Ein halbes Jahrhundert ist die Vertragsunterzeichnung her, doch Alt-Bürgermeister Franz Ziwey erinnert sich noch gut an die Anfänge der Städtepartnerschaft von Stockach mit La Roche-sur-Foron. Der 89-Jährige erzählt, er habe den Tipp für die Stadt von Günter Klein erhalten und dieser wiederum von seinem Vater Josef Klein. Der wohnte in Spaichingen, wo Ziwey bis zu seinem Amtsantritt als Bürgermeister im Dezember 1969 Stadtkämmerer gewesen war. Spaichingen hatte damals bereits eine französische Partnerstadt, die ebenfalls in der Region Haute-Savoie lag.

370 Kilometer trennen die Städte

Eine Delegation des Stockacher Gemeinderats fuhr in die rund 370 Kilometer entfernte Stadt. Ziwey sagt: „Dort waren wir sofort überzeugt. La Roche war etwa gleich groß wie Stockach, hatte ähnliche Schulen und Vereine, das passte.“ Wichtig sei der Delegation gewesen, dass La Roche ein Gymnasium hatte. Franz Ziwey erklärt: „Das war uns wegen der Schüleraustausche wichtig. Günter Klein war Lehrer am Gymnasium in Stockach.“

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Im März 1972 machte Ziwey laut einem Bericht des SÜDKURIER im Gemeinderat klar, dass die Städtepartnerschaft eine Einrichtung sei, die nicht nur von den Verwaltungen der beiden Städte getragen werden dürfe. Sie könne nur Bestand haben, wenn die Bestrebungen von der Bevölkerung, insbesondere von den Vereinen und Organisationen, tatkräftig unterstützt würden. Auch die Mitarbeit führender Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sei unabdingbar. Der Bürgermeister warb auch bei der Bevölkerung für die Mitarbeit in einem Partnerschaftsrat und sagte, die Partnerschaft sei keine Angelegenheit der Verwaltung, sondern aller Bürger, denen die Völkerfreundschaft am Herzen liege.

Unterzeichnung am Schweizer Feiertag

Während des Schweizer Feiertags war es schließlich soweit: Damals besuchte eine französische Delegation mit über 200 Personen am 17. und 18. Juni 1972 Stockach. Zunächst fand ein Empfang vor dem Rathaus statt, das Jugend-Blasorchester Stockach spielte. Ein Festumzug zog vom Rathaus zur Handelsschule, wo der Festakt mit der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde vollzogen wurde. Anschließend wurde der ehemalige, neu gestaltete Viehmarktplatz an der Straßenkreuzung Am Bildstock/Zoznegger Straße offiziell in La Roche Platz umbenannt. Tennis-Freundschaftsspiele, ein Heimatabend im Festzelt mit anschließendem Tanz sowie der Besuch des Vergnügungsparks folgten.

Der nächste Tag begann um sechs Uhr mit Böllerschüssen und Wecken durch den Fanfarenzug Münchhöf-Homberg. Nach der Kranzniederlegung zur Totenehrung am Denkmal durch Jean Morin, Bürgermeister von La Roche-sur-Foron, und seinen Stellvertreter Albert Clavel, Franz Ziwey und Stadtrat Johannes Röhrenbach, fand im Festzelt ein Gottesdienst statt – teils in deutscher, teils in französischer Sprache. Die Stadtkapelle Stockach und der Kirchenchor Stockach umrahmten ihn. Nach dem Frühschoppenkonzert der Stadtkapellen Stockach und La Roche folgte ein Fußballspiel des VfR Stockach gegen die Sportvereinigung La Roche, bevor am späten Nachmittag die Verabschiedung der Gäste stattfand, bei der nach SÜDKURIER-Artikeln manche Träne floss.

Umbenennung des ehemaligen Viehmarktplatzes in La Roche Platz. Die damaligen Bürgermeister Franz Ziwey (links) und Jean Morin enthüllen ...
Umbenennung des ehemaligen Viehmarktplatzes in La Roche Platz. Die damaligen Bürgermeister Franz Ziwey (links) und Jean Morin enthüllen die Stele mit dem Stadtwappen der Partnerstadt. | Bild: Archiv Franz Ziwey

In Frankreich wird ein Platz nach Stockach benannt

Beim Gegenbesuch am 24. und 25. Juni in La Roche wurden 240 Teilnehmer aus Stockach herzlich begrüßt. Dem Empfang im großen Messerestaurant folgte die Benennung des Stockacher Platzes. Beide Stadtkapellen spielten den Savoyer Marsch und die Nationalhymne des anderen Landes, dann fand die Kranzniederlegung am Ehrenmal auf dem Rathausplatz statt.

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Beide Städte hatten zuvor beschlossen, Geld für ein benachteiligtes Land zu spenden. Daher kam es zur Scheckübergabe im Wert von 4000 Mark an Vertreter des Sozialkomitees zur Finanzierung eines Entwicklungshilfeprojekts im afrikanischen Staat Obervolta. Der Erzbischof von Obervolta war im Festgottesdienst anwesend. Außerdem waren Rückspiele im Tennis und Fußball angesetzt. Dabei musste improvisiert werden: Auf dem Platz liefen die Stockacher Fußballer mit rasch gekauften Hosen und Trikots der zweiten Mannschaft von La Roche auf, da die eigenen im Bus eingeschlossen waren und der Fahrer nicht erreichbar war.

Beim Gegenbesuch in La Roche-sur-Foron fand die Kranzniederlegung beim Ehrenmal auf dem Rathausplatz statt.
Beim Gegenbesuch in La Roche-sur-Foron fand die Kranzniederlegung beim Ehrenmal auf dem Rathausplatz statt. | Bild: Archiv Franz Ziwey

Partnerschaftsfeiern müssen warten

Franz Ziwey bedauert, dass nun die Partnerschaftsfeiern anlässlich des Jubiläums der Städtepartnerschaft abgesagt werden mussten. Begründet wurde die Absage von Seiten der Stadt La Roche mit Spannungen im dortigen Gemeinderat. Kürzlich fanden Neuwahlen statt. Auch die für Oktober geplante Feier in Stockach wurde daraufhin verschoben. Beide Termine sollen im kommenden Jahr nachgeholt werden.

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Bürgermeister Rainer Stolz sieht in einer Städtepartnerschaft grundsätzlich einen Gewinn für ein Gemeinwesen und die darin lebenden Bürger. Die Partnerschaft mit La Roche sei in den ersten Jahrzehnten sehr lebendig und von reichlich gegenseitigen Besuchen geprägt gewesen. Im Laufe der fünf Jahrzehnte hätten sich die Initiatoren und Unterstützer dieser partnerschaftlichen Verbindung jedoch mehr und mehr aus Altergründen zurückgezogen.

Die Partnerschaft lebt noch immer

Rainer Stolz stellt fest: „Bei manch einem der damals sehr aktiven Vertreter dieser tollen Stadt im Hoch-Savoyen musste ich zwischenzeitlich bei der Bestattung zugegen sein. Gleichwohl lebt diese Städteverbindung nach wie vor.“ Ein ganz wesentlicher Baustein dieser Partnerschaft sei der Schüleraustausch. Dieser werde gepflegt und sorge dafür, dass zahlreiche Schüler nicht nur die jeweilige Landessprache besser erlernten, sondern dadurch auch einen anderen Blick auf die Nachbarn und zuweilen auch auf sich selbst bekämen. Diese Bedeutung sei unverändert zentral und wichtig. Inzwischen nehmen neben Schülern des Nellenburg-Gymnasiums auch Schüler vom Schulverbund Nellenburg am Austausch teil.