Auch wenn Corona die Nachrichtenlage in den vergangenen zwei Jahren dominiert hat, bleibt auch der Klimaschutz ein Punkt, der viele Menschen bewegt. Ein besonderer Fokus liegt in diesem Zusammenhang auf dem Bereich Verkehr und auf der Frage, wie dieser in Zukunft insgesamt klimafreundlicher werden kann. Um zumindest für den Stockacher Raum Antwortmöglichkeiten zu finden und Denkanstöße zu geben, hat sich der Runde Tisch Mobilität online zu einer weiteren Sitzung getroffen.
Hauptredner war Verkehrsplaner Reiner Neumann. Er beschäftigt sich tagtäglich mit seinem Büro mit Fragen der Mobilität. Bevor es dabei um die Zukunft gehen kann, muss zunächst die gegebene Situation betrachtet werden. Das soll in Stockach noch dieses Jahr erfolgen, berichtete Neumann. Ein entsprechender Auftrag sei so gut wie in trockenen Tüchern. Bei der Bewertung der aktuellen Verkehrssituation spiele der Modal-Split eine große Rolle, machte Neumann in seinem Vortrag deutlich.
Durchschnittlich vier Wege pro Tag
Aber worum geht es dabei überhaupt? „Durchschnittlich legen wir alle täglich vier Wege zurück“, erklärte Neumann. Beim Modal-Split geht es um die Frage, wie diese Wege zurückgelegt werden, also zu Fuß, mit dem Fahrrad oder ÖPNV oder mittels motorisiertem Individualverkehr (MIV) also beispielsweise mit dem Auto. „Mir als Verkehrsplaner wird schummerig, wenn ich sehe, wie viele Kurzstrecken noch immer mit dem Auto gefahren werden“, betonte er. Beim Weg zur Arbeit trifft das häufig noch immer auf rund 70 Prozent der Wege zu.
Es gibt positive Beispiele
Aber: Verschiedene Stellschrauben können Neumann zufolge beeinflussen, wie die Verteilung auf die unterschiedlichen Mobilitätsformen in einer Stadt oder einer Region aussehen. Wenn Rad- und Fußwege etwa nicht in sich konsistent oder in einem schlechten Zustand seien, dann sei es für die Menschen weniger attraktiv ihre Wege mit dem Fahrrad zurückzulegen. Baue man entsprechende Wege aus, schaffe ausreichend Abstellmöglichkeiten und Querungshilfen an den entscheidenden Stellen, dann werde der Anteil des Radverkehrs im Modal-Split ansteigen. Gleiches könne man im ÖPNV durch eine engere Taktung und eine Digitalisierung des Auskunfts- und Ticketangebots erzielen, erläuterte Neumann.
Gute Erfahrungen habe man aufgrund solcher Untersuchungen bereits andernorts gemacht, betonte er. So habe etwa die Stadt Langenau bei Ulm in Zeitraum von zehn bis zwölf Jahren den Fahrradanteil in ihrem Modal-Split von zehn auf 26 Prozent steigern können, berichtete Neumann. Dies sei durch einen konsequenten Ausbau des Radwegenetzes, eine Verbesserung der Schulwege und die Schaffung guter Verbindungen zwischen den Attraktionen der Stadt gelungen. Auch wenn es im Winter in diesem Bereich eine hohe Rückfallquote gebe, wertet Neumann dies als vollen Erfolg. „Es macht Sinn, in diese Bereiche zu investieren“, sagte er.
Auch eigener ÖPNV könnte ein Thema werden
Insgesamt gebe es viele verschiedene Maßnahmen, die dazu führen können, dass sich der Modal-Split für eine Stadt zugunsten von umweltfreundlicher Mobilität verschiebt. Auf Nachfrage aus der Runde betonte Neumann, dass eine Stadt mit einem Kernstadtbereich von rund 10.000 Einwohnern sich auch Gedanken über einen eigenen ÖPNV machen könne. Die Untersuchungen zum Modal-Split sollen in diesem Jahr noch stattfinden. Der erste Schritt dazu sei dann eine Bürgerbefragung. „Ich gehe davon aus, dass wir den Modal-Split für Stockach dann noch bis Ende des Jahres vorlegen können“, so Neumann. Er wolle von jetzt an auch regelmäßig beim runden Tisch Mobilität dabei sein, kündigte er an.