Lieber Herr Encke,
in Ihrer Haut möchte ich gerade nicht stecken. Sie sind vermutlich einer der aktuell meistgehassten Männer Deutschlands, dabei sind Sie sicher kein schlechter Mensch. Aber als Zoodirektor mussten Sie eine Entscheidung treffen – und das haben Sie, auch wenn es schwer war. Vereinfacht gesagt sind im Tiergarten Nürnberg 12 gesunde Guinea-Paviane gestorben, weil Sie das wollten. Aber so einfach ist es natürlich nicht. Der Tod der Affen ist nur das vorläufige Ende einer langen Geschichte. Und so traurig das ist, frage ich mich: Was hätten Sie denn sonst tun sollen?
Tierschützer werfen Ihnen Verantwortungslosigkeit vor. Auf mich machen Sie nicht den Eindruck, verantwortungslos zu sein. Sie haben alles versucht, um die Tötung zu vermeiden, ich sehe keinen Grund, Ihnen das nicht zu glauben. Im Grunde lief es ja seit Jahren auf das Drama hinaus. Die Gruppe war einfach zu groß. Immer mal wieder konnten Sie Paviane abgeben, aber jetzt braucht keiner mehr welche.

Man könnte fragen: Warum wird nicht verhütet? Sie würden sagen: Verhütung macht die weiblichen Tiere dauerhaft unfruchtbar. Einerseits macht das Männchen durch den Mangel an Geschlechtspartnerinnen aggressiv. Andererseits gibt es keinen Nachwuchs, aber, wie ich gelernt habe, besitzen Weibchen mit Jungtieren eine Schlüsselfunktion im Sozialgefüge, quasi als Friedensstifter. Heißt: Es braucht die Jungen. Hätte man warten sollen, bis die Tiere sich gegenseitig umbringen?
Ein Vorschlag war, das Gehege zu vergrößern. Genau das ist vor nicht allzu langer Zeit passiert. Klar könnte man das wiederholen. Aber auch wenn man die Kostenfrage außen vor lässt, brauchen die anderen Tiere ja auch noch Platz. Und Zootiere auswildern? Keine gute Idee. Experten haben das lang und breit diskutiert, und wenn ich der Argumentation folge, sehe ich ein, dass es nicht mehr anders ging, als zum Wohl der Gruppe einige Tiere auszuwählen, in Transportkisten zu stecken und, wie es offiziell heißt, „tierschutzkonform per Kugelschuss“ zu töten. Allein der Gedanke … Das wird Ihnen und Ihren Mitarbeitern nahe gegangen sein, daran zweifle ich keine Sekunde.

Sie hätten das vermutlich auch still und heimlich machen können. In Zoos sterben immer wieder Tiere, knallhart gesagt: Das wäre kaum aufgefallen. Es spricht für Sie, dass Sie sie sich der Diskussion stellen. Denn es geht um viel mehr als zwölf Paviane in Ihrem Zoo. Es geht zum Beispiel um die Frage, wie man um erschossene Affen im Zoo trauern kann, während man vor sich ein günstiges XXL-Schnitzel auf dem Teller hat.
Das deutsche Tierschutzgesetz besagt, dass kein Tier ohne vernünftigen Grund getötet werden darf. Kann ein vernünftiger Grund sein, dass man Platz braucht, um weiterzuzüchten? Ich weiß es nicht. Mehr als 100 Strafanzeigen sind bei der Staatsanwaltschaft eingegangen. Herr Encke, für Sie ist es gut, wenn das ein für alle Mal von einem Gericht geklärt wird – und wenn jeder Einzelne von uns mal darüber nachdenkt.
Ich gehe übrigens gern in den Zoo – vielleicht trotz allem auch bald mal in Nürnberg.