Der frühe Vogel fängt den Wurm, heißt es sprichwörtlich. Den acht Helfern der Freiwilligen Feuerwehren Bodman-Ludwigshafen, Wahlwies und Espasingen geht es allerdings bei ihrem Einsatz am frühen Morgen nicht ums Fangen, sondern ums Retten. Gemeinsam mit den Wildtierschützern Rüdiger Lempp und Elko Pfaff versuchen sie, mit einer Drohne junge Rehkitze im hohen Gras der Wiesen, die später am Tag gemäht werden sollen, aufzuspüren.

Sie legen viele Schritte durchs dichte Gras zurück und freuen sich am Ende, dass sie auf den Flächen des Pestalozzi Kinder- und Jugenddorfs zwei Kitze finden und in Sicherheit bringen können. Anschließend fahren sie weiter nach Mühlingen. Eine zweite Gruppe ist zeitgleich am Dornsberg bei Eigeltingen unterwegs.

Interesse der Landwirte ist groß

Nach der längeren Regen- und Kältephase wollen die Landwirte nun das trockene Wetter nutzen und ihre Wiesen mähen. Die Wildtierschützer seien nahezu von Anrufern überrannt worden, erzählt Rüdiger Lempp. Sie wenden sich dann an die Rehrettung, ob deren Helfer Zeit haben, die Flächen kurz vor der Mahd zu untersuchen. Beim Durchkämmen der Wiesen zu Fuß könnten die Kitze leicht übersehen werden, deshalb kommen hier inzwischen Drohnen zum Einsatz.

Samstagmorgen, 4.30 Uhr am Rand einer großen Wiese zwischen Wahlwies und Espasingen: Sebastian Strobel, Rüdiger Lempp, Lukas Auer und ...
Samstagmorgen, 4.30 Uhr am Rand einer großen Wiese zwischen Wahlwies und Espasingen: Sebastian Strobel, Rüdiger Lempp, Lukas Auer und Lisa Bühler (von links) beobachten gespannt die Bilder, die die Drohne mit ihrer Wärmebildkamera liefert. Ganz junge Kitze finden sie auf der ersten Wiese des Tages nicht. | Bild: Claudia Ladwig

Um 4.30 Uhr ist es noch stockfinster. Die Wärmebildkamera der Drohne spürt jedoch gleich mehrere Stellen auf, zu denen die Helfer unter Anleitung per Funk aufbrechen. Sie treffen auf erwachsene Rehe, die wegspringen. Auch Kitze, die ein gewisses Alter haben, flüchten bei Gefahr. „Die stehen dann auch bei einem Traktor mit Mähwerk auf und laufen weg“, sagt Lempp. Ganz junge Kitze blieben dagegen liegen, wenn Gefahr drohe und vertrauten auf ihre Tarnung. „Das ist gefährlich, sie werden oft vermäht“, so Lempp.

Die Drohne nach der Landung. Sie transportiert je nach Einsatz eine Wärmebild- oder eine normale Kamera.
Die Drohne nach der Landung. Sie transportiert je nach Einsatz eine Wärmebild- oder eine normale Kamera. | Bild: Claudia Ladwig

Für die Kameraden der Feuerwehr ist der Drohneneinsatz in doppelter Hinsicht gut. Niklas Petermann, der ebenso wie Matthias Meichle Ausbilder der Drohneneinheit ist, sagt: „Wir unterstützen damit die Rehrettung Hegau-Bodensee. Denen hilft es und für uns ist es eine gute Übung.“ Die Drohne gehört dem Landkreis Konstanz, sie ist in Espasingen stationiert. Vier der heutigen Helfer machen eine Ausbildung zum Drohnenpiloten, die zwei anderen gehen mit ins Feld.

Elko Pfaff (v.l.), Hans Wiggenhauser, Lisa Helbling, Matthias Meichle und Leonie Hauser sind auf Ansagen per Funk angewiesen, um ...
Elko Pfaff (v.l.), Hans Wiggenhauser, Lisa Helbling, Matthias Meichle und Leonie Hauser sind auf Ansagen per Funk angewiesen, um versteckte Tiere aufzuspüren. | Bild: Claudia Ladwig

Der Temperaturmelder der Drohne kann individuell eingestellt werden, sodass er mehr oder weniger sensibel auf Temperaturunterschiede reagiert und ein Signalton am Bildschirm erklingt. Schon ein Maulwurfshügel ist beispielsweise wärmer als die übrige Wiese. Auf dem Display der Fernbedienung erkennt der Pilot eine GPS-Karte und die Flugbahn der Drohne. Jede Fläche wird in 60 bis 70 Metern Höhe linear abgeflogen.

