Werner Hammon ist sauer. Seit Jahren beobachtet er als Anwohner am Nellenburger Hang, wie zyklisch ein blaugrauer Dunst heraufziehe. Seit Jahren rieche er, wie es stinke. „Das kommt von Alu Stockach“, da ist sich Hammon sicher. „Das ist der Geruch von aufbereitetem Aluminium-Schrott.“ Und seit Jahren habe er das Gefühl, dass das Unternehmen zu wenig überprüft werde.

„Die spüren keinerlei Druck seitens der Stadt oder Regierungspräsidiums.“ Auch in der Einwohnerversammlung kam von Seiten einer Bürgerin Kritik an der Stockach Alu auf. Hammon hat sich deshalb an den SÜDKURIER gewandt. Er will das Thema Feinstaub wieder ins Bewusstsein der Stockacher rücken. Und sich dabei auch – eigentlich – gar nicht aufregen.

Bild 1: „Wir haben eine dreckige Stadt“: Anwohner übt Kritik an der schlechten Luft um Alu Stockach
Bild: SK

Aber es frustriere ihn schon, dass sich trotz seiner Bemühungen so gar nichts ändert. Denn: Hammon und seine Nachbarn hätten schon einiges unternommen. „Wir haben den Kontakt zur Stadt und zum Regierungspräsidium gesucht, die schieben die Verantwortung von sich“, sagt er. „Und wir haben die Feinstaub-Belastung selbst gemessen.“

Feinstaub und seine Messungen

Der Feinstaub wird weltweit in zwei unterschiedliche Größen unterteilt, nämlich in PM10, Partikel mit einem Durchmesser von 10 Mikrometer, und in PM2,5 – Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 2,5 Mikrometer. Und bei der kleineren Größe sehe Hammon in privaten Messungen oft Werte, die 50 Mikrogramm pro Kubikmeter überschreiten würden – das liegt über den europaweiten Grenzwerten.

Der Feinstaub, seine Wirkung und die europaweiten Grenzwerte

„Wir haben eine dreckige Stadt“, sagt Hammon darum. Doch: Ist wirklich Stockach Aluminium GmbH oder die mit ihr verbundene AS Oxidwerke GmbH dafür verantwortlich? Gibt es auf die hohen Werte nicht auch andere Einflüsse? Den Straßenverkehr etwa? „Die gibt es“, meint er. „Aber wir sehen ja, wo der Dunst herkommt. Und unsere Messungen zeigen, dass die Feinstaub-Belastung in periodischen Abständen auftritt – immer so, als sei gerade ein Produktionszyklus fertig.“

Doch ist die Situation wirklich so dramatisch?

Das zuständige Regierungspräsidium (RP) in Freiburg sieht das etwas anders. Auf SÜDKURIER-Nachfrage heißt es vom RP: „Uns liegen Messwerte von wiederkehrenden Emissionsmessungen am Zentralkamin von Stockach Alu vor und Emissionswerte der kontinuierlichen Überwachungen am Zentralkamin. Der Grenzwert für Feinstaub wurde emmissionsseitig immer eingehalten.“

Für die Überwachung der Luftqualität sei auch nicht das RP, sondern die Landesanstalt für Umwelt (LUBW) zuständig – und die führe Prognoserechnungen durch, die sich nicht auf die Emission (Ausstoß), sondern auf die Immission, also die Einwirkung des Feinstaubs auf die Umwelt, beziehen. „Für Stockach haben sich dabei keine Hinweise auf ein erhöhtes Immissionsniveau für ergeben“, schreibt das RP.

Zu verschiedenen Tageszeiten werden Wasserdämpfe bei der Alu Stockach abgelassen. Hier die Blickrichtung auf die Alu vom Industriegebiet ...
Zu verschiedenen Tageszeiten werden Wasserdämpfe bei der Alu Stockach abgelassen. Hier die Blickrichtung auf die Alu vom Industriegebiet Hardt aus mit Stockach im Hintergrund. | Bild: Löffler, Ramona

Warum die LUBW keine Messungen macht

Wie die LUBW bestätigt, gibt es in Stockach keine Messungen durch die Landesanstalt. Dafür fehle es der LUBW schlicht an Kapazitäten. Bei den Prognoserechnungen handele es sich um Prognosen, die eigentlich für das Jahr 2020 und für ganz Baden-Württemberg aufgestellt worden seien. Aktuellere gebe es nicht.

Die Einfahrt zur Stockach Alu im Frühling 2021.
Die Einfahrt zur Stockach Alu im Frühling 2021. | Bild: Löffler, Ramona

In die Prognosen seien die gemeldeten Emissionsdaten von bestehenden Anlagen, etwa auch der Stockach Alu, und aus dem Autoverkehr mit eingeflossen sowie die Immissionsdaten aus dem Jahr 2010.

Daraus habe sich für das ganze Land eine Karte in der Auflösung von 500 Meter mal 500 Meter ergeben – die im Abschnitt Stockach einen prognostizieren Wert von 10 bis 20 Mikrogramm pro Kubikmeter bei einer Feinstaub-Belastung von PM10 ergab. Also einen deutlichen geringeren als den, den Hammon aus Messungen in der Nachbarschaft am Nellenburger Hang nennt.

Warum die LUBW die Messungen der Anwohner als unzuverlässig einschätzt

„Schon im Herbst 2019 haben wir Messdaten von Stockacher Bewohnern erhalten“, sagt Tatjana Erkert, Sprecherin der LUBW. Das Problem: „Damals wurde ein Messgerät verwendet, dass nur Momentan-Werte darstellt und keine Mittelwertsbildung ermöglicht.“

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Klingt kompliziert, ist es aber nur bedingt. Weil die Feinstaubkonzentration über einen langen Zeitraum eine hohe Variabilität ausweist, also völlig unterschiedlich sein kann, müsse ein Mittelwert gebildet werden, der dann anzeigt, ob Grenzwerte überschritten werden.

Was die Stockach Alu zum Thema und den Vorwürfen sagt

Geschäftsführer Markus Wild zeigt sich auf SÜDKURIER-Anfrage offen. Er würde es sogar begrüßen, wenn Land oder Stadt die Luftqualität über einen längeren Zeitraum beobachten würden. Etwa durch eine andauernde Messstation. „Das könnte die Diskussion erheblich versachlichen“, sagt er. Denn: Die Kurzfrist-Messungen der Anwohner hält er für ungeeignet.

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„Es gibt eine Vielzahl von Feinstaub Quellen: Motoren, Bremsabrieb, Feinstaub durch Bauarbeiten.“ Einen genauen Verursacher zu ermitteln, sei mit dieser Methode kaum möglich. Zumal laut Wild bei behördliche Messungen im Betrieb, im vergangenen Jahr etwa, gar kein Feinstaub der Größe PM2,5 oder PM10 nachgewiesen werden konnte.

Wie Stadt und Land zu einer Messstation stehen

Während das RP wieder auf die LUBW verweist und diese aus Kapazitätsgründen eine Messstation nicht übernehmen will, verweist die Stadt auf eine Gemeinderatsrats-Entscheidung. Denn: In der Vergangenheit habe das Land eine Messreihe von der Übernahme der entstehenden Kosten abhängig gemacht.

„Wir müssen von einem Betrag von mehr als 100.000 Euro ausgehen“, schreibt Bürgermeister Rainer Stolz. Zur Übernahme der Kosten sei der Gemeinderat aber nicht bereitgewesen. Auch: Seien der Stadt keine Auffälligkeiten bei Stockach Alu bekannt.