Diese Bilder bleiben im Kopf: Rehe, die sich in Zäunen verfangen haben und qualvoll verenden oder von ihrem Leid erlöst werden müssen, nachdem sie vermutlich von freilaufenden Hunden gehetzt worden sind. Der amtliche bestätigte Wildtierschützer Elko Pfaff aus Wahlwies appelliert daher an alle Hundebesitzer, sich nur auf den offiziellen Wegen aufzuhalten und ihre Tiere an der Leine zu führen. Eine Leinenpflicht in und um den Ort, wie sie beispielsweise im Osterholz in Stockach gilt, wäre für ihn als letzte Konsequenz auch denkbar.

Jährlich sterben zehn bis 15 Rehe
Seit Beginn des Jagdjahres am 1. April beklagen Pfaff und sein Wildtierschutz-Kollege in der Nähe von Wahlwies bereits vier tote Rehe. In zwei Fällen haben sie Anzeige erstattet. Pro Jahr kämen etwa zehn bis 15 Tiere zu Tode und die Dunkelziffer sei hoch, sagen die Jäger. „Aus Sicht des Wildes sind Hunde Raubtiere. Ein Reh reagiert hochpanisch, springt weg, dann kommt irgendwann der nächste Zaun. In seiner Panik sieht es diesen nicht und springt hinein. Der Hund ist hintendran und hat es – oder es wird durch den Aufprall im Zaun schwer verletzt“, beschreibt Elko Pfaff das mögliche Szenario.
Oberstes Gebot: Auf dem Weg bleiben
Er stellt fest, dass die Freizeitaktivitäten an der frischen Luft stark zunehmen. „Spazierengehen, den Hund ausführen, Geocaching, Mountainbiking – jeder will raus und die Natur genießen. Wir haben vollstes Verständnis dafür, es darf nur nicht auf Kosten der Natur und der Wildtiere gehen.“ Die Wildtierschützer haben deshalb an verschiedenen Stellen Schilder und Schaukästen aufgestellt, die darauf hinweisen, die Natur in geordneten Bahnen zu nutzen.
Es gilt in der Brut- und Setzzeit ein Wegegebot
Pfaff erklärt: „Es gibt ganz viele Einsichtige, die loben wir auch. Aberes gibt leider auch ein paar wenige Uneinsichtige, die meinen, sie dürften alles.“ Prinzipiell herrsche während der Brut- und Setzzeit von April bis Mitte Juli ein Wegegebot. „Da haben Menschen und Hunde nichts auf landwirtschaftlichen Flächen, in Obstanlagen oder am Bach abseits der Wege verloren.“
Auch aufgrund der Corona-Situation suchten die Menschen jedoch Abstand, gingen eigene Wege, auf denen sie allein unterwegs seien. „Was sie damit anrichten, ist den meisten nicht bewusst. Es gibt im Frühling aufgrund noch fehlender Vegetation nur wenige Ecken in der Feldflur, wo die Tiere Ruhe vor Hunden und Menschen finden, um sich auf die Brut- und Setzzeit vorbereiten zu können oder ihren Nachwuchs ungestört aufzuziehen“, so Pfaff weiter.

Obstplantagen bieten Rehe gute Möglichkeiten zum Unterschlupf
Geparkt werde oft beim Aachgrund-Spielplatz, beim Espasinger Weiher oder am Waldrand kurz nach dem Abzweig der K6165 von Stockach in Richtung Wahlwies. Alle Wege führen über Landwirtschaftswege durch die Obstanlagen. Diese bieten vor allem Rehen gute Unterschlupfmöglichkeiten.

Elko Pfaff verdeutlicht: „Das Reh ist kein Waldtier. Es braucht den Wald nicht zum Überleben, sondern ist eigentlich ein Steppentier in Feld und Flur. Rehe gehen am liebsten in umzäunte Anlagen.“ Der Zaun verspreche ihnen Schutz. Kein Zaun sei wilddicht, die Tiere kämen überall rein und raus, wenn sie nicht gejagt würden. Wenn aber doch ein Hund vor ihnen auftauche, ende diese Begegnung meist tödlich für das Reh. Auch Hasen und Fasane mögen die Obstanlagen, vor allem die mit Hagelschutznetzen, denn dort können Raubvögel sie schlecht jagen.

Wildschäden an den Bäumen
Obstbauer Wolfram Renner hat fast nur noch offene Anlagen. Die Zäune seien oft löchrig gewesen und hätten geflickt werden müssen, erzählt er. Er sehe nun etwas häufiger Wildschäden durch Anknabbern oder Ankratzen der Rinde. Bei jungen Bäumen verwende er Verbiss-Schutzmittel. „Die weiße Paste schmeckt bitter und die Tiere lassen von dem Baum ab.“ Ab und zu stromerten Hunde durch die Baumreihen, wie ihre Hinterlassenschaften beweisen. „Der Großteil der Hundebesitzer sammelt den Kot auf und nimmt ihn mit. Andere packen ihn in einen Kotbeutel und hängen es an einen Baum. Das finde ich richtig dumm“, sagt Renner. Noch unangenehmer sei Kot allerdings im Grünstreifen. Der Landwirt wird deutlich: „Wenn wir mulchen und hinten alles an die Bäume rausspritzt, das ist ekelhaft.“
Viele Tiere auf den Feldern
Auf seinen Flächen beobachte er Rehe und Hasen, einzelne brütende Vögel, Füchse und in Ortsnähe auch viele Katzen. Ihm gefalle es, Leben in den Anlagen zu haben. „Wenn Nützlinge und Schädlinge im Gleichgewicht sind, müssen wir für den Pflanzenschutz viel weniger Aufwand betreiben“, betont Renner.
Dazu passt die Aussage seines Obstbaukollegen Alexander Buhl. „Wir haben alle Zäune entfernt, auch weil man direkt am Zaun nicht mulchen kann. Im hohen Gras fühlen sich allerdings Feldmäuse besonders wohl.“ Diese mögen die Wurzeln junger Apfelbäume, Hasen gehen an die Rinde und Rehe fressen Knospen, zählt Buhl auf. Aber auch er sagt, die Schäden hielten sich in Grenzen. „Richtung Bodman haben die Obstbauern eher Probleme mit Wildschweinen oder größerem Wild, da sind Zäune absolut sinnvoll.“
Wer Glück hat, sieht die Wildtiere zu unterschiedlichen Tageszeiten. Um sie keiner Gefahr auszusetzen, empfiehlt Elko Pfaff eine Feldleine von 20 bis 30 Metern Länge für den Hund. Damit sei man auf der sicheren Seite. „Dann kann er springen und man hat ihn sicher, wenn plötzlich ein Hase, Reh oder Fasan kommt.“