Mittlerweile ist es 5.30 Uhr, es ist taghell. Lisa Helbling (von links), Sebastian Strobel, Lisa Bühler, Leonie Hauser, Lukas Auer, Hans ...
Mittlerweile ist es 5.30 Uhr, es ist taghell. Lisa Helbling (von links), Sebastian Strobel, Lisa Bühler, Leonie Hauser, Lukas Auer, Hans Wiggenhauser, Matthias Meichle und Niklas Petermann beobachten die Drohne und warten auf erste Sucherfolge. | Bild: Claudia Ladwig

Am Vortag haben die Wildtierschützer Holzstecken aufgestellt, an denen Plastiksäcke befestigt wurden. „Das hat man früher schon so gemacht, bevor die Drohnen kamen“, berichtet Rüdiger Lempp. Er erklärt: „Die Rehgeißen verstecken sich in Wald oder Gebüsch, aber ihre Kitze legen sie in der Wiese ab. Alle paar Stunden säugen sie ihre Kleinen. Dann verziehen sie sich, um kein Raubwild anzulocken.“

Am Vortag haben die Wildtierschützer Rüdiger Lempp und Elko Pfaff an mehreren Stellen auf den Wiesen Stöcke aufgestellt, an denen sie ...
Am Vortag haben die Wildtierschützer Rüdiger Lempp und Elko Pfaff an mehreren Stellen auf den Wiesen Stöcke aufgestellt, an denen sie große Plastiktüten befestigt haben. Die Rehgeißen erkennen einen Fremdkörper in der Wiese und holen ihre dort abgelegten Kitze in den Wald, wo sie in Sicherheit sind. Allerdings gewöhnen sich die Tiere schnell an die flatternden Störenfriede, die sie dann als gefahrlos einstufen. | Bild: Claudia Ladwig

Wenn die Rehgeißen die Plastiksäcke erblicken, merken sie, dass etwas nicht stimmt. Sie nehmen ihre Kitze mit und legen sie woanders ab. „Das klappt relativ gut, deshalb ist hier vielleicht gar kein Kitz mehr drin.“ Allerdings gewöhnen sich die Rehe schnell an den Anblick der Plastiksäcke und verlieren die Angst.

Die Drohne hat Tiere ausgemacht, jetzt startet der Suchtrupp durch die hohe Wiese Richtung Waldrand. Aber hier treffen sie nur auf ...
Die Drohne hat Tiere ausgemacht, jetzt startet der Suchtrupp durch die hohe Wiese Richtung Waldrand. Aber hier treffen sie nur auf Kitze, die schon größer sind und davonspringen. Auch ein Hase hoppelt ihnen vor die Füße. | Bild: Claudia Ladwig

Inzwischen ist es 5.30 Uhr und schon fast hell. Im Bereich der zweiten Wiese wurden im letzten Jahr fünf Kitze beim Mähen getötet, erinnern sich die Wildtierschützer. Umso größer ist die Hoffnung, hier junge Tiere zu finden.

Lukas Auer (von links) aus Espasingen, Hans Wiggenhauser aus Bodman und Niklas Petermann aus Wahlwies bedienen die Drohne, Elko Pfaff ...
Lukas Auer (von links) aus Espasingen, Hans Wiggenhauser aus Bodman und Niklas Petermann aus Wahlwies bedienen die Drohne, Elko Pfaff betrachtet den Bildschirm. | Bild: Claudia Ladwig

Elko Pfaff sagt: „Das ist der erste Ernteschock fürs Wild in diesem Jahr.“ Er sei jedoch froh, dass die Landwirte wegen des Wetters später dran seien als sonst. „Jetzt sind viele Kitze hier schon mobil – das kann nachher in Mühlingen aber ganz anders sein.“

Dann kommt plötzlich Jubel auf: zwei Funde: auf dem Bildschirm ist ein junges Rehkitz zu sehen. Sebastian Strobe hebt es vorsichtig hoch ...
Dann kommt plötzlich Jubel auf: zwei Funde: auf dem Bildschirm ist ein junges Rehkitz zu sehen. Sebastian Strobe hebt es vorsichtig hoch und bringt es im nahen Wald in Sicherheit. | Bild: Claudia Ladwig

Dann plötzlich jubeln die Beobachter: Zwei Kitze liegen vor ihnen. Vorsichtig nehmen sie sie auf und bringen sie in Sicherheit. Die Mütter werden sie anhand ihrer Schreie später mühelos wiederfinden.

Bei ihrer Rückkehr zum Feuerwehrauto strahlen Leonie Hauser (von links), Sebastian Strobel, Lisa Helbling, Lisa Bühler und Rüdiger ...
Bei ihrer Rückkehr zum Feuerwehrauto strahlen Leonie Hauser (von links), Sebastian Strobel, Lisa Helbling, Lisa Bühler und Rüdiger Lempp: Das frühe Aufstehen hat sich gelohnt. | Bild: Claudia Ladwig

Matthias Meichle freut sich mit den anderen und ist erleichtert: „Ich war richtig nervös, als die ersten Anfragen kamen. Erst letzte Woche kam die zweite Drohne. Diese Einsätze machen uns auch fit für den Ernstfall der Menschenrettung.“

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Elko Pfaff lobt: „Es ist eine super Sache, dass ihr hier mithelft, vielen Dank. Die beiden Kitze wären ohne unseren Einsatz mit absoluter Sicherheit beim Mähen ums Leben gekommen.“ Die Bilanz des Tages kann sich sehen lassen: An diesem Tag retten die Helfer 18 Rehkitze.