L194 ist das Lager für die Aluminium-Schlacke. | Bild: Löffler, Ramona

Sie gibt ein Beispiel: Am 19. November habe es nachmittags einen traurigen Höchststand mit 400 Mikrogramm pro Kubikmeter bei PM10, also Partikel mit einem Durchmesser von 10 Mikrometern, gegeben. Auch PM2,5 sei mit 130 stark erhöht gewesen. Die Werte seien mehrmals pro Woche hoch. Das liege nicht am Verkehr, auch wenn das immer wieder als Argument angeführt werde. Sie finde es unverständlich, dass die Behörden nicht mehr tun.

„Ich bin wegen dem Kindergarten beunruhigt“, sagt sie. „Wenn wir hier oben schon so krasse Werte haben, möchte ich nicht wissen, wie es unten in der Stadt ist.“

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Untersuchung der Abluft wäre teuer

Werner Hammon weist auch auf Orsingen-Nenzingen hin. Man könne erahnen, welche Staubfracht dort ankommen müsse. Auch die Einwohner dort, mit denen er in Kontakt stehe, beklagten sich über den Gestank, der dem von faulen Eiern gleiche. Das komme vom Schwefelwasserstoff. „Uns würde interessieren, was in der Luftfracht an Substanzen drin ist“, sagt er. Solche Untersuchungen seien aber schwierig und teuer.

Tobias Bösing ergänzt, er habe die Stadtverwaltung schon vor langem gebeten, dies anzugehen, auch wenn es nicht so einfach sei, den Dunst zu untersuchen. Und die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) habe ihn an das Regierungspräsidium verwiesen. Man habe seinen Sensor degradiert, er sei aber extra an der LUBW-Station in Konstanz gewesen, um sein mobiles Messgerät damit abzugleichen. Dort habe er den Beweis für das korrekte Funktionieren gesehen. Er kritisiert, dass die Anwohner ständig belegen müssten, was sie tun, aber nicht ernst genommen würden.

Der Schornstein der Alu transportiert Abluft der Schmelzöfen, die gefiltert werden.
Der Schornstein der Alu transportiert Abluft der Schmelzöfen, die gefiltert werden. | Bild: Löffler, Ramona

Kratzen im Hals und tränende Augen

Tobias Bösing beschreibt: „Es ist immer dasselbe: Es zieht eine blaue Wolke über die Stadt. Meine Patienten klagen über ein Kratzen im Hals, tränende Augen und vieles mehr.“ Als sich dies immer mehr gehäuft habe, habe er sich einen Handsensor gekauft und die ersten Messungen begonnen. Dann sei die feste Messstation dazu gekommen. Er habe Messwerte und fotografische Dokumentationen gesammelt, um die Verantwortlichen darauf hinzuweisen.

Die PM10-Partikel blieben im Körper hängen, erklärt er. Kinder würden pro Kilo sogar noch mehr aufnehmen, als Erwachsene. Feinstaub verursache Erkrankungen und führe zu einer Steigerung der Sterblichkeit. „Wir wollen wissen, welcher Prozess bei der Alu abläuft und warum das nicht durch die Filter geht“, fasst er zusammen. Die Nachbarn sehen dies gleich. „Man müsste mal den Dampf der Alu analysieren“, sagt Hammon.

Die Anwohner ärgern sich, dass immer alles bagatellisiert oder auf den Verkehr geschoben werde. Bösing habe das Regierungspräsidium angeschrieben, aber nur die Antwort erhalten, dass die Werte am Kamin im Normbereich seien. Er und die Nachbarn glauben aber, der Gestank und die Partikel kämen nicht dort heraus, wo am Kamin gemessen werde. Bösing fügt hinzu: „Das Regierungspräsidium misst nicht das, was wir ansprechen.“ Er frage sich, was normale Bürger noch alles tun müssten. Er und seine Nachbarn seien sogar am Überlegen, selbst ein Massenspektrometer zu bestücken.

Die drei betonen: Keiner wolle die Alu vergraulen, aber das Problem mit dem Dunst müsse angegangen werden. Bösing zieht einen Vergleich: Rauchen könne ja erlaubt sein, aber man dürfe den Rauch nicht anderen ins Gesicht blasen.

Hier handelt es sich laut Geschäftsführer Markus Wild um Wasserdampf.
Hier handelt es sich laut Geschäftsführer Markus Wild um Wasserdampf. | Bild: Löffler, Ramona

Aber was genau kommt auf dem Alu-Gelände eigentlich wo heraus?

Im Vorbeifahren sind neben dem großen rot-weißen Kamin weitere Stellen zu sehen. Auf SÜDKURIER-Anfrage gibt Geschäftsführer Markus Wild Einblicke. Die Produktionsprozesse würden mit 900 bis 1000 Grad Celsius arbeiten, so dass beim Aluminium-Gießen schockgekühlt werden müsse. Die Walzbarren-Kokille (Gießform), in der sich das Metall befinde, werde mit Wasser umspült. „Dabei verdampft ein Teil des Wassers“, sagt Wild.

Geschäftsführer Markus Wild von Stockach Aluminium GmbH
Geschäftsführer Markus Wild von Stockach Aluminium GmbH | Bild: Freißmann, Stephan

Es handle sich um reines Kühlwasser, das dann auf dem Dach schräg links hinter der Einfahrt auf das Gelände als Wasserdampf sichtbar werde. Auch aus einem silbernen Turm auf der anderen Seite des Geländes kommt weißer Rauch. Es handle sich um einen Verdampfungsturm, so Wild. Dort gebe es eine Überdrucksteuerung und es trete ebenfalls reiner Wasserdampf aus. Dies geschehe acht bis zehn Mal pro Tag für etwa 45 Minuten, wenn gegossen und gekühlt werde.

„Aus dem großen Kamin kommen die Abgase aus den Schmelzöfen“, erläutert Wild weiter. „Eine Absaugung nimmt die Luft in den Öfen und davor auf.“ Dies gehe dann durch eine Filteranlage nach außen. Nach der Filteranlage befinde sich ein Messgerät. Zur Rauchfahne erläutert er, diese entstehe durch Kondensation ein Stück über dem Kamin und sei bei Kälte deutlicher. Die Emissionen selbst seien eigentlich farblos. Der Rauch werde nur durch das kondensierende Wasser sichtbar.